Kreislaufwirtschaft

Kreislaufwirtschaft

Von Abfall zu Ressourcen: Der Weg zu einer kreislauffähigen Wirtschaft

Klimawandel und Umweltzerstörung sind existenzielle Bedrohungen für die Weltgemeinschaft und können nicht mehr unabhängig voneinander betrachtet werden. Mit dem Green Deal will Europa daher den Übergang zu einer modernen, ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft schaffen. Ein zentrales Konzept dieser Diskussion ist die Kreislaufwirtschaft, die weit über das bloße Recycling hinausgeht. Sie stellt eine ganzheitliche Strategie dar, die darauf abzielt, Ressourcen zu schonen, Abfall zu vermeiden und die Umwelt langfristig zu schützen. Im Rahmen unseres Österreich-Podcasts sicherHEiT. sicherMORGEN. haben wir mit Mag. Dr. Robert Hermann, DEM Experten für Nachhaltigkeit beim TÜV SÜD in Österreich, über die Herausforderungen und Chancen der Kreislaufwirtschaft gesprochen.

Hier finden Sie die wichtigsten Take-aways – die ganze Podcastfolge sollten Sie sich aber trotzdem anhören!

Was ist Kreislaufwirtschaft?

Die Kreislaufwirtschaft hat das Ziel, primäre Ressourcen wie Rohstoffe, Wasser und Energie möglichst zu schonen, indem Produkte, Materialien und Dienstleistungen im Kreislauf gehalten werden. Dies bedeutet, dass Materialien so lange wie möglich verwendet, repariert, wiederaufbereitet und recycelt werden, anstatt sie nach einmaligem Gebrauch zu entsorgen. Dieser Prozess reduziert nicht nur die Abhängigkeit von neuen Rohstoffen, sondern trägt auch maßgeblich zum Klimaschutz bei, da weniger CO₂ freigesetzt wird.

„Es geht darum, Schadstoffe zu minimieren, den Klimaschutz voranzutreiben und die Umwelt zu schonen – also unsere Böden, Gewässer und die Luft. So können wir auch in Zukunft einen lebenswerten Planeten erhalten.“

...beschreibt Robert Hermann den zentralen Gedanken der Kreislaufwirtschaft

Die drei Hauptstrategien der Kreislaufwirtschaft

Die Kreislaufwirtschaft basiert auf drei grundlegenden Prinzipien, die Unternehmen und Konsument:innen gleichermaßen betreffen:

  1. REDUCE (reduzieren): Der erste Schritt besteht darin, den Einsatz von Ressourcen zu reduzieren oder sogar komplett zu vermeiden. Dies kann durch ein intelligentes Produktdesign geschehen, bei dem weniger Material verwendet wird, ohne die Produktqualität zu beeinträchtigen. Ein Beispiel ist die Gießereiindustrie, in der die Materialstärke drastisch reduziert wird, während die Festigkeit des Produkts gleich bleibt. Auch die Frage, ob bestimmte Transportwege per Auto zurückgelegt werden müssen oder zu Fuß erledigt werden können, spielt in diesem Kontext eine Rolle.
  2. REUSE (wiederverwenden): Produkte sollen so konzipiert werden, dass sie lange nutzbar sind und gegebenenfalls repariert oder wiederverwendet werden können. Ein gutes Beispiel dafür ist die Elektromobilität: Batterien, die nicht mehr für den Einsatz in Fahrzeugen geeignet sind, könnten in einem zweiten Lebenszyklus als Energiespeicher dienen. Dies verlängert die Nutzung der Ressourcen und vermeidet frühzeitige Entsorgung.
  3. RECYCLE: Am Ende der Lebensdauer eines Produkts muss dieses dem Recycling zugeführt werden, um Rohstoffe wiederzugewinnen und in neuen Produkten zu nutzen. Wichtig ist hier die Qualität der Sekundärmaterialien: Diese müssen in ihrer Beschaffenheit den Primärmaterialien ebenbürtig sein, um im Produktionsprozess wiederverwendet werden zu können.

Produktdesign: Der Schlüssel zur Kreislaufwirtschaft

Eine der größten Herausforderungen, denen sich Unternehmen heute stellen müssen, ist das Produktdesign. Bereits in der Planungsphase eines Produkts entscheidet sich, ob und wie es am Ende seiner Lebensdauer recycelt werden kann. Ein durchdachtes Produktdesign ermöglicht nicht nur eine längere Nutzungsdauer, sondern legt auch den Grundstein für die spätere Wiederverwertung.

