Influencer-Marketing und Kennzeichnungspflicht: Welche Anforderungen sind nach den Entscheidungen des BGH (Influencer I bis III) zu beachten?
Der BGH hat sich in drei Verfahren (Az. I ZR 90/20, I ZR 125/20, I ZR 126/20) erstmalig zur lang diskutieren Frage geäußert, wie Influencerinnen ihre Instagram-Beiträge kennzeichnen müssen, ohne gegen rechtliche Vorgaben zu verstoßen.
Nach bisher zahlreichen untergerichtlichen Urteilen, mit nicht selten widersprechenden Positionen der Gerichte, hat der BGH nun versucht, hier für mehr Klarheit zu sorgen. Ganz gelungen ist es ihm meiner Ansicht nach noch nicht. Hier muss man die Urteilsgründe abwarten und schauen, ob diese für mehr Klarheit sorgen werden. Was müssen Influencerinnen nach den Urteilen jetzt beachten? Dies soll der nachfolgende Beitrag verdeutlichen, mit dem Ziel ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen.
I. Hintergrund der Verfahren
Die Verfahren hatte jeweils der Verband Sozialer Wettbewerb e.V. angestrengt, der die Influencerinnen Cathy Hummels, Leonie Hanne sowie Luisa-Maxime Huss wegen unzulässiger Schleichwerbung auf Unterlassung verklagt hatte. Konkret beanstandete der Verband Sozialer Wettbewerb e.V. von den Influencerinnen gepostete Bilder, die mit sog. „Tap-Tags“ versehen waren, also kleinen Hinweisfeldern, die zunächst unsichtbar sind und durch einmaliges Antippen des Bildes für den Nutzer sichtbar werden. Diese Hinweisfelder fungieren sodann als Verlinkung, sodass der Nutzer durch Antippen des Hinweisfeldes z.B. weitergeleitet wird auf die entsprechende Instagram-Präsenz des Produktherstellers.
Die drei vom BGH zu beurteilenden Verfahren haben sich im Kern dadurch unterschieden, , dass allein die Influencerin Huss eine Gegenleistung von dem von ihr per Tap-Tag verlinkten Hersteller der auf dem Posting abgebildeten „Raspberry Jam“ (Himbeer-Marmelade) erhalten hatte.
II. Grundaussage des BGH: Kennzeichnung bei Erhalt einer Gegenleistung und bei sog. „werblichen Überschuss“
Der BGH entschied dahingehend, dass die Influencerinnen im auf Ihrem Instagram Account bei Fotos mit Produkten ohne einen Hinweis auf Werbung auf Unternehmen verweisen durften, sofern sie hierfür keine Gegenleistung erhalten hatten und kein sog. Werblicher Überschuss vorlagDer BGH arbeitet hier mit dem Begriff des „werblichen Überschusses“. Ob ein solcher vorliegt, ist stets der Würdigung des Einzelfalls vorbehalten. In diesem Fall ist von keiner unzulässigen Schleichwerbung i.S.d. § 5a Abs. 6 UWG auszugehen. Das positive an den Entscheidungen: Immerhin für drei Konstellationen herrscht nun ein wenig mehr Klarheit in der Influencer Branche.
III. Voraussetzungen des § 5a Abs. 6 UWG
Unlauter handelt hiernach, wer den
a.) kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung
c.) nicht kenntlich macht, sofern sich
aa.) dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und
bb.) das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
1. Kommerzieller Zweck einer geschäftlichen Handlung
Laut BGH ist die geschäftliche Handlung stets bei einem eigenen und unter bestimmten Voraussetzungen bei einem fremden Unternehmensbezugs gegeben. Ein eigener Unternehmensbezug liegt nach Ansicht des BGH stets vor, da Influencer, die mittels eines sozialen Mediums wie Instagram Waren vertreiben, Dienstleistungen anbieten oder das eigene Image vermarkten ein (eigenes) Unternehmen betreiben. Zudem sei die Veröffentlichung von Beiträgen dieser Influencer in dem sozialen Medium geeignet, ihre Bekanntheit und ihren Werbewert zu steigern und damit ihr eigenes Unternehmen zu fördern.
Bei einem fremden Unternehmensbezug ist danach zu unterscheiden ob bei einem Posting eines Influencers, welcher ein Produkt dieses Unternehmens zum Gegenstand hat, der Influencer eine Gegenleistung erhält oder das Posting nach seinem Gesamteindruck einen im jeweiligen Einzelfall festzustellenden „werblichen Überschuss“ aufweist.
