Initiativbewerbungen – Einen haben wir aber noch: „Warum funktioniert es überhaupt“?

Initiativbewerbungen – Einen haben wir aber noch: „Warum funktioniert es überhaupt“?

Eigentlich wollten wir ja mit dem Thema Initiativbewerbungen „durch“ sein, allerdings: Über 100.000 Aufrufe für die bisherigen drei Teile sowie zahlreiche Rückfragen per Nachrichten und Mails haben uns zu einem Nachschlag bewogen. Lassen Sie uns also in dieser Ausgabe der Frage nachgehen, warum das mit den Initiativbewerbungen überhaupt funktioniert. Denn der altbekannte und vermeintlich klare Ablauf ist doch: eine Stelle wird ausgeschrieben, dann kommt der Bewerbungszyklus, bis die Stelle besetzt ist. Was macht dann eine Initiativbewerbung, d.h. eine Bewerbung für eine Stelle, die nicht vakant ist, überhaupt für einen Sinn?

Was sagt die Marketingtheorie dazu?

Wird ein (komplexer) Kaufentscheidungsprozess mit seinen Phasen „Information“ und „Vorauswahl“ durchlaufen stehen am Ende immer nur zwei Produkte die näher betrachtet werden („accept set“ wie bereits in einer vorangegangenen Kolumne ausführlich thematisiert). Nach der Abwägung zwischen diesen beiden Produkten wird nicht sofort das präferierte Produkt gekauft, sondern es entsteht davor noch ein Konstrukt namens „Kaufabsicht“. Kaufabsicht bedeutet, dass man sich zwar im Klaren ist, dass man etwas neues kaufen will, aber es wird noch nicht umgesetzt. Gründe dafür können sein, dass man

  • sich die Entscheidung noch mal gründlich überlegen will, 
  • Aufwand betreiben muss, um das Produkt zu kaufen (wie z.B. in den Laden gehen und entsprechend Wegstrecken auf sich nehmen) und 
  • sich auch am Ende – monetär gesehen – von dem Kaufpreis aus dem eigenen Portemonnaie verabschieden muss, was je nach Höhe schmerzhaft sein kann. 

Manchmal überlegt man sich daher, ob das neue Produkt überhaupt notwendig ist, oder ob man mit dem Altbewährten nicht noch weiterleben kann. Hand aufs Herz – jeder von uns kennt doch diese Abläufe. Entscheidungen, gerade wenn Sie mit Anstrengung oder Friktionen verbunden sind, werden gerne mal „auf später“ verschoben. 

In diesem Zeitraum, in denen Sie das Konstrukt „Kaufabsicht“ in sich tragen, können also zwei Dinge passieren: Die Kaufabsicht wird 

  • durch die Einflüsse anderer verstärkt oder 
  • völlig konterkariert, so dass Sie entweder die Entscheidung immer weiter aufschieben oder im Gegenteil ganz sein lassen. 

So kann Ihr persönliches Umfeld Ihre letzten Bedenken zerstreuen mit Sätzen wie „das ist eine einmalige Gelegenheit“ oder aber die Kaufabsicht regelrecht zerstören mit Aussagen „Du brauchst das doch überhaupt nicht“. Und so kommt es nicht gerade selten vor, dass Kaufabsichten – so sie denn einmal gefasst worden sind – auch über mehrere Monate mitgetragen werden, ohne dass Sie umgesetzt oder final verworfen werden, getreu dem Gedanken „eigentlich müsste ich doch mal ……“

Was folgt daraus für Ihre Initiativbewerbung?

Versetzen Sie sich in die Situation einer Führungskraft, die ihre Abteilung umstrukturieren will, oder die mit einem Mitarbeiter nicht klar kommt – oder beidem. 

