Ich bin nicht HRler! (oder doch?)
Dieser Text richtet sich ursprünglich nur an Klaus Burmeister, Kai Anderson und Reiner und Richard Straub, um zu klären, ob ich HRler bin oder nicht, bzw. diese Frage eigentlich langatmig zu verneinen. Diese Ego-Frage ist aber natürlich nur von bedingter Relevanz, so diskutiert dieser Beitrag generell die Frage nach Menschenbild und Zukunft der Personalmanagements. Der Auslöser war ein sehr erfreulicher: Eigentlich und auch uneigentlich ist es eine große Ehre, wenn man vom Personalmagazin als einer der 10 wichtigsten HR-Influencer bezeichnet wird. Der von mir sehr geschätzte Reiner Straub und sein Team loben nicht so inflationär wie ich es als Rheinländer tue, weil es ja nicht schadet ;-)
Das Selbstbekenntnis, dass man eigentlich kein HRler ist, könnte also kokett wirken oder Fishing vor Compliments sein. Ist es aber nicht, denn es geht fundamentaler um eine paradigmatische Frage, die nicht weniger als die Zukunft der Menschheit entscheiden wird. Es ist die Frage nach dem Sinnbezug menschlicher Existenz oder den Sinnbezug einer neuen digitalen Welt, die falsche digitale Götter ehrt. Sind wir zu verwaltende Ressourcen oder kollaborative Schöpfer unserer Welt? Macht uns die Faszination des Technischen nach der Faszination des Profits zu neuen Tänzern um goldene Kälber oder gelingt uns eine neue Rück-Verbindung zu dem, was auch immer Letzt-Sinn sein kann? Das ist eine entscheidende Frage.
Drunter machen wir es nicht ;-) Vielleicht wird nachfolgend auch klar, warum ...
Are we human or are we dancers or are we only human resources?
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Ich bin nicht Stiller!
>>„Ich bin nicht Stiller!“ Mit diesen Worten wehrt sich der Ich-Erzähler, der einen amerikanischen Pass auf den Namen James Larkin White besitzt, gegen seine Festnahme bei der Einreise in die Schweiz. Dort hält man ihn für den verschollenen Schweizer Bildhauer Anatol Ludwig Stiller, eine Identität, die White beharrlich verleugnet, obwohl ihn Bekannte und Freunde als ebendiesen Stiller identifizieren. <<
So weit Wikipedia hier über den Klassiker von Max Fritsch. Fast jeder weiß, wie die Geschichte ausgeht. Fast jeder durfte in der Mittelstufte dieses Werk genießen.
Natürlich ist Nicht-Stiller in Wirklichkeit doch Stiller.
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Ich bin nicht HRler
Nach dieser Analogie müsste ich im Laufe dieses Beitrags bekennen, dass ich doch in Wirklicheit ein HRler bin. Das wird aber nicht geschehen, jedenfalls nicht, wenn wir HR klassisch mit "Human Resources" übersetzen, eine Bezeichnung zynisch und entlarvend bis zum heutigen Tag. Nur mit "Armut der Begierde" kann man erklären, warum Heerscharen von Menschen andere Menschen als Ressourcen verwalten oder noch schlimmer, sie zum Humankapital degradieren, oder noch viel schlimmer, sich zum Humankapital und zur Ressource degradieren lassen. Wie kaum ein zweiter hat Charles Handy beim Druckerforum 2017 in Wien sein eigenes Schicksal in diesem Sinne verdeutlicht - als Schraube im Getriebe der Shell-Organisation, als austauschbarer Funktionsträger reduziert auf einen Code. Teil dieses Systems - das war nie mein Plan ...
The Human Revolution - Closing Adress Drucker Forum 2017!
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Ich wäre Theologe, wenn ich nicht Nerd und Yuppie sein müsste
Mein Lebensplan war es nicht weniger, als Vorsitzender der Kurie zu werden, bevor dieser Lebensplan dann von der Einsicht verdrängt wurde, dass nicht die Theologie, sondern Ökonomie und Technologie das Leben unserer Menschheit maßgeblich bestimmen würde. Das durfte man aber nicht den Yuppies und Nerds alleine überlassen.
So dachte der verhinderte Theologe und wurde Nerd und Yuppie ... und in der Tat haben Finanzkrise und die sich heute schon abzeichnende digitale Dystopie die Richtigkeit dieser frühen Prognosen bestätigt. Und so wurde aus dem Weg nach Rom ein Weg in eine Hochburg der "praktischen" Informatik und der deutschen Computer-Industrie, nach Paderborn, und aus einem Studium der Dogmatik und Ethik ein Studium der Wirtschaftswissenschaften und Informatik. Zu meinem Trost betreute mich zugleich Winfried Schulz, ein Jesuit und Professor am Vatikan, als Vertrauensdozent auf dem Paderborner Weg, so war zumindest Rom auch in Paderborn "holographisch" präsent.
