Kollaborative Plattformen 4.0, die neue Hoffnung: Teil 2 - das Erwachen der Macht von Sinn-Netzwerken!
Wie können wir KMU stärken, das Projekt Industrie 4.0 retten und auch unsere ökomonomische Grundordnung weiterentwickeln? In diesem zweiten Teil des dreiteiligen Beitrags zur Kollaborativen Plattformen 4.0 wird die Lösung für die Probleme präsentiert, die im ersten Teil noch bitter beklagt wurden: KOLLABORATION 4.0 als das Erwachen der Sinn-Netzwerke. In der digitalen Wirtschaft sind aktuell Plattformen "die neue Hoffnung", wobei noch nicht klar ist, ob die Plattform-Ökonomie Wohl oder Wehe ist. Schon wird aber erahnt, dass diese Plattformen - in the long run - die DNA unsere Unternehmen, Ökonomie und Gesellschaften verändern werden. Wohin die Reise geht, hängt nicht zuletzt davon ab, wie wir Plattformen gestalten. Das Beispiel der Transformation des Britishen Empires zeigt aber auf jeden Fall, was erreicht werden kann, wenn ein Ziel kollaborativ verfolgt wird. Im besten Fall können uns in analoger Weise auch heute kollaborative Plattformen dabei helfen, noch ungenutzte Kompetenzen in Netzwerken zum Wohle aller zu mobilisieren, um drängende Probleme unserer Zeit gemeinsam zu lösen. Dafür brauchen wir kollaborative Technologie, vor allem aber einen gemeinsamen mobilisierenden Sinn im Zentrum. Es ist dieses Erwachen der neuen Macht von Netzwerken, die sich gemeinsam um einen kollaborativen Sinn auf Plattformen organisieren, die ein deutliches Mehr an Werten ermöglicht. Im dritten Teil zu den kollaborativen Plattformen wird dann aufgezeigt, wie auch die Competence Site - so Gott will - mit 15 Jahren Verzögerung endlich Teil dieser Kollaboration 4.0. Kollaboration 4.0 stellt aber auch für alle anderen Akteure die Chance dar, radikal die eigene Wertschöpfung neuzudefinieren: als Emergenz kollaborativer Sinn-Netzwerke.
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Immer wieder wird darüber geklagt, auch vom Autor dieses Beitrags, wie komplex die Herausforderungen unserer Zeit sind, s. Teil 1 dieses Beitrags. Mit dieser Komplexität scheint einherzugehen, dass sie inhärent und unvermeidbar nur schwer zu bewältigen sind. Das ist aber ein Fehlschluss. Mit dem richtigen Ansatz, gelingt auch die Bewältigung der komplexesten Herausforderungen . Die alte Form der Zusammenarbeit ("1.0") alleine ist nicht zeitgemäß, aber schon zeichnet sich als neue Hoffnung das Erwachen der Macht der Sinn-Netzwerke ab ("4.0"). Dabei lehren uns nicht Hypes wie Uber & Co die neue Logik, sondern ein sehr altes Erfolgsbeispiel aus einer Zeit, wo es nicht einmal Internet gab ...
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1. Kollaboration & Transformation von Castells & Quigley lernen
Lassen Sie uns mit einen Zitat beginnen, das alleine schon 90% der essentiellen Botschaft umfasst:
Die Verbindung der Eliten untereinander und die Segmentation und Desorganisation der Massen, dies scheint der Doppelmechanismus sozialer Herrschaft ... zu sein, Manuel Castells,
Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft
Der große Manuel Castells, Ikone der Netzökonomie und ein wenig Marxist, hat es frühzeitig erahnt: Der Erfolg der existierenden Eliten ist vor allem auch die bessere Organisation ihrer Netzwerke. Umgekehrt ist die Desorganisation der Grund für das Scheitern der Massen (Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft).