Wenn für die Führungskraft die finale Entscheidung gefallen ist, dass man sich von „Herrn/Frau XY“ trennen will, kann dies sehr oft nicht unmittelbar umgesetzt. Die Gründe dafür sind vielfältig: 

  1. Eine solche Entscheidung jemandem mitzuteilen, ist sehr unangenehm
  2. Diese Entscheidung hat unmittelbare Rückwirkungen auf die anderen Mitarbeitenden der Abteilung – unbeeindruckt wird das niemand lassen
  3. In dem Moment, in dem die Trennungsnachricht den Mitarbeiter erreicht, wird sein Engagement für das Unternehmen rasant abnehmen
  4. Die Personalabteilung und der Betriebsrat müssen informiert werden, um die Trennungsmodalitäten zu verhandeln – auch das gehört nicht zu den angenehmen Aufgaben
  5. Um eine neue Stelle ausschreiben zu können, muss mit dem Vorgesetzten und ggf. Personalcontrolling die Notwendigkeiten für Austausch / Ersatz ausführlich diskutiert werden – das ist mit viel Aufwand verbunden
  6. Eine Anzeige schalten lassen, die Bewerber sind zu rekrutieren und anschließend einzuarbeiten – das kostet viel Zeit

Ein solcher Prozess ist weder vergnügungssteuerpflichtig noch halst sich jemand gerne noch solche Extrazeit auf. Dazu kommt: Sofern sich eine Führungskraft heute (Februar) von einem Mitarbeiter trennt, muss sie einkalkulieren, dass sich Ersatz erst im Spätsommer finden wird (die Zeit für Rekrutierung und die Kündigungsfristen liegen in Summe selten unter sechs Monaten, manchmal können neun bis zwölf Monate vergehen.) In dieser Zeitspanne steht nicht nur der alte Mitarbeiter nicht oder nur mit äußerst überschaubaren Engagement zu Verfügung. Da der neue Mitarbeiter noch nicht da ist bzw. auf sich warten lässt, ist die Stelle de facto unbesetzt. Erwägungen, mit dem ungeliebten Mitarbeiter erst mal „irgendwie“ weiterzumachen, bis er vielleicht intern wechselt oder sich selbst Herausforderungen außerhalb der Organisation sucht, sind keineswegs abwägig. Findet jetzt aber inmitten dieser Überlegungen ihre Initiativbewerbung den Weg auf den Schreibtisch der Führungskraft, ändert sich das Spiel („game changer“). Die Formalien der Kündigung für den alten Mitarbeiter bleiben zwar, ABER: der Ersatz ist schon gefunden, so dass mit den Übernahmemodalitäten geplant werden kann. Die Zeit, in der die Stelle unbesetzt bleibt, kann also erheblich reduziert werden. Und der Aufwand für Ausschreibungen, Vorauswahl von Bewerbern usw. kann u.U. ganz entfallen oder zumindest sehr vereinfacht werden. Ergo eine WIN-WIN Situation sowohl für den Bewerber als auch den Arbeitgeber und darin die zentrale Chance von Initiativbewerbungen.

Fazit

Mit einer Initiativbewerbungskampagne können Sie sich definitiv ins Gespräch mit potenziellen Arbeitgebern bringen – hoffentlich entsteht aus einem solchen Kontakt schnell ein neuer Job, vielleicht bleiben Sie fürs erste „nur“ im Gespräch. Aber das ist alles definitiv mehr als rein auf das Adressbuch eines Personalberaters zu vertrauen (zumal diese meist nur rein auftragsbezogen für Arbeitgeber agieren und damit in der Regel keinen allzu „langen“ Atem für eine Platzierung von Ihnen haben). In diesem Zusammenhang noch eine abschließende Anmerkung aufgrund einiger Ihrer Rückfragen: Nein, die meisten Personalberater werden unseren Gedankengängen nicht folgen (wollen) oder diese gar bestätigen – denn für das eigene Geschäftsmodell wäre es eher schädlich. Wir argumentieren rein aus der Marketingtheorie bzw. der Umsetzung strukturierter Vertriebsaktivitäten heraus – nur mit der eigenen Person als zu vermarktendes Produkt. Und ja - uns sind durchaus auch zahlreiche Erfolgsbeispiele (Best Practice) bekannt.

Jetzt aber wirklich: in der nächsten Kolumne widmen wir uns einem neuen Thema. Gerne ermuntern wir an dieser Stelle: Wenn Ihnen eine Frage zu den bisherigen Themen oder etwas darüber hinaus auf den Nägeln brennt, schreiben Sie uns weiterhin.



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