Rekordschlechte Konjunkturzahlen // China, der unmögliche Geschäftsfreund // Wolfgang Schäuble im Interview
Guten Abend liebe*r Leser*in,
es ist ein Tag im Zeichen historisch roter Zahlen. Nicht, dass sie in der Coronakrise überraschend kommen, wobei: in dieser Heftigkeit dann doch. Um satte 10,1 Prozent ist Deutschlands Konjunktur im zweiten Quartal eingebrochen. Der stärkste Rückgang des BIP seit Beginn der vierteljährlichen Berechnungen im Jahr 1970. Erstmals 15 Tage früher veröffentlicht, als es die Statistiker bislang gehandhabt haben. Und durchaus negativer, als ursprünglich vorhergesehen von jenen Analysten, die Deutschland nun in der „Jahrhundertrezession“ sehen. Von der Hochkonjunktur direkt in die Krise, ausgelöst durch die Folgen der Pandemie.
Selbige Analysten rechnen fürs dritte Quartal zwar schon wieder mit einem deutlichen Wachstum. Nur ob sie damit Recht behalten, das hängt im exportorientierten Deutschland naturgemäß von Faktoren ab, die weitab vom deutschen Konsumenten zu suchen sind.
Wie komplex und risikoreich das Verhältnis zu Deutschlands wichtigstem Handelspartner China mittlerweile ist, das haben wir in der aktuellen WiWo-Titelstory für Sie ausführlich analysiert.
Und aus der großen Konsumnation USA kommen derzeit nicht minder alarmierende Signale: Im zweiten Quartal schmierte das BIP in den Vereinigten Staaten (aufs Jahr hochgerechnet) um 32,9 Prozent ein. Wobei das einer wichtigen Einordnung bedarf: Nach der in Europa gebräuchlichen Berichtsweise im Quartalsvergleich entspräche der US-Wert umgerechnet einem Minus von etwa zehn Prozent. Doch auch die längerfristige Perspektive ist in den USA düster, nicht zuletzt wegen der unverändert katastrophalen Entwicklung der Corona-Infektionszahlen.
„Es gibt mehrere Entwicklungen, die mich beunruhigen“, sagte der US-Ökonom Martin Eichenbaum meiner Kollegin Tina Zeinlinger im Interview. „Seit März hat sich die Sparquote fast verdreifacht, und der Konsum ist massiv eingebrochen. Leider gilt dieses Phänomen für alle Einkommensschichten“, so Eichenbaum. „Die Angst vor einer dauerhaften Rezession und die Sorge, sich anzustecken, bremsen auch den Konsum der Gutverdiener. Viele Niedriglohnarbeiter im Dienstleistungssektor oder im produzierenden Gewerbe haben dadurch bereits ihren Job verloren. Für die Wirtschaft verheißt das nichts Gutes.“
Und damit auch nicht für die Wirtschaft der US-Handelspartner.
Viele Grüße
Ihr Lutz Knappmann
Mitglied der Chefredaktion und Leiter Online
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