Was aber können wir dann schaffen, wenn wir alle - auch über die Eliten hinaus - unsere Organisation bzw. das Paradigma unserer Kollaboration radikal optimieren? Winfried Felser, Aufstieg der neuen kollaborativen Gesellschaft 4.0
Dass man mit der besseren Organisation von Netzwerken eine enorme Komplexität meistern und sogar ganze Imperien (re-) organisieren kann, weiß man spätestens seit "Tragedy & Hope" (s. hier). Dieses weitgehend von der Gesellschaft ignorierte Jahrhundertwerk hat Caroll Quigley geschrieben, Amerikas Triple-A-Historiker und Lehrer Bill Clintons, den sogar Samuel Huntington zitiert und "im Prinzip" z.T. in seiner Logik kopiert. Er beschreibt darin, wie es einem Professor in Oxford, Professor Ruskin, gelang, um eine sinnstiftende Idee herum ein bis heute lebendiges Netzwerk bzw. eine Transformations-Plattform im weitesten Sinne zu initieren. Als der Niedergang des British Empire drohte, wurde das Commonwealth als Alternative erfunden und Netzwerke organisiert, die bis heute und auch in Zukunft den Erfolg der angelsächsischen Idee sicherstellen sollen. Selbst, wenn "Uber" und Co längst Geschichte sein werden, wird Ruskins Lebenswerk weiterleben.
Abb 1: Kollaboration zur Transformation des Empire
Und alles begann im 19. Jahrhundert in Oxford mit einer Idee ...
Ist das eine relevante Story: die Jahrzehnte dauernde Transformation eines früher erfolgreichen Empires in ein Netzwerk gleichberechtigter Staaten, wobei die Basis der Transformation ein Netzwerk von Gleichgesinnten waren, die sich einer Idee eines Professors verbunden sahen? Natürlich ist das Vorbild einer solchen Transformation auch heute noch relevant, z.B. für den Noch-Export-Weltmeisters Deutschland oder die heute noch erfolgreichen Champions, wenn man gemeinsam die Zukunftsfähigkeit Deutschlands sichern möchte.
Auch für "Deutschland 4.0" oder wahlweise die "Digitale Agenda Deutschland" gilt es jenseits vom Hightech-Fokus vor allem alte Strukturen zu transformieren und das wird nur gelingen, wenn wir die noch latenten, ungenutzten Potenziale bzw. Kompetenzen unserer Netzwerke umfassend mobilisieren. Und der Ruskin-Case zeigt, was möglich ist. Wenn die Transformation des British Empires in das Commonwealth über Jahrzehnte systematisch kollaborativ und vor allem ohne Internet erfolgreich realisiert wurde, was ist dann aber im Vergleich dazu die viel beschworene, fast mystifizierte Digitale Transformation oder die Transformation unserer Top-Unternehmen? Ein Witz! Eigentlich.
Wenn dem so ist, sollte es uns doch z.B. gelingen, dass wir - basierend auf den Ideen eines Thomas Sattelbergers wie einst basierend auf den Ideen eines John Ruskins - eine #DigitaleAPO organisieren, um Deutschland zukunftsfähig zu machen, notfalls außerhalb der etablierten Strukturen. Aber nicht nur die Sattelberger-Initiative, sondern jeder kann auf Basis dieser Logik Enormes schaffen, wenn er die Netzwerke mit neuem Sinn organisiert.
Daher sollten wir genau hinschauen: Was war der Clue bzw. die Basis des Transformations-Erfolgs von Ruskin et al? Die Transformation des Empires gelang Ruskin & Friends auf Basis von ...
- Einem gemeinsamen Sinn bzw. einer gemeinsamen Mission im Zentrum
- Einer tragenden Struktur, die den Austausch organisierte
- Einiger zentraler Politikern als Schlüsselakteureim Netzwerk,
- Einer Gruppe verbundener Medien als Multiplikatoren (Bernays!),
- Einer Menge Geld, u.a. das Geld aus den Goldminen Cecil Rhodes
- Aber vor allem durch global synchronisierte (geschlossene) Netzwerke.
