Stop-Think-Act
Bild: Bodo Antonic, Yucatan

Stop-Think-Act

Mit 13 baute ich mein erstes „Unternehmen“ auf. Das Geschäftsmodell war denkbar einfach. In der heimischen Küche stellte ich - nicht ohne diese optisch zu verwüsten - Popcorn in größeren Mengen her, um diese anschließend, in kleine Tütchen verpackt, zu den Hausmeistern der Ludwigshafener Gymnasien auszufahren und an diese zu verkaufen.

Ebenso mit 13 begann aber auch, sich sowas wie ein politisches Bewusstsein in mir zu entfalten. NATO-Doppelbeschluss, Wackersdorf, Gorleben und eine hochaktive Apo-Szene dominierten den politischen Diskurs – und das, nachdem Deutschland gerade so mit Ach und Krach aus dem deutschen Herbst herausgestolpert war und sich zu Beruhigen begann. Hinzu kamen noch wirtschaftliche Verwerfungen, wie z. B. die der allüberall diskutierte Wegfall an Arbeitsplätzen in der Druckereiindustrie.

Ich empfand Deutschland als taumelndes Land. Sicherlich hätte ich das damals nicht so ausgedrückt, aber die allgegenwärtige Verunsicherung war für mich zu spüren.

Heute geht es mir nicht anders. So ich mich auch nur ansatzweise auf meine Antennen verlassen kann, ist dieses Taumeln auch in den letzten Wochen und Monaten wieder zu verspüren. Strukturen, Kulturen und Traditionen sind massiv in Frage gestellt. G7? Kaffeefahrt für Top-Politiker, die es nicht mehr schaffen, sich an einem Tisch zusammenzufinden und sich auf einen Konsensus zu einigen. NATO? Well, ohne den Warschauer Pakt irgendwie old school, irgendwie des Zwecks beraubt.


Verkehrte Welt - Globus upside down

Dinge, die in meinem Weltbild früher niemals denkbar gewesen wären, dominieren den Nachrichtenalltag. Man liest von Vorgängen, die schwer an Lynchjustiz erinnern; das gibt es einen Brexit und einen Johnson, der POTUS irrlichtert umher, als ob der den Weg in die Nervenheilanstalt vergessen hätte, in Deutschland wird wieder von de facto-Enteignung gefaselt und selbst die größten Unternehmenslenker wollen heute kein Geld mehr verdienen. Alle reden, doch keiner kümmert sich ernsthaft um die naheliegenden, schwergewichtigen Themata (Wirtschaft, Amazonas, Rente).

Und als ob das alles nicht genug wäre: Wo es früher absolut undenkbar war, Judenwitze zu erzählen, aß man zugleich unbekümmert sein Zigeunerschnitzel und verputzte einen Mohrenkopf. Heute – verkehrte Welt – grassieren rassistische Zoten und meiner Meinung nach politisch-überkorrekte Sprachverrenkungen.

Moment erscheint die Welt aus ihren Fugen und es wird Zeit, dass wir, also nicht DIE Politiker, DIE Wirtschaftsbosse, sondern wir, Sie, Du und ich, diese wieder in die Fugen und in ihre Ruhelage zurückbringen.

Als Taucher habe ich schon mehrfach Situationen erlebt, in denen unter Wasser Hektik ausbrach. Ein entspannter Tauchgang wird recht schnell sehr unruhig, wenn auf 30 Meter der Automat abbläst und man droht, in eine ohne-Luft-Situation zu kommen. Auch größere Mengen an Haien oder das tiefe Schwarz einer Höhle, in dem einem die Tauchlampe ausgefallen ist, können so manchen Taucher panisch werden lassen.

In der Wirtschaft sieht dies nicht anders aus. Unerwartete Momente können uns schlagartig stressen. Ich selbst war vor vielen Jahren in der Situation, daß uns als Weltmarktführer ein 6monatiger Lagerbestand eines zentralen Produktbestandteils von der FDA gesperrt wurde und eine weltweite und drastische Unterversorgung der Patienten drohte. Wir gingen auf Matratze und konnten die Situation letztendlich managen; jedoch war Stress und Hochdruck über eine lange Zeit ein täglicher Begleiter.


Wie verhält man sich in solchen Situationen?

