Sentimentanalyse hilft Unternehmen digitale Informationsflut zu bewältigen
Unternehmen sind heute mit einer steigenden Informationsflut aus allen Richtungen konfrontiert. Sentimentanalyse kann dabei zum Glück immer bessere Abhilfe leisten. Über sie können KI-Systeme erlernen, die Emotionen hinter schriftlichen, akustischen und visuellen Daten richtig erkennen und einzuordnen. In diesem Artikel erfahrt ihr mehr über Arten, Techniken und Anwendungsfälle der NLP-Stimmungsanalyse.
Was ist Sentimentanalyse?
Stimmungsanalyse ist ein Verfahren zur Klassifizierung, ob ein Text- oder Sprachblock als positiv, negativ oder neutral zu bewerten ist. Aber konzentriert sie sich nur auf die Polarität? Keineswegs. Mit Hilfe von Algorithmen eröffnet sie tiefere Einblicke in ausgedrückte Emotionen wie Freude, Wut oder Traurigkeit.
In der Softwareentwicklung ist die Sentiment- oder Stimmungsanalyse neben der Themenmodellierung (Topic Modelling) und der Erkennung von vorbestimmten Entitäten (Named Entity Recognition) eine der drei zentralen Säulen der Deep-Data-Analyse. Eine gemeingültige Definition gibt es aber leider nicht.
Seit Ende der 1970er-Jahre haben sich Sprach- und Sozialwissenschaftler*innen mit der Analyse von Tonalitäten in Texten beschäftigt. In jüngerer Vergangenheit hat dann die zunehmende Entwicklung von neuronalen Netzen zu ganz neuen Anwendungsfeldern und Ansätzen der Sentimentanalyse geführt.
Die auch als “Opinion Mining” oder “Emotion AI” bezeichnete Stimmungsanalyse kann u.a. für ein besseres Verständnis von Kundenbedürfnissen, Analysen von Rezensionen und Entscheidungsprozessen sowie für Empfehlungsprogramme eingesetzt werden.
“Mithilfe von KI-Stimmungsanalyse wollen wir Kund*innen helfen, die in Gesprächen geäußerten Emotionen besser zu verstehen."
Auch Tucan.ai setzt auf Sentimentanalyse, um die Gesprächsanalysefunktionen seines Software-Toolkits zu verbessern. “Aktuell befinden wir uns noch im standardisierten Training. Schon bald werden jedoch unsere Nutzer*innen in der Lage sein, die aus einem Absatz oder Textteil herausgelesenen Stimmungen auch selbst zu ändern. Dadurch können wir in weiterer Folge die KI gezielt mit kundenspezifischen Daten trainieren, sodass sie dann immer präzisere Vorhersagen treffen kann”, erzählt Mohammed Aymen Ben Slimen, der das Machine-Learning-Team von Tucan.ai seit Jahresanfang mit seiner Expertise unterstützt.
“Mithilfe von KI-Stimmungsanalyse wollen wir Kund*innen helfen, die in Gesprächen geäußerten Emotionen besser zu verstehen.Wenn zum Beispiel ein*e Sprecher*in einem Thema zustimmt, zeigen wir ein fröhliches Emoji an, und wenn sich jemand beschwert, wird dies durch ein trauriges Emoji markiert", erläutert Aymen.
Wie funktioniert Sentimentanalyse?
Die Sentimentanalyse ist ein Teilgebiet der Verarbeitung natürlicher Sprache, also der algorithmischen Verarbeitung und Auswertung natürlicher Sprache in Form von Text- oder Sprachdaten. Entsprechende KI-Systeme versuchen, die Meinung des Absenders automatisch zu erfassen. In der Regel werden dabei drei zentrale Aspekte bewertet:
- Thema: Über welche Bereiche spricht jede*r der Sprecher*innen im Kern?
- Polarität: Welche positiven und negativen Meinungen werden von wem geäußert?
- Meinungshoheit: Wer vertritt aller welche Einschätzung zu welchem Thema?
