GEZ noch?

GEZ noch?

Vor mir liegt diese Rechnung. Wieder mal, 55,08 Euro für drei Monate. Eigentlich lese ich lieber.

Wenn ich dann doch mal ins Zweite schaue, mit dem du angeblich besser siehst, schwurbelt da der sehr bärtige und dreistduzende Koch (ich bin der Horst!) herum und bringt die gute Oma dazu, ihr teures Rares bar jeder Vernunft an geifernde Händler zu verscherbeln. Egal, wann du einschaltest, immer ist der Horst da.

Oder die Tagesschau im Ersten, hilft ja nix. Als Journalist, analog und ziemlich antik. Aber kurz vorher glotzt dich oft so ein verkniffenes Gesicht an, weil das Untendrunter nicht mehr defäkieren kann, und es verspricht dir Kijimea Reizdarm, um sich zügig zu entleeren. Ein notdürftiger Spot, so übel, dass er auf dem teuersten Werbeplatz zum Himmel stinkt.

Vor mir liegt diese Rechnung. Wieder mal, 55,08 Euro für drei Monate. Eigentlich gucke ich eher Netflix.

Wofür also der öde Mammon? Ne, sicher nicht für den Sport. Echt lustig, was da aus der Anstalt kommt. Wenn Olympia ist, kriegst du morgens Bogenschießen oder Rodeln im Doppelsitzer als zähen Einheitsbrei zum Frühstück serviert, weil bezahlt ist ja. Und wie. Durch uns, durch GEZ. Blöd nur, wenn du am Dienstagabend auf die Zusammenfassung eines Fußballspiels am Mittwoch hingewiesen wirst, dessen Ergebnis du bereits kennst. Schlaf gut, journalistische Grundversorgung.

Ich lese, äh, gucke BILD, seit mein unvergessener Lehrer Wolf Schneider mir riet, man müsse gefälligst wissen, was der Stammtisch so denkt. Wenn er denn denkt, jetzt in Zeiten von AfD und anderem peinlichen Politikpöbel. BILD und GEZ, da wird ja draufgehauen, dass es selbst abgrundtiefste Sommerlöcher stopft.

Dabei erschrecke ich mich, wenn ich Springers agitativem Elend manchmal freiwillig beistimme, gar nicke, weil eine nimmersatte Intendantin beim bereits goldenen Gesäßtritt den festangestellten Hals nicht vollkriegt. Oder wenn Markus Söder fordert, den Rundfunkbeitrag zur pekuniären Entlastung der Bürger einzufrieren. Einfrieren? Im Sommer?

Irgendwann las ich, die GEZ sei verfassungswidrig, da ARD und ZDF und NDR und und SWR und MDR und WDR und BR genauso viel Werbung schalten würden wie die privaten Sender. Einige Serien und Magazine hätten bereits eigene Sponsoren, hübsch huschig, versteht sich, die Gebühr sei daher nicht mehr tragbar.

Gibt’s dann fürs Gendern Geld zurück? Wie man dort nämlich mit diesem semantischen Schluckauf die deutsche Sprache zerstört, lässt meine Neuronen hoffnungslos verkümmern. Erst neulich machte die Tagesschau unsere Mutter zur entbindenden Person, ich hoffte so, es sei ein Aprilscherz. Aber nix da, eine der ziemlich begnadeten Witzbold:innen wollte danach alle Väter rein fortpflanzungstechnisch zu Ejakulatoren befördern. Love me, gender? Dazu ist fast alles gesagt. Nur die Anstalt hat es bisher noch nicht gemerkt.

Dann aber, und eben auch Jan Böhmermann. Zapp. Die Sendung mit der Maus. Marietta Slomka. Monitor. 37 Grad. Druckfrisch. Das kleine Fernsehspiel. Ingo Zamperoni. Sesamstraße. Die Wochenshow. Aspekte. Maybrit Illner. Sandmännchen. DAS! Caren Miosga. Kontraste. GEZ gleich Kohle gleich doch mehr Können und Kultur? Klassik zwischen Kartoffelchips und bildungsnahem Klassenkampf?

Vor mir liegt diese Rechnung. Wieder mal, 55,08 Euro für drei Monate. Eigentlich sehe ich kaum was bei den Privaten.

Später träume ich schwer. Die Öffis sind weg, für immer aus dem Hirn gesprengt. Irgend ein feiger Anschlag von BILD. Oder Björn Höcke.

Ich höre eine spärlich gebildete Blondine mit schrillem Schnäuzchen Roooobert rufen.

Ich soll mit Dieter Bohlen strunzblöde Frauen tauschen, und als ich singe, raunzt er, dass es wie Sterbehilfe klingt.

Ich poltere mit den Wollnys hartz und herzlich aufs Sozialamt, auf dem Weg dahin küsse ich heulend einen schlecht gelaunten Wolf in den Rabatten.

Ich schleiche mit dem Trödeltrupp in meinen Keller, um Geld aus ihm zu machen.

Ich werde mir selbst in der Wuthöhle zum Fraß vorgeworfen, obwohl die Super Nanny schon so lange obsolet ist.

Ich sehe im Lagerfeuer des dolorosen Dschungelcamps große Buchstaben verbrennen, während ein paar indigene Prolos, die sich Promis nennen, durch die Nacht analphabetisieren.

Ich kann sie nicht verstehen, weil sie auf den trägen Klöten eines Kängurus kauen.

Ich wache auf. Schweiß, Erleichterung, und nackte Angst. GEZ? Ich zahle. Gern. Dann lieber Horst.



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