Lieber Herr Scholz

ich habe Sie nicht gewählt. Aber als Sie damals die Bazooka auspackten, war ich schon ziemlich beeindruckt. Wir schießen aus vollen Rohren, sagten Sie, mit Wumms.

Jetzt weiß ich, war alles nur ein laues Lüftchen, ein kleines Fürzlein, das zum Himmel stinkt. Letzte Woche durfte ich über die Hälfte Ihrer ach so gönnerhaften Coronasoforthilfe zurückzahlen. Bazooka geht anders.

Vielleicht sollte ich im nächsten Leben Barpianist werden. Da hat doch einer in Berlin sein Klavier als Betriebskosten abgesetzt, als er den frischen Wind Ihrer Bazooka brauchte. Na toll. Ich kann nicht mal unfallfrei den Flohwalzer spielen und ansonsten auch bloß Buchstaben sortieren, dass sie möglichst einen Sinn ergeben.

Wer denkt sich nur sowas aus? Wieso machen Sie die Betriebskosten wichtiger als den Ausfall unserer Honorare?

Durch Sie habe ich ja erst erfahren, dass ich ein Soloselbstständiger bin. Dämliches Wort übrigens. Klingt so einsam, so von allem ausgeschlossen. Ich jedenfalls hocke schon seit Jahrzehnten im Homeoffice und bin durch dieses fiese Virus jetzt ein Reisejournalist, der nicht mehr reisen darf. Wird sich wohl auch nicht viel dran ändern, wenn ich auf die Zahlen gucke. Unser Berufsverbot geht munter weiter.

Was glauben Sie eigentlich, wieviel Betriebkosten wir oft sehr freien Freien haben? Ein paar Quadratmeter für den Schreibtisch von der Miete runter, na ja, und dann eben Büroklammern, Flatrate, Druckertinte, Briefmarken und anderer Kram. Mein jüngster Sohn, der freche Rotz, behauptet immer, ich würde den ganzen Tag im Drehstuhl sitzen und Zeitungen zusammenfalten.

Ich hab noch nie was vom Staat gekriegt. Höchstens mal ein paar Knöllchen für zu schnelles Fahren. Deshalb bin ich Ihnen sehr dankbar, lieber Herr Scholz, überhaupt was bekommen zu haben. Ich hätte unserem Gemeinwesen auch gern was zurückgegeben, aber mich alten Risikosack wollten sie nicht mal auf dem Gesundheitsamt als freiwilligen Mitarbeiter haben.

Der Antrag ging eigentlich ganz leicht von der Hand. Doch Sie davon zu überzeugen, dass wir soloselbstständigen Stubenhocker bei dem knappen Zeilengeld weit unterhalb des Mindestlohns auch noch Honorare verlangen, war wie Anlauf nehmen und gegen die Wand rennen. Ein Kollege von Ihnen bezeichnet meinen Job sogar als prekäres Arbeitsverhältnis. Hallo, gehts noch?

Bei Ihnen, Herr Scholz, heißt das Liquiditätsengpass. Ich weiß von freien Freien, dass sie vor lauter Enge keine Luft mehr kriegen; und für ein paar große Verlage ist das Virus eine ganz wunderbare Gelegenheit, sich der nörgelnden Tagelöhner für immer zu entledigen. Ihnen kann ich es ja verraten, ein ehemals mächtiges Medienhaus am Hafen, das sich jetzt von RTL die Inhalte einflüstern lässt, nennt man unter uns nur noch Gauner & Spar. Also, ich sag mal so, das hat der STERN auch nicht verdient.

Im Rückmeldungsfahren klang es so wie: Dir steht das Wasser zwar bis zum Hals, aber solange du noch schwimmen und dir deine Bleistifte selber kaufen kannst, zahl mal, aber hurtig - und zwar in zwei Wochen zurück. Weitere Stichproben und Prüfungen behalte man sich vor; wissen Sie, Herr Scholz, ich komme mir jetzt fast vor wie ein mieser, kleiner Subventionsbetrüger, der Glück hat, wenn er nicht weggesperrt wird.

Ein festangestellter Freund fragte mich, wovon man denn leben soll, wenn man nicht mehr arbeiten kann.

Was soll ich ihm antworten?

In diesem Sinne,

Ihr Soloselbstständiger Michael Schophaus