In ihrem Kern erfolgt die Stimmungsanalyse in einem geradlinigen Prozess: Ein Text wird zunächst in Komponenten wie Sätze, Phrasen oder kleine Wortteile zerlegt. Im Anschluss werden die einzelnen emotionalen Komponenten identifiziert. Diese werden dann wertend eingestuft, zum Beispiel mit “-1” und “+1”. Bei einer mehrschichtigen Stimmungsanalyse werden diese Bewertungen auch kombiniert.
Arten der Stimmungsanalyse
Die gebräuchlichste Art von Stimmungsanalyse konzentriert sich auf Gegensätze bzw. Polarität, anderen können aber auch konkrete Gefühle und Emotionen erkennen. Die gängigsten Formen sind:
- Standard-Sinnesanalyse
- Erkennung von Emotionen
- Feinkörnige Stimmungsanalyse
- Mehrsprachige Stimmungsanalyse
- Aspektbasierte Stimmungsanalyse (ABSA)
- Erkennung von Absichten
Standard-Sinnesanalyse
Die Standard-Sinnesanalyse identifiziert den Grad einer Meinung und klassifiziert sie als positiv, negativ oder neutral. Hier sind einige Beispiele:
- Positiv: “Ich liebe dieses neue Restaurant.”
- Neutral: “Ich bin mir unsicher, ob ich das Essen mag, aber mir gefällt das Ambiente.”
- Negativ: “Das Essen dort ist furchtbar und der Service auch.”
Emotionserkennung
Die Erkennung von Emotionen ermöglicht es, die einem Text zugrunde liegenden Emotionen wie Freude, Ärger und Frustration zu erkennen. Beim Maschine-Learning mithilfe von Lexika ist diese Art besonders herausfordernd. Durch die Verwendung eines Lexikons können zwar Emotionen von Kund*innen definiert werden, allerdings drücken Menschen Gefühle oftmals sehr unterschiedlich aus. So können etwa Wörter, die eine negative Konnotation mit sich bringen, auch eine positive Bedeutung haben (z. B. krank).
Mehrsprachige Stimmungsanalyse
Die mehrsprachige Stimmungsanalyse ist eine große Herausforderung und vergleichsweise knifflig. Sie umfasst die Klassifizierung und Verarbeitung mehrerer Sprachen. Alternativ können Sprachklassifikatoren verwendet werden, um die Stimmungsanalyse zu trainieren und an die Bedürfnisse anzupassen, z. B. an die bevorzugte Sprache.
Feinkörnige Stimmungsanalyse
Bei dieser auch als abgestufte Stimmungsanalyse bezeichneten Methode können Sie neben positiven, negativen oder neutralen Kategorien noch einige weitere hinzufügen. Sie ist den 5-Sterne-Bewertungen sehr ähnlich und wird in fünf Segmente unterteilt: sehr positiv, positiv, neutral, negativ und sehr negativ.
Absichtserkennung
Wie der Name schon sagt, analysiert die Absichtserkennung einen Text, um die Absicht hinter einer bestimmten Meinung zu verstehen. Sie erkennt wertvolle Kundenmeinungen zur Lösung eines Problems oder zur Verbesserung eines Produkts oder einer Dienstleistung. Die Absichtserkennung kann auch vorhersagen, ob der Kunde beabsichtigt, ein Produkt zu verwenden, indem er ein Muster beobachtet und erstellt, was für Werbung und Marketing nützlich ist.
Aspektbasierte Stimmungsanalyse
Aspektbasierte Stimmungsanalyse fokussiert sich auf die Identifizierung von Merkmalen oder Aspekten einer Entität oder einer Meinung, wie z. B. Produktbewertungen. Beispielsweise setzen sich Rezensionen oft aus mehreren Meinungen über die Eigenschaften eines Produkts zusammen, wie z. B. die Benutzeroberfläche, der Preis, mobile Versionen, Integrationen, um nur einige zu nennen. Mit anderen Worten, es handelt sich um einen eher granularen Ansatz zur Analyse von Bewertungen.
Techniken zur Sentimentanalyse
Über die Zeit hat sich eine Vielzahl von Techniken und Technologien rund um Sentimentanalysen entwickelt. Besonders die Fortschritte im Bereich des maschinellen Lernens und neuronaler Netze hat in jüngster Vergangenheit zu einer rasanten Verbesserung in NLP im allgemeinen und Stimmungsanalysen im Besonderen geführt.
