Insolvenz: Was wird aus meinem Job?
Liebe Leserinnen und Leser,
der Sommer ist da und in allen Lebensbereichen gibt es Lockerungen der Corona-Beschränkungen. Um die deutsche Wirtschaft steht es besser, als man es nach den Pandemiejahren 2020/2021 erwartet hätte, schrieb kürzlich das Handelsblatt. Und auch das Bundesministerium für Wirtschaft (BMWI) meldet für das erste Quartal 2021 zwar einen Rückgang der wirtschaftlichen Leistung in Deutschland um 1,7 %, deutet für das Gesamtjahr 2021 aber eine wirtschaftliche Erholung an. Selbst auf dem Arbeitsmarkt zeigen sich erste Anzeichen für eine Besserung. Auch wenn „die Folgen der Corona-Krise immer noch sehr deutlich sichtbar sind" , so der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit (BA), Detlef Scheele, anlässlich einer Pressekonferenz in Nürnberg. Denn nach Einschätzung der Wirtschaftswaisen wird die Arbeitslosenquote im Jahr 2021 zwar im Durchschnitt bei 5,9 Prozent liegen, sollte sich aber bis 2022 langsam wieder erholen.
Weniger euphorisch klingen dagegen die Stimmen der Gewerkschaft ver.di. Nach deren Auffassung stellen
„die Auswirkungen der Pandemie die Wirtschaft und den Arbeitmarkt weiterhin vor große Herausforderungen“.
Fast jede Branche sei unterschiedlich betroffen und die Folgen längst noch nicht absehbar. Vor allem der massive Einsatz von Kurzarbeit habe bislang einen stärkeren Anstieg der Arbeitslosigkeit und Beschäftigungsverluste verhindern können. Auch wenn die Arbeitslosenzahlen nur moderat steigen, sei die Krise längst nicht vorbei.
Also alles nur Augenwischerei?
Vielleicht, aber auf jeden Fall nichts für schwache Nerven, denn auch viele Wirtschaftsexperten prognostizieren schon seit einiger Zeit eine Insolvenzwelle, in deren Folge viele Firmen pleite gehen. Und vor allem für betroffene Arbeitnehmer tun sich viele dann viele Fragen auf. Was wird aus dem Job? Muss ich kündigen oder löst sich mein Arbeitsvertrag auf?
Alles bleibt beim alten bis auf....
Grundsätzlich empfiehlt es sich erst mal Ruhe zu bewahren. Denn an dem bestehenden Arbeitsverhältnis ändert sich zunächst nichts. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens übernimmt jedoch der Insolvenzverwalter und tritt an Stelle des Arbeitgebers in alle Rechte und Pflichten ein.
Was sich jedoch ändert, ist die Kündigungsfrist. Gemäß § 113 Abs. 1 S. 2 InsO (Insolvenzordnung). Der Insolvenzverwalter kann dann mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsende kündigen. Auch wenn ursprünglich einmal eine längere Kündigungsfrist oder längere Befristungen vereinbart waren.
Gültig bleibt auch der gesetzliche Sonderkündigungsschutz, wie z.B. der Mutterschutz, der Schutz für Schwerbehinderte oder für Betriebsratsmitglieder. Insolvenzverwalter müssen sich also nicht an längere Kündigungsfristen oder befristete Arbeitsverträge halten. Wem aufgrund einer langjährigen Betriebszugehörigkeit eine längere Kündigungsfrist zugestanden hätte, kann allerdings vom Insolvenzgläubiger nach § 113 InsO Schadenersatz verlangen.
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Geduldig bleiben oder aktiv werden?
Selbstständig kündigen müssen Mitarbeiter also nicht. Ein wenig Geduld zu haben, kann ja häufig auch ganz hilfreich sein. Denn nicht selten werden bei zahlungsunfähigen Unternehmen einzelne Betriebsteile verkauft und die bestehenden Arbeitsverhältnisse gehen dann auf den Käufer des Betriebes über. Dafür wird noch nicht einmal ein neuer Arbeitsvertrag benötigt.
Wer trotzdem aktiv werden möchte, sollte besser schon frühzeitig Urlaub abbauen, um zu verhindern, dass Urlaubsansprüche im Pool der Gläubigerforderungen untergehen. Und ohne Druck die Bewerbungsunterlagen auf den aktuellen Stand zu bringen und nach einem neuen Arbeitgeber Ausschau zu halten, ist häufig effektiver als im Notfall vom Regen in die Traufe zu kommen.
Und ganz wichtig: Unbedingt ein Zwischenzeugnis ausstellen lassen. Denn wer weiß schon, wer sich später noch dafür zuständig fühlt.
Der Pluspunkt: Wer frühzeitig sucht und einen neuen Arbeitgeber findet, kann vielleicht früher als vereinbart (Fristverkürzung), den Arbeitsvertrag aufheben oder kündigen.
Bleiben Sie auf jeden Fall zuversichtlich und geniessen Sie den Sommer!
Herzlichst,
Ihre Birgitta Wallmann
Weiterer Artikel zum Thema:
Was tun, wenn der Arbeitgeber zahlungsunfähig ist? Weitere Infos hier: Wenn der Pleitegeier kreist.
Photo: Anastasiia Chepinska on Unsplash
Älter werden heißt nicht fauler und dümmer werden. Was ich verspreche, halte ich auch!
3 JahreWenn ein Unternehmen Insolvenz anmeldet, ist das für die MA*innen ein Grund, sich rechtlich beraten zu lassen (Gewerkschaften, Betriebsrat, Arbeitsrechtler)
Share & Grow Unternehmensberatung - Enterprise Architektur Management, New Work und Achtsamkeit für Lösungen im digitalen Wandel
3 JahreOft werden die reale Wirtschaft und die KMUs vergessen oder gehen in einer Statistik unter. Wie bei der Pandemie selbst. Mag sein, dass sich die Statistik erholt, weil einige wenige enorm profitieren, aber viele andere bleiben auf der Strecke. In Österreich werden nun auch die Steuer- und Sozialversicherungsstundungen auslaufen. Das wird heftig.
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3 JahreVielen Dank für das Aufgreifen des wichtigen Themas, Birgitta Wallmann! So eine Insolvenz kann ja auch außerhalb der Pandemie mal passieren. Eine kleine Ergänzung vielleicht noch: Überstunden sollten, wenn möglich, auch nicht mehr angebaut werden, weil diese gegebenenfalls auch in die Insolvenzmasse fallen und dann nicht mehr (vollständig) ausgezahlt werden. Entgegen mancher Meinung kann es sein, dass trotz einer Insolvenz nicht weniger Arbeit für die Mitarbeiter anfällt.