Der „werbliche Überschuss“ ist laut BGH immer dann anzunehmen, wenn das Posting ohne jede kritische Distanz allein die Vorzüge eines Produkts dieses Unternehmens in einer Weise lobend hervorhebt, so dass die Darstellung den Rahmen einer sachlich veranlassten Information verlässt.
Im Zusammenhang mit dem Einsatz sog. „Tap-Tags“ stellte der BGH dann fest, dass zwar allein der Einsatz von Tap-Tags in einem Posting nicht bereits per se einen „werblichen Überschuss“ begründen, zum anderen sei ein „werblicher Überschuss“ aber regelmäßig dann anzunehmen, wenn der eingesetzte Tap-Tag auf die Internetseite des Herstellers des abgebildeten Produkts verlinkt, was in der Praxis den üblichen Anwendungsfall darstellen dürfte.
Fazit:
Werblicher Überschuss (+) ansonsten (-)
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2. Nicht kenntlich machen
Liegt eine kommerzielle geschäftliche Handlung vor, so haben die Influencerinnen diese entsprechend kenntlich zu machen. Dies entfällt nur in den folgenden Fällen:
Liegt ein eigener Unternehmensbezug der Influencerinnen vor, so ergibt sich die geschäftliche Handlung bereits aus den Umständen, da die relevanten Verkehrskreise einordnen können, dass die Influencerinnen den Account zur Eigenwerbung und zum Aufbau ihrer eigenen Reputation nutzen. Vergleichbar mit einem Unternehmen, dass für eigene Produkte wirbt ist dem Verbraucher der kommerzielle Zweck eines Influencerinnen Accounts daher aus den Umständen erkennbar. Eine Kennzeichnungspflicht entfällt in diesem Fall.
So wies der BGH die Revision des klagenden Verbandes Sozialer Wettbewerb e.V. in den Verfahren gegen die Influencerinnen Hanne (Az. I ZR 125/20) und Hummels (Az. 126/20) entsprechend auch zurück. Laut dem BGH lag bei den Postings der beiden Influencerinnen zwar jeweils eine geschäftliche Handlung mit eigenem Unternehmensbezug der Influencerin vor, mit den Feststellungen der Berufungsgerichte sei jedoch davon auszugehen, dass sich der kommerzielle Zweck der Postings bereits unmittelbar aus den Umständen ergeben.
Bei einem fremden Unternehmensbezug ohne Gegenleistung ist auch keine Kennzeichnungspflicht erforderlich. Hier ändert sich die Bewertung daher nicht.
Sofern zusätzlich auch ein fremder Unternehmensbezug gegeben sei, ist § 5a Abs. 6 UWG mit dem BGH einschränkend im Sinne der vorrangigen Spezialvorschriften des § 6 Abs. 1 TMG, § 58 Abs. 1 S. 1 RStV bzw. § 22 Abs. 1 S. 1 MStV dahingehend auszulegen, dass nur bei einer erhaltenen Gegenleistung eine Kennzeichnungspflicht ausgelöst werde.
Fazit:
Gegenleistung des fremden Unternehmens oder „werblicher Überschuss“
IV. Zusammenfassung
Die Entscheidungen des BGH sorgen nur auf den ersten Blick für mehr Klarheit. Influencerinnen, die mittels eines sozialen Mediums wie Instagram Waren vertreiben, Dienstleistungen anbieten oder das eigene Image vermarkten, betreiben ein Unternehmen. Dies Klarstellung ist zu begrüßen. In diesem Fall müssen Sie bei dem Bezug zu eigenen Produkten keine Kennzeichnung vornehmen, da sich die kommerzielle geschäftliche Handlung für den Verbraucher schon aus den Umständen ergibt. Sobald die Influencerinnen aber einen fremden Unternehmensbezug haben, also für Produkte Dritte werben, ist eine Kennzeichnung erforderlich, sofern eine Gegenleistung geflossen ist oder wenn das Posting ohne jede kritische Distanz allein die Vorzüge eines Produkts dieses Unternehmens in einer Weise lobend hervorhebt, so dass die Darstellung den Rahmen einer sachlich veranlassten Information verlässt. Ansonsten bedarf es keiner Kennzeichnung durch die Influencerinnen.
