Herzlich willkommen zurück zu unserem Blick auf die wichtigsten Ereignisse der Woche. Ich möchte heute mit der Geschichte einer Kartoffel beginnen, genauer gesagt mit einer Kartoffel, die es beinahe nicht gegeben hätte. Jedenfalls nicht auf dem Cover des Handelsblatts.
Alles begann vor einigen Wochen in einem Gespräch mit unserer Unternehmens-Ressortleiterin Ina Karabasz, die davon erzählte, wie sich die Stimmung in der Wirtschaft gerade drehe. Berater erzählten ihr von lustlosen Managern, von unambitioniertem Führungspersonal. Ina sagte dann: „Es wirkt so, als ob die Leute keinen Bock mehr hätten.“
Ist das vielleicht sogar ein größerer Trend? Eine Unlust, die womöglich über mehrere Generationen reicht? Die Politik, Unternehmertum und Gesellschaft umfasst? Dieser Frage sind wir in einer großen Analyse nachgegangen.
Blieb nur die Frage, wie bringen wir das auf den Titel?
Zunächst verständigte sich unser Art Director Michel Becker mit den beiden Illustratoren Michael Meissner und Mona Eing, mit denen wir öfter arbeiten, auf einen Bundesadler mit Wohlstandsplauze, der mit verschränkten Armen in der Ecke sitzt oder vielleicht auf einem Sofa. Dienstag kamen die Skizzen. Als Witz schickten die beiden noch das Bild einer Kartoffel mit einem aufgemalten Gesicht.
Das ist es! Dachten wir. Ich habe mich nur gefragt: Versteht man die Optik wirklich? Ein Titel, der nicht aus drei Metern Entfernung verständlich ist, funktioniert nicht, habe ich mal gelernt. Deshalb zögerte ich. Lange Diskussionen in unseren Teams-Kanälen, Kartoffelfans gegen Knollen-Hater.
Und daneben saß der Adler und wirkte immer mehr wie ein Beleg für die These unserer Geschichte: Ein bisschen zu träge, ein bisschen zu siegesgewiss. Leute, ICH bin das deutsche Wappentier! Und wenn ich diese Titelseite nicht kriege, dann halt die nächste. Unsympathischer Adler!
Vielleicht die Kartoffel mit einem Deutschland-Fähnchen drauf, wie sie jeder vom WM-Grillbüffet kennt? Das könnte gehen, dachte ich.
Donnerstagfrüh war klar: Es muss die Kartoffel werden. Doch damit fing die Arbeit erst an. Während Textchef Christian Rickens den Text zusammenschrieb, ging es im Art Department hektisch zu. Denn die erste Kartoffel war nur eine Skizze.
Die beiden Illustratoren hatten noch Kartoffeln zu Hause. Doch war klar: Die sind alle zu klein. Weiter zum Biomarkt um die Ecke. Dort waren alle Kartoffeln ausverkauft. Panik! Im etwas weiter entfernten Edeka gab es dann glücklicherweise reichlich große Kartoffeln – sogar aus hiesiger Ernte.
Eine richtige deutsche Durchschnittskartoffel aus dem deutschen Durchschnittssupermarkt. Das Kartoffel-Shooting konnte beginnen.
Aber wie kommt das Gesicht auf die Kartoffel? Malen? Schnitzen? Nur noch wenig Zeit bis zum Redaktionsschluss. In der Hektik war die Deutschlandfahne kurz versehentlich falsch herum angebracht. Illustratoren-Sohn Gabriel (9 Jahre) kommt von der Schule, schaut dem Vater über die Schulter und sagt: „Papa, das ist doch keine Deutschlandflagge. Die ist doch falsch rum.“ Blamage abgewendet.
Um 18 Uhr läuft der Druck an. Alles gut gegangen.
Und bei der Illustratoren-Familie türmen sich die Kartoffeln. Nach Andruck haben die beiden sechs Kilo Kartoffeln zu Hause – und es gab erst einmal Kartoffelpizza.
Was meinen Sie: Haben wir dem Adler Unrecht getan? Welches Motiv gefällt Ihnen besser? Schreiben Sie mir (auch gern alle anderen Gedanken zu dem Titel) an sebastian.matthes@handelsblattgroup.com.
Wie tief rechtsradikale Ideologie in unsere Gesellschaft gedrungen ist, zeigte dann ein Video, das seit Donnerstagabend für Aufsehen sorgt: In der nur wenige Sekunden langen Aufnahme grölen junge Männer und Frauen in der Sylter Nobel-Bar „Pony“ zur Melodie des Party-Hits „L’amour Toujours“ von Gigi D’Agostino „Ausländer raus“ und „Deutschland den Deutschen“. Von einer „wohlstandsverwahrlosten Parallelgesellschaft“ sprach Innenministerin Nancy Faeser kurz darauf. Ich hatte anfangs noch gehofft, dass dieses Video ein Deep-Fake ist. Leider sieht es nicht danach aus. Es sind die traurigen Bilder zu unserer Story über die Generation rechts.
China erhöht derweil massiv den Druck auf Taiwan. Rund um die Insel hält das Regime eine Militärübung ab, die das chinesische Außenministerium mit martialischer Rhetorik begleitet: „Die Unabhängigkeitskräfte werden mit zerschmetterten Schädeln und im Blut enden“. Eine „Warnung und Bestrafung“ sei das Manöver und ein Test für die Machtübernahme.