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2. Geschlossene Plattformen sind demokratie-inkompatibel
Ob Manuel Castells die spezifische Geschichte dieser "Verbindung der Eliten" kennt, ist dem Autor nicht bekannt. Sie wäre auf jeden Fall für ihn ein guter Show Case. Die von Verschwörungs-Theoretikern irreführend diabolisch überhöhten Roundtables oder auch Bilderberger-Konferenzen waren (und sind!) als moderne Ausläufer der Ruskin-Netzwerke vor allem Plattformen zur Synchronisation von Fähigkeiten und Willen zur Erreichung gemeinsamer bzw. kollaborativer Ziele. Und das ist gut so, denn Transformation braucht genau das mehr und dringender denn je: die Synchronisation von Fähigkeiten und Wünschen oder anders formuliert - in Worten des Autors dieses Beitrags - ein erfolgreiches Competence-Networking, wo aus der Emergenz der gemeinsamen kollaborativen Fähigkeiten und Interessen die notwendige Schlagkraft erwächst.
Die "Ruskin-Netzwerke" sind allerdings weitgehend geschlossene und elitäre Netzwerke und Plattformen und damit per Definition Strukturen jenseits einer offenen, demokratischen Gesellschaft. Diese "Erste Ordnung" und auch andere staatstragenden und -transformierenden Strukturen jenseits demokratischer Legitimierung sind eigentlich nicht zeitgemäß und angreifbar durch leistungsfähigere Ordnungen. Das gilt auch für die neueren und offeneren Transformations-Bemühungen unserer Gesellschaft wie den kreativen Kapitalismus, der im Zusammenhang mit Zuckerbergs Spende wieder diskutiert wurde. Wenn wir nicht eine neue Aristokratie, Oligarchie oder Meritokratie der wenigen Ökonomie-Gewinner wollen, muss eine gesellschaftliche Konzeption breiter aufgestellt sein. Ansonsten ist es verständlich, wenn die Zahl derer steigt, die von der existierenden Demokratie immer weniger mitgenommen werden.
Abb 2.: Prof. Mausfeld über die schweigenden Lämmer (s. YouTube)
Wir brauchen aber vor alllem aus einem anderen Grund eine neue Logik ...
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3. Die "Erste Ordnung" scheitert an den neuen Komplexitäten
Das entscheidendere Neue an unserer heutigen Situation: Wir sind heute mit einem Zeitdruck und einer Vielfalt und Vernetztheit von Problemen, d.h. einer neuen Komplexität konfrontiert (s. Teil 1 dieser Beitragsserie), so dass erfolgreiche Transformationen nur gelingen werden, wenn wir dabei offene, agile Netzwerke im weitesten Sinne mit einbeziehen. Es gilt die Ruskin-Logik nicht nur in Richtung demokratischerer, sondern vor allem auch leistungsfähiger Alternativen weiterzudenken, so dass uns dann durch die Öffnung, Dezentralisierung und Selbstorganisation von Kompetenz im Netzwerk gelingt, die neuen Herausforderungen der Menschheit, der Unternehmen und von jedem Einzelnen deutlich besser zu meistern.
Denn ihre mangelnde Komplexitätsfähigkeit ist das größere Problem der Transformations-Logik dieser "Alten" bzw. einer "Ersten Ordnung". Die beschriebenen Ruskin-Netzwerke haben über lange Zeit vor allem in Hinterzimmern und auf geschlossenen Veranstaltungen agiert. Auf dieser Ebene waren sie kollaborativ im besten Sinne, aber eben als geschlossene Netzwerke. Außerhalb der inneren Netzwerke wurden die "Massen" (im Sinne Castells) nur als "Regierte" über Command & Control und über mediale Beschallungen mitgenommen. Bernays, der Vater der PR, beschreibt, wie dies gelingen kann.
Damit repräsentieren die Ruskin-Netzwerke eine Ordnung bzw. ein Paradigma wie wir es heute immer noch nicht nur in der Politik, sondern auch in den meisten Unternehmen antreffen, wo "altes Management" Zukunft vordenkt und vorgibt. Lange Zeit war diese "Erste Ordnung" als Koordination dominierend. Command & Control ist als Logik in Gesellschaften wie in Unternehmen heute aber nicht ausreichend, wenn die Komplexität so hoch ist, dass man Komplexität nur durch eine neue Qualität der Komplexitätsfähigkeit meistern kann. Das Versagen der alten Eliten bei der Digitalen Transformation der Deutschland AG zeigt beispielhaft, dass wir dringend Alternativen brauchen.