Als Taucher durfte ich den Umgang mit Stress und Panik lange vor meinem Eintritt ins Berufsleben erlernen. Von Anfang an wurde mir dabei ein Grundsatz vehement nahegebracht, geradezu eingebläut.

Stop-Think-Act

Mit diesen drei Worten wird dem Taucher drillartig eingetrichtert, im Falle einer sehr hektischen, gar durch Panik zu beschreibenden, Situationen erst einmal sämtliche Handlungen einzustellen, da diese nicht selten die Situation verschlechtern, auf jeden Fall aber sehr viel Luft verbrauchen. Ruhig bleiben, lautet die Devise und den Partner einem helfen lassen.

Ähnlich verfahre ich als Unternehmer. In den Zeiten, in den ungünstige Zustände dazu geeignet wären, in Hektik und Panik zu verfallen, setze ich mich erst einmal hin, hole tief Luft, beruhige mich und denke nach. Ich versuche mir einen Überblick zu verschaffen, vergegenwärtige, daß ich die beste Ausrüstung und den besten Buddy der Welt habe. Meine Ruhe, mein Equipment und mein Partner werden mir helfen. Mein Kopf, meine mentale Stärke und Ausbildung und mein soziales Netz werden mich retten. Das sind die Werte, auf die ich mich immer verlassen kann.

Als Unternehmer oder Interimmanager auf Zeit, der mit Wucht und Wirkung Unternehmen durch die Restrukturierung und Transformation begleiten muss, bedeutet dies für mich, daß ich mich auf äquivalente und bewährte Prinzipien verlassen kann.

Dieser Verlässlichkeit kommt eine enorme, weil Vertrauen aufbauende, Bedeutung zu.

Wenn dein Tauchpartner weiß, wie Du dich in gewissen Situationen verhältst, wenn dein Verhalten berechenbar ist, dann kann und wird er sich auf Dich verlassen. Ebenso: Wenn Dein Tauchpartner weiß, daß Du Probleme im Vorfeld bedenkt und Lösungen für etwaige Problemsituation entwickelst, dann wird er sich auf Dich verlassen. Nicht anders verhält es sich beim Geschäftspartner.

  • Sei ausgebildet und vorbereitet.
  • Verlasse Dich auf deine mentale Stärke und Erfahrung
  • Verlasse Dich auf deine Partner, lasse Dir helfen.
  • Antizipiere zukünftige Probleme.
  • Gib Dir und deinen Partnern Orientierung durch gelebte Werte.

Als gestern Abend – eingedenk der aktuellen weltpolitischen Lage – die „Welt-ist-aus-den-Fugen-geraten“-Welle über meinem Kopf drohte zusammenzubrechen, beschloss ich diesen Artikel zu schreiben. Die Welt mag derzeit in einem windschiefen Fensterrahmen hängen, welcher bedenklich ächzt und kracht. Jedoch haben wir Menschen – kreativ und konstruktiv – die Möglichkeit, Lösung zu finden. Dazu müssen wir uns irres Tun nur für einen kurzen Moment beenden und den alten Tauchergrundsatz Stop-Think-Act beherzigen. Setzen wir uns also hin, lassen den hektischen Marktplatz des Lebens für einen Moment an uns vorüberziehen, achten wir doch bitte nicht auf all diese Krawallmacher, mögen sie nun angebliche Alternativen für Deutschland oder postsozialistische Träumer sein, aus Ungarn, Warschau, London oder Washington kommen. Geben wir denen, die uns als Menschen, Manager und Unternehmer zu destabilisieren drohen, nicht den Raum. Fokussieren wir uns hingegen bitte auf das, was uns wirklich definiert: Unsere Werte, Partner und bewährte Lösungsprinzipien.

Sie und ich sind wirk wirkmächtig. Setzen wir uns hin, halten wir inne, erfreuen wir uns an unserem Atmen und den Gedanken, die einsetzen werden. Und dann, dann handeln wir.


Christine Tapken

Leben ist lernen, lachen und etwas bewegen!

5 Jahre

Blinder Aktionismus hat noch nie geholfen! Danke für die Erdung durch das Taucher-Prinzip. Auch dieses Gefühl des „es gerät gerade die Welt ins Taumeln“ empfinde ich genau so und versuche ebenso in meinem kleinen Bereich das Wertvolle zu finden/beizubehalten!

Zum Anzeigen oder Hinzufügen von Kommentaren einloggen

Ebenfalls angesehen

Themen ansehen