Wasserstoff sollte ja so eine Art Allzweckwaffe für den grünen Umbau der Wirtschaft werden. Im Flugverkehr, in Lastwagen – und natürlich in Fabriken sollte er eingesetzt werden. Es gibt nur ein Problem: Die längst verplanten Wasserstoffmengen sind so schnell gar nicht verfügbar, wichtige Investitionsprojekte liegen auf Eis – und die Unternehmen kappen ihre Pläne. Eine Handelsblatt-Recherche zeigt: Die Wasserstoffpläne der Bundesregierung drohen zu scheitern.
Nvidia sei die wichtigste Aktie der Welt, sagen Analysen. Das ist wohl ein bisschen dick aufgetragen. Fakt aber ist, dass der Chiphersteller diese Woche wieder alle Erwartungen übertroffen hat. Selbst einstige Kritiker drehen nun bei. Andreas Neuhaus beschreibt, wie viel Potenzial Nvidia noch hat. Und Ulf Sommer analysiert, wie Künstliche Intelligenz die Gewinne auch der anderen großen Technologie-Konzerne treibt.
Es ist eine Entwicklung, die niemandem in der Bundesregierung egal sein darf: Frankreich umwirbt immer intensiver deutsche Technologiefirmen. In der Szene ist längst von direkten Anwerbeversuchen die Rede. Das Versprechen der Franzosen: unkomplizierte Förderung und direkter Zugang zur Regierung. Kein Wunder, dass immer mehr junge deutsche Technologiefirmen neue Investitionsprojekte im Nachbarland planen. Das ist nichts weniger als ein Weckruf Richtung Berlin.
Die Kaffeehauskette Starbucks erlebt so etwas wie eine multiple Krise. Läden müssen schließen, Mitarbeitende gehen auf die Barrikaden – und der Börsenwert brach in den vergangenen sechs Monaten um 30 Prozent ein. Wie konnte es so weit kommen? Und was lässt sich aus den Fehlern der einstigen Kaffee-Ikone lernen? Den Fragen sind Handelsblatt-Reporter in New York, San Francisco und Bangkok für einen spannenden Report nachgegangen.
Erinnern Sie sich noch an unseren großen Titel über die Diätspritzen? Schon damals zeigte sich, dass die Aktien großer Lebensmittelhersteller in die Knie gingen, weil die Menschen einfach weniger Appetit haben, zum Beispiel auf Süßigkeiten. Darauf reagieren die Konzerne nun – und trennen sich von dem Geschäft mit ungesunden Lebensmitteln. Stattdessen geben Menschen nach einer Behandlung mit der Diätspritze mehr Geld für frisches Obst, Nüsse, Gemüse und Fisch aus, beobachten Experten. Welche Folgen das für die Industrie hat, lesen Sie hier.
Über dieses Foto habe ich mich diese Woche besonders gefreut. Ab sofort berichtet mein Kollege
Felix Holtermann
für das Handelsblatt aus dem Silicon Valley. Felix, den einige hier vielleicht von seinen preisgekrönten Wirecard-Recherchen kennen, hat in den vergangenen zweieinhalb Jahren schon aus New York über die US-Technologiewirtschaft geschrieben: über den Umbau der US-Autoindustrie, den Wandel der Chip-Branche und die Strategien der Superreichen, ihr Leben mithilfe von KI und Biotech zu verlängern. Aus dem Silicon Valley hat er diese Woche einen sehr spannenden Report darüber geschrieben, wie Google am Internet der Zukunft arbeitet.
Das ist eine super Hintergrundstory. Ein Dank dem Sohnemann. Der Adler ist selbstgefällig, die Kartoffel säuerlich-verzweifelt. Beides passt gerade super. Ihr habt die Stimmung in vielen Unternehmen auf den Punkt gebracht. Leider.
Ich habe mich bei dieser Ausgabe, insbesondere beim Editorial SEHR abgeholt gefühlt! Danke für diese Beiträge zum MENTALITÄTSWANDEL, lieber Sebastian Matthes!
Transformation, Executive Coaching, Leadership, Mental Health, Female Empowerment, Social Responsibility, Speakerin, Stifterin
6 MonateDas ist eine super Hintergrundstory. Ein Dank dem Sohnemann. Der Adler ist selbstgefällig, die Kartoffel säuerlich-verzweifelt. Beides passt gerade super. Ihr habt die Stimmung in vielen Unternehmen auf den Punkt gebracht. Leider.
Handelsblatt Head of Digital / Mitglied der Chefredaktion / Podcast-Host
6 MonateKartoffelliebe ❤️
Founder & CEO The Hackathon Company | Investor | ex-EgonZehnder | ex-Bilfinger Digital | ex-Deloitte Garage
6 MonateIch habe mich bei dieser Ausgabe, insbesondere beim Editorial SEHR abgeholt gefühlt! Danke für diese Beiträge zum MENTALITÄTSWANDEL, lieber Sebastian Matthes!
Shaping the Future: Professional HR Consulting and Coaching for Career Paths in a World Influenced by AI and Social Change.
6 MonateSebastian Matthes, ein großartiger Wochenüberblick. Danke.