Stattdessen gilt es die Kompetenz der Vielen umfassender zu mobilisieren und agil und selbstorganisiert zu kombinieren anstatt auf auf wenige "Elitäre", starre Strukturen und Top-Down zu setzen. Mathematisch lässt sich die Überlegenheit der dezentralen und kombinatorischen Logik bei hoher Komplexität (Dynamik) demonstrieren. Die letzten Inseln ohne Sprung der Komplexitätsfähigkeit werden - aufgrund ihrer geringeren Komplexitätsfähigkeit - in the long run Opfer der Automatisierung (wenn das Problem inhärent trivial ist) oder des überlegenen Wettbewerbs werden. Wie im Kambrium werden sie das Opfer der kambrischen Evolution / Revolution der neuen Komplexitätsfähigkeit
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4. Kollaboration 4.0 für Regionen, Märkte, Organisationen ...
Der wache Machtinstinkt von Sigmar Gabriel hat das z.B. erkannt und im Kontext des ehrgeizigen Zukunftsprojekts "Industrie 4.0" wieder auf das richtige Pferd gesetzt, nachdem er schon zuvor das Thema "4.0" für sich vereinnahmte, ohne allerdings die Logik des Projekts zu ändern. Neue Logos und Projekt-Landkarten machen aber noch keine Transformation 4.0. Gabriel setzt daher jetzt (endlich) nach einem ersten Neu-Anlauf auf regionalen Hubs bzw. Netzwerke/Kompetenzzentren als Förderer der digitalen Transformation. Eine solche Logik haben andere (Kollmanns Transformations-Konzept) und auch der Autor schon früher propagiert, um Regionen, Märkte und Organisationen neuzudenken. Drei frühe Projekte seien hier beispielhaft skizziert.
- Regionen als Kollaboration 4.0, OWL als Silicon Valley (1998)
Den Autor freut sich besonders über die neue Popularität der regionalen Plattformen, weil er selbst vor 20 Jahren daran scheiterte, im Rahmen eines ambitionierten Projekts „Virtual Valley OWL“, dem virtuellen Silicon Valley für Ostwestfalen, die Interessen von Gütersloh, Paderborn, Bielefeld und Detmold unter ein Dach bzw. auf eine kollaborative Plattform zu bringen. Das kann manchmal schon an einer Bürgermeisterin in Gütersloh scheitern. Immerhin wurde daraus mit der Competence Site 1.0 eine der ersten Content-Plattformen in Deutschland, deren langfristiger Plan allerdings ein anderer war ... und ist ;-). Zudem inspirierte die Idee in OWL das Netzwerk InnozentOWL, dem später dann viele kollaborative Netzwerke/Plattformen in OWL folgten. Was aktuell in Köln unter dem Label "Digital Cologne" und "Zukunft Köln" passiert, hat auch das Potenzial eine neue Qualität regionaler Kollaboration zu kreiieren.
- Märkte als Kollaboration 4.0, BeyondCommerce (1999)
Der Glaube an die kollaborativen Plattformen blieb dem Autor dieses Beitrags trotz dieser frühen negativen Erfahrung erhalten, nicht zuletzt durch ein Projekt als Fraunhofer-Mitarbeiter, bei dem das Fraunhofer-Team in Kooperation mit der University of Berkely von einem der wichtigsten Unternehmen Deutschlands beauftragt wurde, über die Zukunft des Internets, insbesondere der damals (1998/1999) populären elektronischen Marktplätze nachzudenken. Heute würde man von Plattformen sprechen, weil Marktplätze doch Old-School klingt ;-).