Und nun? Nun sprechen alle Indikatoren dagegen, dass ich kein HRler bin. Heute bin ich Sprecher der Zukunftsinitiative Personal, Beirat der Messe Zukunft Personal und schließlich Mitglied in Jurys, um Köpfe der HR-Community auszuzeichnen.
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Ich bin HRler - nach der Definition von Charles Handy
So will ich es dann doch bekennen. Am Ende wird der verhinderte Theologe ein HRler und vielleicht sogar ein Influencer von HRlern - aber nicht im "alten" Sinne von HR als Human Resources, sondern von HR im neuen Sinne von Revolutionär Charles Handys als "Human Revolution". Wenn ich daran mitwirken kann, dass wir die sich abzeichende Dystopie noch in eine humane Utopie ("Digital Human", Kai Anderson) drehen, dann ist für mich HRler ein Ehrentitel und jede Plattform, die dieser Revolution dient, nichts anderes als ein erweiterter Vatikan für eine neue Ethik und Dogmatik ;-)
Ich bin ein HRler, ein Revolutionär des Humanen - so klingt das dann doch gut ... Wer ist nicht so umstürzlerisch will: Resourceful Humans ist die sanfte Variante von Heiko.
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NextHR, DigitalHuman - HR - Träger der humanen Revolution!
Meine Ego-Reflexionen sind aber nur von bedingter Relevanz. Sie zeigen aber prototypisch eine größere Perspektive auf. Wenn selbst ein Skeptiker wie ich von einer solchen neuen HR begeistert sein können, könnte das nicht das Heilsversprechen der neuen HR sein - HR als Träger der humanen Revolution im Unternehmen, die jenseits der rein technologischen Fokussierung den Mensch zu neuer Relevanz gerade im digitalen Zeitalter verhilft? Kai Anderson ist da mit seinem HR-Ansatz "Digital Human" ein Bruder im Geiste von Charles Handy. Wir brauchen mehr Andersons. Wenn also Walter Jochmann in seiner #NextHR-Blogparade mehr Innovation und eine Ambidextrie für HR fordert, könnte die Handy-Meptapher nicht die starke Metapher für die Mobilisierung der noch nicht Mobilisierten sein? Ich sehe das Potenzial ...
Dann wird alles hoffentlich gut ...
Impulse zur Gestaltung der Arbeitswelt - Publisher Personalmagazin und haufe.de (Newsportale) bei Haufe Group
6 JahreIhre "Ego-Reflexionen" gefallen mir sehr, sie sind sehr unterhaltsam und im Grundsatz dialektisch angelegt (bin kein HRler, aber doch HRler). Das fordert heraus. Im Businesskontext ist dialektisches Denken eher selten, wo die Argumentation doch häufig dualistisch angelegt ist: New Work grenzt sich gegen alte Arbeit ab, Neugeschäft gegen Bestandsgeschäft, gut gegen böse. Die meisten Protagonisten von New Work denken nicht darüber nach, dass in "New Work" auch die "alte Arbeit" enthalten ist, von der man sich emanzipieren will. Das gilt auch für viele Businessbetrachtungen. Eine eher dialektische Sichtweise macht sich klar, dass sich New Work und alte Arbeit gegenseitig bedingen und im weiteren Zeitverlauf aus den heutigen Vorstellungen von New Work bald wieder alte Arbeit wird. Zurück zu ihrem Text: Am Ende des Textes verlassen sie die Dialektik. "Human Resources" finden sie furchtbar, weil die Menschen hier verdinglicht werden. HR als Träger der humanen Revolution, damit können Sie sich anfreunden. Doch die beiden Dimensionen sind kein unversöhnlicher Dualismus, bei dem man sich auf die eine oder andere Seite schlagen muss. Wenn ich am Monatsende meinen Monatsreport in SAP schreibe, zähle ich FTE und Personalkosten, manage also meine Personalressourcen aus betriebswirtschaftlicher Sicht. Wenn ich anschließend eine Redaktionsbesprechung mache, sitze ich nicht mit "Ressourcen" zusammen, sondern mit Talenten, die gute Geschichten machen können. HR beschäftigt sich mit beiden Dimensionen, die eine kann nicht gegen die andere ausgespielt werden, vielmehr bedingen sie sich in dialektischem Sinne gegenseitig. Das nur als kleiner intellektueller Ausflug, da wir beide eine geisteswissenschaftliche Herkunft haben.