Kommunizieren mit Werten - aber wie?
Das Fazit schon vorab:
Es lohnt sich, unabhängig von der Grösse und Art des Unternehmens über die Werte und Grundsätze der eigenen Unternehmenskommunikation nachzudenken. Werte sind kein „nice to have“, sondern vielmehr ein Schlüssel zur Effizienz . Und ein wohltuender Kontrast in einer Welt der Beliebigkeit und populistischen Verblendung.
Impulse zur Kommunikationseffizienz in schwierigen Zeiten
Professionelle Kommunikation wird immer schwieriger. Zum einen verschärfen sich die Rahmenbedingungen in der globalen, schnelllebigen Kommunikationsgesellschaft weiter und erhöhen auch den Leistungsdruck auf Kommunikationsmanager in Unternehmen. Zum anderen beeinflussen Populisten im sogenannten „postfaktischen“ Zeitalter nicht nur die öffentliche Meinungsbildung, sondern auch die etablierten Kommunikationsbeziehungen in der Gesellschaft.
Hinzu kommt die automatisierte Meinungsbeeinflussung etwa durch Social Bots. Das betrifft Grosskonzerne ebenso wie mittelständische Unternehmen und Organisationen. Wie aber finden Unternehmen Gehör mit ihren Botschaften, wie finden sie Akzeptanz und Vertrauen für ihre Anliegen, wenn Gefühle und Irrationalität Argumente dominieren?
The Iceberg Model of Behavioural
Dieses Modell dient als Erklärung dafür, was man an einem Gegenüber wahrnimmt und was man gleichzeitig auf den ersten Blick nicht sieht. Sie verdeutlicht, dass von einem selber nur circa 15% preisgeben und nach ausen dargestellt wird, wohingegen die verbleibenden 85% von uns „unter der Oberfläche“ verborgen bleiben. Unsere Wertevorstellungen gehören, neben vielen weiteren Dingen, zu dem verborgenen Teil des Eisberges. Es gibt ja noch mehrere Modelle, welche das Eigenbild und das Fremdbild in einer möglichst hohen Deckungsgleichheit zeigen - der Credibility Gap ist eines der weitverbreitesten Modelle. Auch noch gut bekannt ist das Jahori-Fenster mit dem sogenannten blinden Fleck. Gerade in der Unternehmens-kommunikation, wo die Werte aus der Vision und dem Leitbild entstammen, ist es von grösster Bedeutung, das diese der Kongruenz über das ganze Unternehmen ausgerichtet ist und auch entsprechend (vor)gelebt wird.
Die Unternehmenskommunikation findet heute zu einem grossen Teil in einem Umfeld statt, in dem viel mehr und viel intensiver als früher kommuniziert wird, vor allem in den Sozialen Medien. Dabei geht es aber kaum noch um Austausch und Dialog, sondern um Anerkennung unter Gleichgesinnten. Kommunikation als Identitätsfindung.
Unter diesen Umständen haben es Kommunikationsmanager schwer, ihren geschäfts- und unternehmenspolitischen Auftrag effizient umzusetzen. Ein wirkungsvolles Instrument für hohe Kommunikationseffizienz unter diesen schwierigen Bedingungen ist werteorientierte Kommunikation. Das mag verwundern angesichts der offensichtlichen Ignoranz klassischer Werte, die wir in den aufgeheizten politischen und gesellschaftlichen Debatten erleben. Im Kommunikationsmanagement von Unternehmen sind verbindliche Werte und Prinzipien aber nicht zu unterschätzende strategische Erfolgsfaktoren, die massgeblich zur Glaubwürdigkeit und Effizienz im Kommunikationsmanagement beitragen können.
Sie sind ein Grundpfeiler des sogenannten Organisationsvertrauens, das heisst, des öffentlichen Vertrauens in Unternehmen. Das funktioniert anders als das öffentliche Vertrauen in Einzelpersonen („Personenvertrauen“) und in die Politik („Systemvertrauen“). Ein Unterschied liegt zum Beispiel darin, dass auf professioneller Ebene in der Regel andere Standards und mehr Verantwortung erwartet werden. Regel- oder Werteverstösse im Kommunikationsmanagement von Unternehmen führten rasch zum Vertrauensverlust, umgekehrt kann man mit der spürbaren Orientierung an verbindlichen Werten Kommunikationsbeziehungen positiv gestalten.
Um welche Werte geht es und wie wirken sie in der Praxis? Das kann man am Beispiel des Glaubwürdigkeitsprinzips verdeutlichen. Hierbei handelt es sich um ein Leitbild für wirkungsvolle Kommunikation, das aus zehn Werten und Prinzipien besteht: Im Zentrum stehen die Werte Ehrlichkeit, Transparenz und Authentizität. Hinzu kommen Mut, Fairness und Respekt, Berechenbarkeit, Souveränität, Verantwortungsbewusstsein, Sinn für das rechte Mass und Professionalität (im Sinne konzeptionell-strategischer Exzellenz).
Diese Werte zahlen sich in der Praxis aus und sichern eine hohe Kommunikations-wirkung unter heiklen Bedingungen.