Das Ergebnis, das selbst Berkley-Guru und Ariba-Berater Professor Ariel Fisher überraschte, war: Nicht einfach statischer Commerce ist allein die Zukunft der Marktplätze bzw. der Plattformen wie es damals schien und heute noch mit Uber & Co. propagiert wird. Statischer Commerce – so Ergebnis der Studie – gilt es so lebendig um Community, Content, Communication und Collaboration so zu ergänzen, dass Plattformen als Ecoysteme mehr schaffen, als nur existierende komplementären Angebote (Geld gegen Produkt/Leistung) zu orchestrieren. Auch "Sharing" ist also nicht das "Ende der Zukunft", wenn wir dabei nur die Latenzen abschöpfen. Märkte müssen vielmehr zu Netzwerken bzw. Biotopen werden, die nicht nur alte Wertschöpfung effizienter machen, sondern vor allem auch neue Wertschöpfungen durch Neu-Kombination und Weiterentwicklung von Lösungen im Netzwerk kreiieren. Eine Idee, deren Zeit gekommen ist, muss idealerweise auf einer kollaborativen Plattform als Auslöser ausreichen, um z.B. Micro-Multinationals entstehen zu lassen und in allen Phasen zu unterstützen.
- Organisationen als 4.0, asymmetrischen Terror begegnen (2002)
Diese Logik umfassend kollaborativer Plattformen bestätigte sich Jahre später bei einem Projekt des Autors zur Terrorabwehr (2002 ff.), als die Bundeswehr über neue Organisationsformen gegen die asymmetrische Bedrohung des Terrors in Afghanistan und Somalia, aber vor allem auch über eine bessere Organisation für ihre eigene Weiterentwicklung nachdachte. Schnell wurde klar: Nicht nur Märkte, auch Organisationen müssen auf bessere, insbesondere agile und offene Selbstorganisation von Netzwerken setzen, um optimal lebensfähig zu sein. Nur sie ist geeignet, die neue Komplexität der Umwelt beherrschen zu können. Das Kompetenznetz Marine, das in the long run ein Kompetenznetz Bundeswehr werden sollte: So glaubte man sich für die neu Komplexitäten der asymetrischen Bedrohung der Taliban und somalischen Piraten gewappnet zu sein, indem man selbst ihrer Logik mit einer Kollaboration 4.0 folgte. Aus dem Network Centric Warfare sollte Collaborative Network Centric Warfare werden. Virtuelle organisationsübergeifende Competence Teams bildeten die Basis, um On-Demand Markt-Teams zu organisieren, wobei der Markt der Terror ist.
Quintessenz: Nicht nur Sigmar Gabriels untrüblicher Instinkt ;-), sondern auch frühe Projekte des Autors für das Neudenken von Märkten und Organisationen zeigten in Richtung einer kollaborativen Ökonomie "4.0". Dass dann aber die Bundeswehr den Fokus zunächst eher auf Effizienz alter Strukturen (Herkules) setzte und das Dax-Unternehmen nach der New-Ecomnomy-Depression viele Zukunftsperspektiven stoppten (Verkauf) und wir jetzt erst wieder regional neu kollaborieren, zeigt allerdings auch, dass das Thema kein Selbstläufer ist.
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5. Kollaboration 4.0 im Detail verstehen
Was aber genau bedeutet Kollaboration 4.0? Was mittlerweile klar sein sollte: "4.0" ist hier anders als im Projekt zur "Industrie 4.0" kein technologisches Paradigma, sondern ein Paradigma, das neue Denk- und Gestaltungsmuster der Zusammenarbeit beschreibt. Auch im Industrie-4.0-Projekt erkennen glücklicherweise immer mehr, dass Technologie nur ein Enabler ist, und in Wirklichkeit die neue agile, ... Form der Zusammenarbeit zählt, die natürlich erst durch Technologie zur neuen Blüte gebracht wird.
Abb 3: Kollaboration von "Old 1.0" bis "New 4.0"
Daher wird in Abb. 3 aufgezeigt, wie sich Zusammenarbeit gewandelt hat. Jedes der Paradigmen in Abb. 3 organisiert die Zusammenarbeit neu bzw. integrierte einen neuen Aspekt in die Zusammenarbeit. Dabei wechseln sich (zufällig) technologische Paradigmen mit Paradigmen mit neuer Sinn-Logik ab:
- Die Pre-Smith Economy (Manufaktur) wird durch Arbeitsteilung und den Sinn der komplementären Egoismen zur
- Division-of-Labour /Transaktions Economy. Diese Old Economy mit ihren nachfolgenden Paradigmen wird durch die Technik Internet zur
- Internet Economy. Die neue Ökonomie wird dann im zweiten Schritt durch die Entdeckung des Sozialen als neuem Sinn-Mechanismus zur
- Social Economy. Durch zunehmende Reife von "sozialen" Technologien wie Kultur und Standards und Software-Technologie zeichnet sich jetzt ab
- Plattform Economy. Das ist aber auch nicht das Ende, wie nicht nur Rifkin mit seinen "Collaborative Commons" zeigt. Konsensuales kreiiert die
- Purpose Economy.