Robert Hermann betont die Bedeutung der erweiterten Herstellerverantwortung:

„Unternehmen müssen Verantwortung für den gesamten Lebenszyklus ihrer Produkte übernehmen, von der Produktion bis zur Entsorgung. Nur so kann sichergestellt werden, dass Produkte nach Gebrauch umweltgerecht recycelt oder wiederverwendet werden können.“

Häufig fehlt es jedoch entlang der gesamten Lieferkette an den nötigen Informationen. Dies führt dazu, dass viele Unternehmen nicht wissen, aus welchen Materialien ein Produkt besteht oder wie es nach Ende seiner Nutzung recycelt werden kann. Hier kommt der sogenannte Produktpass ins Spiel, der detaillierte Informationen über die Zusammensetzung und den Produktionsprozess eines Produkts enthält und somit alle Beteiligten entlang der Wertschöpfungskette befähigt, geeignete Maßnahmen zur Wiederverwertung zu ergreifen.

Nachhaltigkeit durch Digitalisierung und Datenverfügbarkeit

Ein entscheidender Aspekt bei der Umsetzung der Kreislaufwirtschaft ist die Verfügbarkeit von Daten. Viele Unternehmen wissen nicht, aus welchen Materialien und Verbindungen ihre Produkte bestehen, was es erschwert, diese am Ende ihrer Lebensdauer effizient zu recyceln. Hier kann die Digitalisierung einen großen Beitrag leisten.

Digitale Produktpässe bieten eine Lösung, indem sie Informationen über die Materialien, Verbindungen und Prozesse eines Produkts entlang der gesamten Wertschöpfungskette bereitstellen. Dadurch können Produkte am Ende ihrer Lebensdauer leichter in den Kreislauf zurückgeführt werden.

Die Rolle der Gesetzgebung

Die EU hat bereits erste wichtige Schritte unternommen, um die Kreislaufwirtschaft in Europa voranzutreiben. So gibt es verschiedene Verordnungen und Richtlinien, wie etwa die Green Claims-Richtlinie, die vorschreibt, dass Unternehmen ihre Umweltbehauptungen (wie klimaneutral oder CO₂-frei) nur dann verwenden dürfen, wenn diese von unabhängigen Stellen, etwa TÜV SÜD (mehr dazu hier), überprüft wurden.

Ein weiteres wichtiges Beispiel ist die Batterieverordnung, die genau definiert, welche Recyclingfähigkeiten Batterien haben müssen und wie Sekundärrohstoffe in Batterien eingesetzt werden sollen. Zudem sorgt die Ökodesign-Verordnung dafür, dass Produkte langlebiger und leichter zu recyceln sind.

Ein gesamtgesellschaftlicher Ansatz

Wie Robert Hermann feststellt, ist die Kreislaufwirtschaft ein gesamtgesellschaftliches Konzept. Es reicht nicht aus, dass nur Unternehmen und Gesetzgeber Verantwortung übernehmen – auch die Konsument:innen spielen eine entscheidende Rolle.

„Es gibt ein Drittel der Bevölkerung, das sehr offen für nachhaltige Maßnahmen ist und sie gerne annimmt. Ein weiteres Drittel ist unentschlossen, würde aber handeln, wenn die Maßnahmen sinnvoll erscheinen. Das letzte Drittel ist eher skeptisch und neigt dazu, Veränderungen abzulehnen. Wir müssen uns auf die ersten beiden Gruppen konzentrieren und ihnen die Werkzeuge an die Hand geben, die sie brauchen, um nachhaltig zu handeln.“

Ausblick: Kreislaufwirtschaft in der Zukunft

Die Umsetzung der Kreislaufwirtschaft in Europa steckt noch in den Kinderschuhen. Derzeit liegt die Zirkularitätsrate – also der Anteil an Materialien, die recycelt und wiederverwendet werden – in Europa durchschnittlich bei etwa 12%, während sie in einzelnen Ländern wie den Niederlanden bereits über 30% beträgt. Gleichzeitig liegt der Materialverbrauch pro Kopf in Österreich bei 33 Tonnen pro Jahr, was zeigt, dass noch erheblicher Handlungsbedarf besteht.

Doch der Weg ist für Robert Hermann klar:

„Wenn wir die Kreislaufwirtschaft ernst nehmen, können wir nicht nur die Umwelt schützen, sondern auch neue wirtschaftliche Chancen schaffen“

Fazit: Kreislaufwirtschaft als Chance

Die Kreislaufwirtschaft bietet eine gewaltige Chance für Unternehmen, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, die sowohl ökologisch als auch ökonomisch sinnvoll sind. Es geht nicht nur darum, Abfall zu minimieren, sondern auch darum, innovative Produkte und Dienstleistungen zu schaffen, die einen langfristigen Mehrwert bieten.

Wie Robert Hermann abschließend betont:

„Die Kreislaufwirtschaft ist kein kurzfristiger Trend, sondern der Weg in eine nachhaltige und lebenswerte Zukunft.“

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