Ehrlichkeit und Transparenz: Im persönlichen Umgang der Menschen mögen Ehrlichkeit und Transparenz ambivalente Werte sein, für die Unternehmens-kommunikation sind sie jedoch Pflicht. Sie ermöglichen den Kommunikationspartnern des Unternehmens, beispielsweise Kunden, Medien, interessierter Öffentlichkeit, die richtige Einordnung und Bewertung von Informationen und sorgen so für Orientierung und Berechenbarkeit. Das ist ein klarer Nutzenvorteil in einer immer unüber-schaubareren Welt. Ehrlich und transparent zu kommunizieren bedeutet für Unternehmen einen Aufwand, nämlich Zusammenhänge zu erklären, Fakten und Positionen richtig zu vermitteln. Das zahlt sich aber vor allem in kritischen Situationen aus, etwa in Krisen oder bei schwierigen Unternehmensentscheidungen.
Eskalationen lassen sich dann nämlich leichter verhindern und das Vertrauen wird stabilisiert. Dagegen führen Unehrlichkeit oder bewusste Intransparenz, beispielsweise durch Salamitaktik in der Krisenkommunikation erfahrungsgemäss immer zu einem zusätzlichen Erklärungs- und Rechtfertigungsaufwand, der auch Mehrkosten bedeutet. Und der Vertrauensverlust durch unehrliche, intransparente Kommunikation schadet auch der Reputation und kann den Unternehmenswert negativ beeinflussen. Jetzt könnte man einwenden: Wenn Fakten in den Social Networks von Facebook & Co nicht mehr zählen, dann zählen auch „ehrliche Fakten“ nicht. Das gilt für Unternehmen jedoch nicht. Sie müssen mit ihrer Kommunikation eine verbindliche, wahrheitsgemässe Referenzgrundlage für den Dialog mit ihren Zielgruppen schaffen. Fakten und Positionen, Marken- und Leistungsversprechen der Unternehmenskommunikation haben einen verbindlichen Charakter. Kommunikationspartner können sich darauf berufen. Das macht das Unternehmen berechenbar. Wenn diese Grundlage fehlt, wird Kommunikation beliebig und unglaubwürdig.
Authentizität: Im gesellschaftlichen Dialog, vor allem in den Sozialen Medien, fragen sich viele Menschen: Wem kann ich überhaupt noch trauen? Authentische Kommunikation hat den grossen Vorteil, dass sie Diskrepanzen und Unstimmigkeiten im Auftritt weitgehend verhindert – und damit den Anlass für Misstrauen. Gerade weil die Menschen heute die Interessenlage von Unternehmen und Managern zwischen Informationen und Meinungen nur noch schwer erkennen und einordnen können, ist es hilfreich, sich durch authentische Unternehmenskommunikation berechenbar zu machen. Authentizität kann man u.a. durch ein leitbildkonformes Verhalten bzw. einen Kommunikationsstil, der zum Unternehmensleitbild passt, erreichen. Das schafft Nähe und verstärkt die Beziehungen zu den Stakeholdern.
Mut: Kommunikationsmanagement ist heute oftmals eine „unbequeme“ Aufgabe. Wie gut sie funktioniert, beweist sich besonders bei der Bewältigung von Konflikten, also immer dann, wenn Interessen einzelner Stakeholder und Unternehmensinteressen gegeneinander laufen. Das ist zum Beispiel bei grossen Veränderungsprozessen der Fall. Mutige Kommunikation bedeutet dann u.a., im Interesse einer guten Konfliktlösung ein persönliches Risiko einzugehen, etwa das Risiko einer (kurzzeitigen) Ablehnung oder eines Ansehensverlustes bei einzelnen Parteien. Kommunikationsziele lassen sich oft nur mit Mut erreichen, während fehlender Mut Kommunikation wirkungslos macht.
Fairness und Respekt: Diese Werte sind im gesellschaftlichen Dialog weitgehend abhanden gekommen. Sie werden nicht unbedingt erwidert, aber positiv bewertet. Die faire und respektvolle Kommunikation von Unternehmen mit ihren Stakeholdern steht im Kontrast zur Verrohung des Umgangstons, die wir an vielen Stellen im gesellschaftlichen Diskurs finden. Beide Werte tragen so zu einem differenzierten, positiven Unternehmensprofil bei. Ob man sich am Glaubwürdigkeitsprinzip, am Deutschen Kommunikationskodex, an einem spezifischen Unternehmenskodex oder an einem individuellen Wertekanon orientiert, ist übrigens zweitrangig. Entscheidend ist, dass die konsequente Reflexion und die bewusste Berücksichtigung der Prinzipien und Werte in der Praxis überhaupt stattfinden. Neben den sachlichen und Unternehmenspolitischen Kriterien sollten diese Prinzipien Basis aller strategischen und operativen Kommunikationsentscheidungen sein.
Werteorientierte Kommunikation hat einen doppelten Nutzen. Sie wirkt nach aussen und nach innen. Nach aussen hin unterstützt sie die Differenzierung im Wettbewerb unter den ungünstigen Rahmenbedingungen der unberechenbaren, oft irrational agierenden Kommunikationsgesellschaft. Kommunikationsziele lassen sich besser erreichen und der Handlungsspielraum des Managements wird gesichert. Nach innen bringt werteorientierte Kommunikation u.a. mehr Entscheidungssicherheit und schärft die Aufmerksamkeit für den Bedarf und die Erwartungen der Stakeholder. Dadurch versäumt man notwendige kommunikative Weichenstellungen nicht und wird auch nicht so leicht von Krisen oder kritischen Entwicklungen überrollt.
Quelle: Digitalisierung • 2016 • von Dr. Wolfgang Griepentrog© AndreyPopov/iStock/Thinkstock, 2016