Adam Smith ist sicher der wichtigste Ur-Theoretiker der heutigen Ökonomie ("Old 1.0"). Sein Heilsversprechen der arbeitsteiligen Gesellschaft, die auf komplementären Egoismen basiert, ermöglichte Economies of Scope und Co. Wenn heute noch jeder seine Brötchen selber backen und jede Nation wie im Merkantilismus alle Produkte selbst produzieren müsste, würde der heutige Wohlstand der Nationen deutlich niedriger ausfallen. Diesem Paradigma "1.0" der "Old Economy" folgten diverse andere und zwar nicht nur Taylor, Ford & Co, sondern eben auch bereits kollaborativere Alternativen wie Lean, Gruppenarbeit Konsortien etc. So ist die "alte Logik" keineswegs exklusiv "tayloristisch".
Hier sei aber vor allem die weitere Entwicklung der Kollaboration in der sogenannten "New Economy" beleuchtet.Das Internet sorgte im ersten Schritt für die Reduktion von Investments sowie Transaktions- und Produktionskosten durch Digitalisierung und Dematerialisierung ("New 1.0"). Diese neuen Optionen ließen dann Giganten wie Amazon, Google, Ebay & Co in kürzester Zeit entstehen. Auch wenn sich die alte Brick & Mortar- und die neue Internet-Ökonomie diesbezüglich fundamental unterschieden, wurde die Netz-Ökonomie erst mit der offiziellen Entdeckung des "Sozialen" auch in der "Sinn-Logik" erweitert. Menschen wurden nicht mehr nur wie bisher aus komplementären Egoismen und Anreizen über Geld oder Produkte produktiv, sondern allein aufgrund ihrer "Social Interests" ("New 2.0"). Hiervon profitierte z.B. das Marketing von Unternehmen im Kontext vom Social bzw. Viral Sharing. Facebook musste keine Werbung schalten, um neue Märkte zu erobern. Aber auch alte Giganten wie Amazon profitierten vom neuen Engagement, z.B. im Rahmen der sozialen Empfehlungen von Büchern etc. Wie früher gilt auch in diesem Kontext: Im Idealfall sozialisiert man Aufwand und privatisiert Gewinn.
Abb 4: Kollaboration zwischen Profit, Liebe und gemeinsamem Sinn
Die neue Plattform- und Sharing-Ökonomie kann dann als späte Realisierung des Web 3.0 interpretiert werden, weil Plattformen neue Kontexte sind, die durch vereinheitlichende Governance bzw. Regeln, Standards etc. ein Mehr an Kollaboration ("New 3.0") ermöglichen, wie es Ziel des nie wirklich relevanten Web 3.0 war. Durch diese Rahmenbildung können latente Werte von ungenutzten Produkten/Services ("Sharing") und bisher nicht realisierten Neukombination gehoben werden. So können z.B. Micro-Multinationals als virtuelle bzw. Hyper-Organisationen auf Basis von Netzwerken entstehen.
Am Horizont zeichnet sich aber eine weitere Chance ("New 4.0") ab, die noch enorme Potenziale hat und endlich die oben geöffnete Klammer der Ruskin-Netzwerke schließt: Kollaboration 4.0 auf Basis eines konsensualen Sinns. Das Konsensuale nutzt synchrone Interessen und komplementäre Fähigkeiten. Die Anwendungen sind vielfältig und existieren auch heute schon:
- Core-Mitarbeiter (früher: Festangestellte) in einem Unternehmen operieren im Idealfall nicht (nur) als Söldner auf der Basis einer Vergütung wie es Cloud Worker (früher: Freie Mitarbeiter) tun müssen. Die Core Worker eint im Idealfall ein gemeinsamen Sinn, der einen "Dienst nach Vorschrift" und "Principle-Agent-Probleme" eben durch das Konsensuale verhindert. Solche Mitarbeiter sind auch bereit, sich "altruistisch" auf unternehmensinternen kollaborativen Plattformen einzubringen und bleiben auch am Wochenende telefonisch erreichbar ;-)
- Auch für komplementäre Produkt- und Service-Anbieter lohnt sich über die eigenen Ego-Interesssen hinaus im und für das Ecosystem zu agieren. So sind komplementäre Anbieter für Kunden gemeinsam - z.B. im Rahmen einer integrativen Web-Plattformen - attraktiver als alleine.