Im Falle von Tucan.ai handelt es sich in einem ersten Schritt um ein auf Deep-Learning basierendes Modell, das die Stimmung eines bestimmten Absatzes oder Textteils (positiv, negativ oder neutral) vorhersagen kann. “Nachdem wir das Transkript erstellt haben”, so Aymen, “übergeben wir es an ein NLP-Sentimentanalysen-Modell, das Stimmungen vorhersagt und Emojis anzeigt, die mit dem Ergebnis in Zusammenhang stehen.”
Regelbasierte Sentimentanalyse
Bei diesem, einfacheren Ansatz zur Textanalyse werden keine Trainings oder ML-Modelle eingesetzt. Die Software stuft hierbei Textteile auf Grundlage von ausgefeilten linguistischen Regeln ein. Diese Regeln werden auch als Lexikons bezeichnet. Daher wird der regelbasierte Ansatz auch als lexikonbasierter Ansatz bezeichnet. Weit verbreitete regelbasierte Ansätze sind TextBlob, VADER und SentiWordNet.
Machine Learning
Im Gegensatz zu regelbasierten Systemen werden dem Machine Learning Algorithmus keine Regeln vorgegeben, sondern vom System selbst erlernt. Hierzu benötigt man ein Trainingsset von Daten, wo dem Input (Satz, Absatz, Text) ein Tag (negativ, positiv, neutral) zugewiesen ist. Damit der Algorithmus arbeiten kann, wird der Text in eine nummerische Represäntation überführt. Diese Repräsentation ist meist ein Vektor der Informationen zu dem Text hält, in einem Bag of Words Ansatz z.B. die Frequenz eines Terms. In jüngster Zeit erfreuen sich “word embeddings” - also Worteinbettungen, bei denen in Vektoren zu Wörtern semantische Informationen gespeichert werden können - zunehmender Beliebtheit.
Deep Learning
Deep Learning ermöglicht die Verarbeitung von Daten auf eine viel komplexere Weise. Ein LSTM-Modell (Long Short-Term Memory) ist eine Art rekurrentes neuronales Netzwerk (RNN), das zur Verarbeitung zeitlicher Daten verwendet wird. Da wir davon ausgehen, dass die Reihenfolge der Merkmale (Wörter) in einem Satz von Bedeutung ist, verwenden wir diese neuronale Netzwerkarchitektur. Deep Learning ist rechenintensiv und eignet sich nicht für hochdimensionale, spärliche Vektoren (schlechte Leistung und langsame Konvergenz).
Wenn wir Merkmale aus dem Originaltext für das Modelltraining extrahieren, müssen wir sie als dichte Vektoren darstellen. Bei einer solchen Technik wird jeder Text in eine Folge von Zahlen umgewandelt, wobei jede Zahl einem Wort des Vokabulars zugeordnet wird. Wenn wir einen Schritt weiter gehen, müssen wir Wörter, die eine ähnliche Verwendung/Bedeutung haben, ähnlichen realen Zahlenvektoren (statt einem Index) zuordnen, indem wir auf die oberhalb bereits erwähnte Einbettungen zugreifen. Ohne sie würde das Modell die Indexzahl der Wörter fälschlicherweise als Bedeutung interpretieren. Bei “word embeddings” werden alle Wörter in einen mehrdimensionalen Vektorraum eingebettet, so dass ihre Ähnlichkeiten anhand der Entfernung gemessen werden können.
Anwendung der Stimmungsanalyse
Rund 80 Prozent aller erfassbaren Daten bei einer Stimmungsanalyse – ob durch den Menschen oder den Computer – sind unstrukturiert und entziehen sich klassischen Analyseansätzen. Die gezielte Nutzung dieser Daten kann für Unternehmen bzw. Organisationen einen immensen Wettbewerbsvorteil bedeuten. Allerdings: Das Datenvolumen übersteigt meist die Möglichkeiten der menschlichen Analyse. Die Fähigkeit, in kurzer Zeit riesige Datenmengen verarbeiten zu können, ist ein schlagfertiges Argument für die Nutzung automatisierter Systeme zur Sentimentanalyse.