Neue Fragen und Herausforderungen für die Kennzeichnungspflicht
Bei genauerer Betrachtung wird aber klar, dass auch nach den Entscheidungen des BGH noch viele Fragen ungeklärt sind und auch neue Fragen auftauchen. Allein der unbestimmte Rechtsbegriff des „werblichen Überschusses“ ist nicht sonderlich glücklich gewählt, da dieser wieder einen weiten Spielraum für Diskussionen eröffnet und bei nicht ganz klaren Fällen zu erheblicher Rechtsunsicherheit beitragen wird. Denn gerade die Beantwortung dieses Punktes ist stets eine Frage des Einzelfalls und wird im Zweifel durch ein gerichtliches Verfahren zu klären sein.
Auch die Frage, wann eine „Gegenleistung“ vorliegt, bleibt im Zweifel der Klärung durch die Gerichte vorbehalten. Denn der EuGH hat wenige Tage vor den BGH-Urteilen zu Werbung im Rahmen redaktioneller Inhalte entschieden, dass eine „Bezahlung“ im Sinne von Nr. 11 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG kein Entgelt voraussetzt. Es genüge eine geldwerte Gegenleistung in jeder Form, „sofern ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der in dieser Weise vom Gewerbetreibenden geleisteten Bezahlung und der Veröffentlichung besteht“. Auch ein kostenfrei zur Verfügung gestelltes Produktfoto kann eine „Bezahlung“ in diesem Sinne darstellen, so der EuGH (Urteil vom 02.09.2021, Az. C-371/20). So können auch Vergünstigungen, Warengeschenke oder Einladungen zu Testaufenthalten in Hotels Gegenleistungen sein.
Offen bleibt auch, wann für den Verbraucher die Unternehmenstätigkeit einer Influencerin tatsächlich erkennbar ist und wie genau im Profil eine unternehmerische Tätigkeit klargestellt werden muss.
Die Angaben „Influencer/in“, Marketing, „Lifestyle-Beratung“, „Fitnesstrainer“, „Coach“ oder „Promotion“ können wohl ausreichend Klarheit schaffen, die unklaren Angabe „Produkttesterin“ eher nicht.
Letztlich bleibt auch unklar, was der BGH in Sachen "Tap Tags" für Anforderungen stellt. Hier erfolgt eine Differenzierung zwischen dem Setzen eines „Tap Tags“ (in diesem Fall soll ein werblicher Überschuss noch nicht naheliegen) und einer Verlinkung (in diesem Fall soll ein werblicher Überschuss regelmäßig gegeben sein). Diese Differenzierung irritiert auf den ersten Blick, denn „Tap Tags“ auf Instagram gehen grundsätzlich mit einer Verlinkung auf ein Instagram-Profil einher. Eine bloße nicht-klickbare Namens- oder Markennennung durch „Tap Tags“ ist auf Instagram nicht möglich. Es bleibt zu hoffe, dass hier die Urteilsgründe für mehr Klarheit sorgen werden.
V. Neue Rechtslage ab Mai 2022
Der Bundestag hat am 10.08.2021 das "Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht" beschlossen, das am 25.05.2022 in Kraft tritt.
Dieses regelt in § 5 a Abs. 4 UWG (n.F.), dass ein kommerzieller Zweck bei einer Handlung zugunsten eines fremden Unternehmens nicht vorliegt, wenn der Handelnde kein Entgelt bzw. keine ähnliche Gegenleistung für die Handlung von dem fremden Unternehmer erhält bzw. sich versprechen lässt.
Die oben aufgeworfenen Fragen des „werblichen Überschusses“, der „Gegenleistung“ und der Art und Weise der Erkennbarkeit der unternehmerischen Tätigkeit sind im Gesetz aber nicht definiert. Es bleibt also spannend und die Entscheidungen des BGH werden sicherlich nicht die letzten zu diesem Thema sein. To be continued…
Erfolgreiches Social Media Marketing zielt auf Kopf und Herz. Unabhängiger Kommunikationsberater I Dozent und Lehrbeauftragter I Systemischer Coach (EBS) I General Manager (EBS) I Vortragsredner und Fachautor
1 JahrVielen Dank für Ihre Ausführungen! In wiefern besteht eine Kennzeichnungspflicht auf LinkedIn und Xing?