- Selbst Wettbewerber können im Rahmen von Coopetition voneinander da profitieren, wo ihre Ziele nicht konfliktär sind, z.B. beim Marktausbau. So hat sich z.B. die Zukunftsinitiative Personal zusammengeschlossen, um gemeinsam für innovative Lösungen im Personalmanagement zu werben.
- Vor allem aber sind Kunden und Anbieter dann konsensual verbunden, wenn es darum geht, nach Abschluss eines Kaufes / einer Transaktion für eine hohe Kundenzufriedenheit zu sorgen, z.B. durch eine ko-kreative Dienstleistung, wo Kunde und Anbieter gemeinsam den Wert schaffen.
Kollaboration 4.0 ist dabei natürlich nicht vollkommen neu und auch niemals ausschließlich. Es gab schon immer konsensuale Arbeitsform, ob in der Old Economy Lean Management oder Konsortien oder in der New Economy Wikipedia oder Open Source Development von Linux & Co. Was hier an diesen alten / neuen Beispielen deutlich wird: Eigentlich umfassen die meisten Formen der Kollaboration in verschiedenen Kontexten sowohl komplementäre und solidarische als auch konsensuale Formen. Manchmal müssen auch erst einmal die unteren Maslow-Ebenen befriedigt sein, bevor dann andere Motivatoren greifen ("Erst kommt das Fressen, dann die Moral", Brecht).
Abb 5: Erweiterte Perspektiven der Kollaboration im Netzwerk
Das alles klingt so, als ob Kollaboration "4.0" eine neue Produktivität ohne Anstrengung verspricht. Das ist natürlich nicht so. Vielmehr gilt es in einer kollaborativen Ökonomie sowohl die Gestaltung der Wertschöpfungs-Plattform (virtuelle Hyper-Organisation im Ecosystem) als auch der Wertschöpfungs-Prozesse (umfassende Kollaboration) auszuweiten. Wer also gerne von Mitarbeitern, Kunden, Partnern und Wettbewerbern konsensual (ohne Bezahlung ;-)) profitieren möchte, muss neudenken:
- An die Stelle der Organisation bzw. der Organisations-Kundenbeziehung treten nun Ecosysteme bzw. umfassende Netzwerke, die es auszubauen und dann zu hegen und pflegen gilt.
- Nurturing (Pflege, Reifung, Wachstum, ...) bedeutet jetzt nicht mehr nur offene Leads sukzessiv reifen zu lassen, sondern insgesamt mit dafür zu sorgen, dass sich das Ecosystem qualitativ entwickelt. An die Stelle einfacher Transaktionen treten umfassende kollaborative Prozesse in diesen Ecosystemen von der gemeinsamen Bestimmung von Sinn über kollaboratives "Netzwerken", gemeinsames Lernen und Motivieren in Netzwerken bis hin natürlich hin zu Ko-Produktion, Ko-Kreation und Ko-Promotion. Bei aller Liebe wird kein Kunden aktiv einen Anbieter empfehlen, wenn man ihn nicht darum bittet und manchmal muss der Kunde erst einmal lernen, welche Chancen eine Kollaboration bietet, bevor es dann zum Wunder der gemeinsamen Wertschöpfung kommt. Mindshifting in Netzwerken ist manchmal genauso wichtig wie Touchpoint-Management, was natürlich im Idealfall auch optimal kollaborativ ist.
