Markt-Einblicke: Der Impfstoffmarkt in Deutschland 2021
Im Rahmen der bisher größten Impfkampagne weltweit wurden innerhalb kurzer Zeit über 11,3 Mrd. Impfdosen von COVID-19-Vakzinen verabreicht. In Deutschland sind es bis heute 172 Mio. Dosen. IQVIA-Analysen zeigen, dass im ersten Jahr der Pandemie auch das Bewusstsein für die zusätzliche Gefahr einer Grippe oder Lungenentzündung geschärft war, weshalb die Nachfrage nach Grippe- und Pneumokokken-Impfungen in 2020 deutlich anstieg. Im Jahr danach ging die Nachfrage aber wieder zurück. Bereits im April 2020 betonte die STIKO, wie wichtig die Durchführung von empfohlenen Schutzimpfungen auch außerhalb von COVID-19 gerade während der Pandemie sei. IQVIA hat die Entwicklung im Markt dieser Schutzimpfungen untersucht.
Im Gesamtjahr 2021 wurden 54 Mio. Impfstoffdosen abgegeben, von denen mehr als zwei Drittel zur Immunisierung gegen virale Infektionen unterschiedlicher Art dienten (Abb. 1). Im Vergleich mit dem Jahr 2020 ergibt sich über alle Impfstoffdosen ein Rückgang von 10 %, wobei von der großen Gruppe der viralen Vakzine 2,2 Mio. Dosen weniger verabreicht wurden.
Am stärksten vom Rückgang betroffen sind mit -24 % bakterielle Impfstoffe (Abb. 2); hierzu zählen Pneumokokken- und Meningokokken-Vakzine. Auch Mehrfach-Impfstoffe wurden weniger eingesetzt (-11 %); hier reduzierte sich das Volumen entsprechender Vakzine mit Tetanus-Komponente um knapp 9 %, Mehrfach-Impfstoffe mit Masern-Mumps-Röteln Komponente verloren gar um 18 % nach Menge. Bei viralen Impfstoffen liegt der Rückgang insgesamt bei 6 %.
Unter den Teilgruppen verbuchen FSME- und HPV-Vakzine mit -12 %/-13 % den größten Rückgang. Influenza-Vakzine wurden um 3 % weniger abgegeben. Zunahmen sind hingegen bei Varizellen-Impfungen (+1 %) und bei Vakzinen gegen Rotaviren (+3 %) festzustellen. Das Impfgeschehen stellt sich im Detail also differenziert dar. Das zeigt auch das Beispiel der Masernschutzimpfung, das nachfolgend genauer unter die Lupe genommen wird, da mit dem Masernschutzgesetz seit dem 1. März 2020 die Impfpflicht wiedereingeführt wurde.
BEISPIEL MASERNSCHUTZIMPFUNG
Das Ziel besteht darin, Schul- und Kindergartenkinder wirksam vor Masern zu schützen, die zu den ansteckendsten Infektionskrankheiten gehören. Besonders bei Kindern unter fünf Jahren und Erwachsenen kann die Infektion zu schweren Komplikationen führen. Auch bis zu sieben Jahre nach einer Infektion können tödliche Spätfolgen auftreten. 1 bis 3 von 1.000 an Masern Erkrankten sterben daran. Eine Elimination kann nur erreicht werden, wenn 95 % der Gesellschaft geimpft sind.
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Aktuell sind ca. 74 % der Kinder im Alter von 24 Monaten geimpft. Regional gibt es große Unterschiede: In Hamburg sind fast 81 %, in Sachsen nur knapp 25 % geimpft. Alle Kinder müssen ab Vollendung des ersten Lebensjahres bei Eintritt in die Schule oder den Kindergarten eine Masernimpfung vorweisen. Ab einem Alter von 2 Jahren sind mindestens zwei Impfungen und dadurch ein vollständiger Schutz vorzuweisen. Die Impfpflicht gilt auch für Personen, die in Gemeinschaftseinrichtungen oder medizinischen Einrichtungen tätig sind, wie Lehrer, Erzieher, Tagespflegepersonen (z. B. Tagesmütter) und medizinisches Personal, die nach 1970 geboren sind. Bei Personen, die vor 1970 geboren sind, geht man davon aus, dass diese bereits mit Masern in Kontakt waren und dementsprechend immun gegen die Erkrankung sind. Asylbewerber müssen ebenfalls eine Impfung aufweisen, wenn sie in eine Gemeinschaftsunterkunft aufgenommen werden. Dafür haben sie vier Wochen Zeit. Der Nachweis kann entweder durch den Impfausweis oder das gelbe Kinderuntersuchungsheft erbracht werden, oder bei durchlaufener Krankheit durch ein ärztliches Attest.
Wie sich die Masern-Impfentwicklung darstellt, zeigt die nachfolgende Grafik (Abb. 3).
Mit Inkrafttreten des Gesetzes stieg die Nachfrage nach MMR-Impfstoffen im März 2020 stark an und blieb mit Ausnahme vom Dezember in den nächsten 13 Monaten über dem Durchschnitt des Jahres 2019. Seit Mitte letzten Jahres pendelten sich die monatlich abgegebenen Impfdosen wieder auf das Niveau vor der Gesetzesänderung ein. Dabei gibt es regionale Unterschiede: Während der Rückgang im KV-Gebiet Westfalen-Lippe in 2021 nur -9 % und im Gebiet der KV Hamburg -10 % beträgt, liegt er in Bayern bei -27 % und in Sachsen bei -32 % (Abb. 4).
IMPFEN – AUCH IN ZUKUNFT EIN THEMA
Impfungen zählen zu den wirksamsten Methoden, um sich gegen Infektionskrankheiten zu schützen. Die Pandemie hat diesen Umstand wieder stärker in das Bewusstsein der Bevölkerung gerufen und gleichzeitig der Erforschung neuer Impfstoffe Auftrieb verliehen. In Anbetracht der Mutanten des SARS-CoV2-Virus werden sehr wahrscheinlich in wiederholten Abständen weitere Impfungen notwendig sein; die Anpassung bestehender Impfstoffe ist bereits im Gange. Doch auch jenseits von COVID-19 befindet sich eine Reihe von Impfstoffen in der klinischen Erprobung, z. B. zur Prävention von Tuberkulose. Große Hoffnungen werden auch in die Forschung nach einem universellen Grippeimpfstoff gesetzt, der nicht jedes Jahr neu verabreicht werden müsste. Forscher betonen, dass gerade die schnell mutierenden Influenza-Erreger hohes Potential für kommende Pandemien besitzen.
Alle Quellenangaben sowie weitere spannende Beiträge finden Sie in der aktuellen Ausgabe 90 des IQVIA Flashlight. Bei Fragen oder weitergehendem Interesse am Thema wenden Sie sich bitte an Rita Carius: rita.carius@iqvia.com