Kooperationen, Partnerschaften und M&A-Strategien in einer postpandemischen Welt (2/2)
Fusionen und Firmenkäufe (M&A, Mergers and Acquisitions) stellen seit Jahrzehnten einen Grundpfeiler des Geschäftsmodells der biopharmazeutischen Industrie dar. In den 1990er und 2010er Jahren konsolidierte sich die Industrie durch eine Reihe von Mega-Mergern, deren Treiber vor allem Kostenersparnis durch Synergien und Wachstum durch Zukauf von Produktlinien waren. Mit dem Übergang zu einem stärker von Spezialtherapeutika geprägten Modell veränderten sich M&A-Strategien dahingehend, dass man Akquisitionen nutzte, um Zugang zu Innovationen zu gewinnen. Meike Madelung von IQVIA stellt dieses spannende Thema in einem zweiteiligen Blog vor; der erste Teil erschien am Mittwoch, 6. Juli.
Während der Pandemie haben sich neue Player und neue Modelle entwickelt, so zum Beispiel neue technologische Plattformen wie mRNA; Diagnostikahersteller, die personalisierte und Präzisionsmedizin anbieten; oder kostengünstige Fast Follower, die mit geschützten vergleichbaren Therapeutika in den Preiswettbewerb mit etablierten Marktführern gehen.
Um in dieser neuen Umgebung zu bestehen, werden etablierte biopharmazeutische Unternehmen strategische Entscheidungen treffen müssen, welche kritischen Fähigkeiten sie für diese neue Wettbewerbslandschaft benötigen und wie sie diese erwerben wollen. Für viele dieser kritischen Kapazitäten wie z. B. Big Data, Digital Health, oder Diagnostika der nächsten Generation sind biopharmazeutische Unternehmen nur bedingt gerüstet. Zudem entwickelt sich der Markt teilweise so schnell, dass sich nur über ein kollaboratives Modell damit Schritt halten lässt. Von daher steht zu erwarten, dass Kollaborationen oft das Mittel der Wahl sein werden, um fehlende Business Capabilities zu akquirieren, auch wenn selektive M&A sicher weiterhin eine Rolle spielen werden.
KOLLABORATIONEN, PARTNERSCHAFTEN UND M&A-AKTIVITÄTEN IN 2021
2021 sah einen leichten Rückgang von 3 % bei kooperativen Aktivitäten aller Art gegenüber 2020. Rechnet man jedoch COVID-19-bezogene Aktivitäten heraus, stieg das Volumen der Vereinbarungen sowohl gegenüber 2020 als auch gegenüber dem Präpandemie-Jahr 2019 an (Abb. 3).
Obwohl M&A-Aktivitäten einschließlich Veräußerungen in 2021 gegenüber 2020 wieder zunahmen, blieb der Gesamtwert der Transaktionen mit 255 Mrd. USD unter dem in 2019 erreichten vorläufigen Höchstwert von fast 300 Mrd. USD (Abb. 4). Auch große Mega-Merger fanden in 2021 nicht statt.
Auf der Ebene der Therapiegebiete ist die Onkologie als hochinnovatives Forschungsgebiet mit 40 % aller produktbezogenen Vereinbarungen in 2021 weiterhin führend, gefolgt von Infektionskrankheiten mit 17 % und ZNS mit 16 %. Das außergewöhnlich hohe Aktivitätsvolumen im Bereich Infektionskrankheiten 2020 ist der COVID-19-Pandemie geschuldet, aber auch 2021 liegt das Volumen noch über Prä-Pandemie-Niveau. Im Bereich ZNS finden sich nach wie vor viele Indikationen mit nicht gedecktem therapeutischem Bedarf.
Neben Kooperationen bei der Entwicklung von Pharmazeutika investieren zahlreiche biopharmazeutische Unternehmen auch in Partnerschaften im Bereich digitale Transformation, um auch hier ihre Zukunftsfähigkeit sicherzustellen.
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GÜNSTIGES UMFELD FÜR KOOPERATIONEN, PARTNERSCHAFTEN UND M&A
Zwei Faktoren tragen dazu bei, dass das Umfeld für Kooperationen, Partnerschaften und M&A in den nächsten Jahren günstig sein wird.
Zum einen ist zu erwarten, dass die Top 20 Pharmaunternehmen bis Ende 2022 geschätzt über 500 Mrd. USD zur Finanzierung möglicher Transaktionen zur Verfügung haben werden. Dieses Finanzvolumen speist sich aus einer Reihe von Quellen, z. B. die durch COVID-Vakzine und -Therapien generierten außerordentlichen Umsätze für Pfizer / BioNTech und Moderna; Einmalgewinne durch Veräußerungen wie der Verkauf der Roche-Beteiligung durch Novartis; oder etablierte, äußerst umsatzstarke Produkte wie Humira von Abbvie, Keytruda von MSD, Revlimid von BMS oder Eliquis von Pfizer / BMS (Abb. 5).
Damit stehen Unternehmen unter Druck, diesen Cash Flow gewinnbringend zu investieren, wobei Anteilsrückkäufe oder Dividenden von den Aktionären zwar sicher gerne gesehen werden, aber nichts zur strategischen Positionierung der Unternehmen beitragen. Insofern ist zu erwarten, dass es in den nächsten Jahren zu mehr kooperativen Aktivitäten kommt.
Zum anderen fand in der zweiten Hälfte 2021 eine Marktkorrektur bei Biotech-Aktien statt, so dass 80 % der 2021 an die Börse gegangenen Biotech-Unternehmen aktuell unter dem Ausgabepreis gehandelt werden. Damit stehen diesen Unternehmen insgesamt weniger Kapitalisierungsoptionen zur Verfügung, was eine Partnerschaft mit einem etablierten Biopharma-Unternehmen attraktiver macht.
Beide Faktoren sollten sich in einem erhöhten Volumen an kooperativen Transaktionen niederschlagen.
Meike Madelung, IQVIA Commercial GmbH & Co. OHG
Alle Quellenangaben finden Sie in der Ausgabe 91 des IQVIA Flashlight; vertiefende Informationen bietet auch das IQVIA White Paper „A Big Deal: Strategic Rejuvenation for Post-Pandemic Realities“.
Bei Fragen oder weitergehendem Interesse am Thema wenden Sie sich bitte an Meike Madelung: meike.madelung@iqvia.com