Neue Formen der Zusammenarbeit erweitern aber nicht nur den Scope, sondern auch die Qualität derWertschöpfungen. Im Haus der Collaborative Networking Economy in Abb.6 sind anhand der alten 7S-Struktur von McKinsey wesentliche Unterschiede im Überblick dargestellt. Viel schöner haben das Sachs und Kundu dargestellt (s. Infografik hier). Der wichtigste Unterschied ist der Unterschied an der Spitzer, der alles andere als Veränderung treibt oder befähigt: Wer nur an den Profit der Shareholder dachte, musste in der Vergangenheit eigentlich über Pläne, Hierarchien und Kontrolle koordinieren. Nur bei einem gemeinsamen Sinn kann Freiheit mit weniger Kontrolle gewagt werden. Dann und nur dann gelingen auch die gewünschten agilen, selbstorganisierenden Netzwerke.
Abb 6: Änderung in der kollaborativen Netzwerk-Ökonomie
Bei der Organisation ("Structure") lassen sich die Unterschiede am einfachsten verdeutlichen. Der bisherige Egoismus und die Trennung der Abteilungen und Organisationen wird durch übergreifende Netzwerke überwunden, die dual sowohl nach innen nachhaltig Kompetenzen einer kollaborativen Netzwerk-Hyper-Organisation bündeln als auch nach außen alle für den "Markt" notwendigen Kompetenzen verknüpfen. Das sind die Grundzellen bzw. Fraktale der kollaborativen Netzwerk-Ökonomie. Abb. 7 stellt die Organisation des Kompetenznetzwerks Marine dar und entspricht den Konzepten von Pflaeging (s. u.a. Pflaegings Begriffe des (Competence) Centers und vor allem der Peripherie), Schüller und anderen Vertretern der neuen Organisation, die die neue Organisation auch im Detail in ihren umfassenden Werken dargestellt haben und viel klarer erläutern (z.B. schöne Präsentation von Pflaeging hier).
Abb 7: Duale Netzwerk-Organisation
PS: Kollaborative Plattformen 4.0 für die Ökonomie 4.0
Für solche neuen Organisationen brauchen wir die passenden Plattformen, die auch die notwendigen Fähigkeiten und Systeme/Prozesse unterstützen. Da dieser Beitrag schon sehr lang ist, ist das dann Inhalt des dritten Teils.
Unternehmensinhaber PRX Agentur für Public Relations GmbH
8 JahreIdeen haben doch viele, allein die Goldminen in der Hinterhand fehlen ;-)
Man hört, sieht und streamt sich.
8 JahreManuel Castell heißt der Mann.
Head of Innovation Lab @ ZF Group | Driving innovation in Mobility, Sustainability and Marketing
8 JahreNetzwerke an sich sind nichts Neues und auch die Komplexität darin nicht. Jeder der viele private Freunde hat, weiß um die Komplexität, alle gleichermaßen gut zu "betreuen". Neu ist aber die die schiere Menge an Möglichkeiten um ein Netzwerk aktiv zu halten bzw. mit ihm zu kommunizieren. Und das ergibt in meinen Augen erst die eigentliche Komplexität. Es gibt da ein wirklich gelungenes Buch von Peter Gross: Die Multioptionsgesellschaft.
Danke dir, Winfried Felser, für diesen Beitrag, der den eigenen Horizont deutlich erweitert hat.
Tech. developer, business project coordinatior, EMC measurement specialist, manufacturer.
8 JahreNetzwerkgesellschaften sind fragil und können immer leicht unterwandert werden. Viele Betriebe (insbesonders KMU) werden bei der totalen Transformation einer radikalen Ökonomisierung scheitern, da sie die "Formen der Kollaboration in verschiedenen Kontexten sowohl komplementäre und solidarische als auch konsensuale Formen..." einschließlich der gesamten, neuen Infrastruktur..." ohne massive Hilfe nebst zusätzlicher Kredite nicht alleine stemmen können. Die wichtigste Frage nach der Effizienz bleibt unbeantwortet, ein Point of Return gibt es nicht - daher wird dieser Schritt bereits bei der ersten Entscheidung später mal existenzbedrohend sein. Mich würde in diesem Zusammenhang die volle Kosten- und Risikoanalyse des "digitalen squeeze-out" interessieren, die so ein Szenario verursacht, wenn es denn entschieden würde. ;-)