Mit Hilfe von maschinellem Lernen verwandelt die Stimmungsanalyse alle unstrukturierten Daten, die aus Transkripten, Chatbots, sozialen Medien, Umfragen usw. gesammelt werden, in aussagekräftige Informationen. Sie ist eine leistungsstarke KI-Ressource, mit der Entscheidungsgrundlagen nachhaltig verbessert werden können, wie sich anhand der folgenden beispielhaften Anwendungsfälle zeigt:
Steigerung der Meeting-Effizienz
Jedes Besprechungsthema kann durch Sentimentanalyse auf der Grundlage der Äußerungen der einzelnen Teilnehmer*innen analysiert werden, um zu dokumentieren, wie diese emotional dazu stehen. Dadurch lassen sich etwa Missverständnisse, Doppelgleisigkeiten, Wiederholungen und Unklarheiten leichter vermeiden.
Coaching - Stimmungsanalyse in Verkaufsgesprächen
Sentimentanalyse hilft auch bei der Dokumentation und Auswertung von Sales Calls sowie dem Coaching von Call Agents und Berater*innen. Im operativen Bereich wird sie oftmals als Instrument zur Leistungsmessung eingesetzt, um das Einfühlungsvermögen oder die emotionale Intelligenz der Vertriebsmitarbeiter*innen anhand von Interaktionen mit Kund*innen zu evaluieren. Zudem spielt die Stimmungsanalyse auch im Coaching von Vertriebsmitarbeiter*innen zur Verbesserung ihrer Gesprächsführung eine große Rolle.
Lead Scoring in der Stimmungsanalyse
Die Stimmungsanalyse kann auch das Interesse potenzieller Kunden durch Lead Scoring messen. Scores werden auf einer Skala von -1 und 1 dargestellt, wobei das untere Ende für negative Antworten steht, während das obere Ende positive Antworten anzeigt.
Markenbeobachtung
Kundenfeedback und Online-Konversationen sind wichtige Aspekte der Markenüberwachung. Abgesehen von den sozialen Medien können Unterhaltungen auch in Nachrichten, auf Websites, in Bewertungsblogs oder in Foren stattfinden. Die Stimmen der Kunden mit Hilfe von Textanalyse und Stimmungsextraktion zu hören, kann helfen, ihre Einstellung zu einem Produkt oder einer Dienstleistung besser zu verstehen.
Monitoring sozialer Medien
Wusstest du, dass jede Minute rund 500.000 Tweets online gehen und diese wertvolle Erkenntnisse über Marken, Produkte und Dienstleistungen enthalten können? Die Twitter-Stimmungsanalyse ermöglicht es Unternehmen, die Emotionen zu extrahieren, die den Gesprächen in den sozialen Medien zugrunde liegen. Sie hilft zu verstehen, wie Menschen über ein Thema sprechen und warum.
Kundenbetreuung
Durch die Überwachung von Marken und sozialen Medien erhalten wir tolle Einblicke in die Stimmung der Kunden. Aber wusstest du auch, dass Stimmungsanalysen in Telefonaten für die Ausrichtung von Marketing, Vertrieb und Kundenerfolg genutzt werden können? Dies ist etwa in Callcentern oder Kundenbetreuungsteams nützlich und üblich. Denn wie wir ja alle wissen: Guter Kundenservice bedeutet meist auch eine höherer Kundenbindung.
Marktforschung durch Twitter-Stimmungsanalyse
Durch eine Stimmungsanalyse von Tweets, die sich auf das Produkt beziehen, lässt sich systematisch eruieren, wie Menschen über das eigene Produkt denken. Finden sie es nützlich? Erfüllt es seinen in der Tat seinen Zweck? Vielleicht sind sie mit dem Preis unzufrieden oder wünschen sich eine neue Funktion.
Solche Erkenntnisse können Unternehmen dabei helfen, ihr Geschäft umzugestalten und verschiedene strategische Maßnahmen zu ergreifen, um etwa:
- neue Kund*innen zu gewinnen;
- wettbewerbsfähiger zu werden;
- die Kundenbetreuung zu reduzieren;
- die Marke rentabler zu machen;
- mehr Dienstleistungen zu verkaufen;
- bestehende Kund*innen zu binden;
- Marketingkampagnen zu verbessern.
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