Kann KI Storytelling? Über die Goldgräberstimmung in der Content-Welt und ihre Grenzen
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Kann KI Storytelling? Über die Goldgräberstimmung in der Content-Welt und ihre Grenzen

Künstliche Intelligenz revolutioniert das Storytelling und sorgt für eine goldgräberartige Stimmung in der Content-Welt. Trotz beeindruckender Fortschritte bleibt die originelle Ideenfindung und das Verständnis von emotionalen Nuancen und Subtext jedoch eine menschliche Stärke.

 Ein Gefühl von „Wildem Westen“

Seit Einführung von KI, die Bild und Text produziert, befinden sich viele Mediengestalter im Goldrausch. Nie war es einfacher, kraftvolle Geschichten zu produzieren. Künstliche Intelligenz hat bereits viele Einsatzgebiete. Manche Firmen nutzen sie zum Beispiel für ihre externe oder interne Kommunikation, manche Content Creator nutzen sie zum Schreiben und Illustrieren von Büchern. Spannungen zwischen KI-Anbietern und der Kreativbranche sind damit vorprogrammiert. Häufig wird jedoch vergessen, welche qualitativen Mängel, Chatbots beim Storytelling noch haben.

Was ist Storytelling? Dazu gehört sowohl das Erstellen von Texten, Bildern und Audios als auch das Vermitteln von Subtext – also was Menschen wirklich meinen, wenn sie etwas sagen. Und Letzteres ist ein zutiefst menschliches Phänomen. Denn Sprache komplex zu nutzen und verschiedenen Deutungsebenen zu generieren, ist eine Fähigkeit, die weder Tiere noch KI beherrschen. KI-Schreibgehilfen wie Claude Opus, ChatGPT-4.o und Gemini liefern zwar regelmäßig brauchbare Ergebnisse. Doch auch die Flaggschiffe der KI-Welt bleiben Maschinen. Hier die größten Unterschiede zwischen Mensch und KI:

Vergleich Mensch / Maschine (c) meeyounee GmbH

Die Magie des menschlichen Storytellings

KI-Systeme erschaffen nichts, sondern kopieren nur. Zwar können sie Texte produzieren, die emotional ansprechend wirken, sie verstehen aber weder die emotionalen Nuancen noch den Subtext. Ein Buch, in wenigen Stunden von einem Bot geschrieben, wird somit kaum originell sein. Ferner stellt sich die Frage nach dem geistigen Eigentum. Schließlich ist es kein Geheimnis, dass Sprachmodelle unter anderem mit geschützten Bildern und Texten von Autoren und Künstlern trainiert werden. Doch die Herkunft jedes KI-geschriebenen Satzbausteins zu identifizieren, ist natürlich ein unmögliches Unterfangen.

Die Magie des menschlichen Storytellings besteht im Erschaffen von gemeinsamen Erfahrungshorizonten. Oder wie es Sam Altman von OpenAI ausdrückt: „Wenn ich ein großartiges Buch zu Ende lese, möchte ich als Erstes etwas über den Autor erfahren“, so das Newsportal Business Insider. Dabei gehe es besonders um die Lebensgeschichte des Schreibenden. Das Verständnis des Lesers für die Schreibmotivation des Autors ist oft der Kern dessen, was eine Geschichte wirklich bewegend und einprägsam macht.

Wenn wir dem Chatbot eine Storytelling-Aufgabe geben, haben wir immer eine Emotion bzw. einen Subtext im Kopf, den wir kommunizieren wollen. Doch der KI genau das zu vermitteln, ist sehr schwierig. Deshalb sollte jeder produzierte Text stets vom Menschen noch durch gründliche Nachbearbeitung verbessert werden. Oder wie es die KI – etwas unbeholfen – selbst ausdrückt: „KI ist kein Büchsenöffner für den Erfolg. Sie ist eher wie ein Schweizer Taschenmesser – vielseitig einsetzbar, aber ohne menschliche Führung ziemlich nutzlos.“

Mensch und Maschine in Symbiose

Zweifelsfrei erzeugen KI-Agenten hin und wieder Ideen, die „spannender“ sind als von Menschen generierte Vorschläge – wenn es beispielsweise um zukünftige Forschungsprojekte geht. Doch sind KI-Vorschläge häufig auch unlogischer oder schwerer realisierbar. Chatbots eignen sich jedoch gut für Teilaufgaben in Sachen Storytelling. Glänzen kann die KI zum Beispiel hier (kurzer Überblick):

Mensch und Maschine in der Symbiose (c) meeyounee GmbH

Natürlich kann KI kann noch viel mehr: Sie kann aus zerstreuten Ideen einen zusammenhängenden Text erstellen. Sie kann unerwartete inhaltliche Verbindungen schaffen. Aber sie kann auch reihenweise Halluzinationen produzieren. Sam Altman ist überzeugt, dass die originelle Ideenfindung bis auf Weiteres eine menschliche Stärke bleiben wird. Das größte – und fast schon symbiotische – Potenzial entfaltet folglich die Kombination aus menschlichem Knowhow und KI-Systemen.

Wir leben zurzeit in einer Phase überhöhter Erwartungen an die KI-Technologie. Das Marktforschungsunternehmen Gartner spricht sogar von einem „Peak of Inflated Expectations“. Daher ist es wichtig, die Grenzen der KI-Goldgräberstimmung zu kennen. Denn KI ist, wie Altman es ausdrückt, „ein unglaubliches Werkzeug für Schriftsteller, aber definitiv kein Schriftsteller“. Es wäre erst eine „vollständige Superintelligenz“ notwendig, um das menschliche Schreiben ernsthaft zu bedrohen.

Und Sie, liebe Leser? Wie schätzen Sie die Leistungsfähigkeit der KI beim Storytelling ein? Ich bin gespannt, was Sie zu sagen haben.


Wolfgang Bötsch

Unternehmenstrainer Bestandskundenentwicklung

2 Monate

Vielen Dank, lieber Thomas, für den sehr interessanten und öffnenden Beitrag. Ja, Storytelling ist ein zutiefst menschliches Werkzeug, Wirkung zu erzielen. Wie wäre es, wenn ich als Erfahrungserzähler in meinen Trainings, meinem Gegenüber am Ende einer metaphorischen Geschichte sage: "Dies wurde via Chat GPT produziert." Storytelling würde damit seine humanistische Nähe, die wir Menschen so dringend brauchen, ad absurdum führen.

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