Unternehmervarianten: (Mit-)Haftung des Bauingenieurs?

Entstehen bei Bauprojekten, in welchen Unternehmervarianten (Projekt- oder Herstellungsvarianten) ausgeführt wurden, Schäden, stellt sich jeweils auch die Frage nach einer (Mit-)Haftung des Ingenieurs.

Grundsätzlich haftet der Unternehmer für seine Unternehmervariante. Davon unbesehen kann aber der Ingenieur (solidarisch) mithaften, wenn ihn eine Mitverantwortung trifft.

Die Ordnung SIA 103 (2014) sieht zwar als Grundsatz vor, dass der Bauingenieur Unternehmervarianten nicht überprüfen muss, bzw. dass das fachliche und rechnerische Überprüfen von Unternehmervarianten besonders zu vereinbarende Leistungen sind (und nicht Teil der Grundleistungen).

Dies ist allerdings gleich in mehrfacher Hinsicht einzuschränken:

1. Erkennt der Ingenieur bei der Ausführung seiner Leistungen auch ohne eigentliche Prüfung Unstimmigkeiten oder Mängel einer Unternehmervariante, so hat er diese der Bauherrschaft anzuzeigen und Letztere auf nachteilige Folgen aufmerksam zu machen.
2. Wurde der Ingenieur im (ursprünglichen) Vertrag mit dem Erbringen aller Bauleitungsgrundleistungen beauftragt, kann er sich seiner Haftung wohl nicht entziehen, wenn er diese vertraglich geschuldete Bauleitung in Bezug auf die Unternehmervariante nicht ausübt.
3. Umso mehr gilt dies, wenn der Bauingenieur in die Umsetzung der Unternehmervariante aktiv einbezogen wird, sei es als technische Bauleitung oder als Fachbauleitung (Baukontrolle).

Vor der Ausführung einer Unternehmervariante empfiehlt sich daher für Bauingenieure die Anpassung des Planer-/Bauleitungsvertrages mit einer klaren Abgrenzung der Verantwortlichkeiten und Haftung – sowie gegebenenfalls einer Anpassung der Vergütung.

Michael Wolff, Zollikon, 27.07.2023 (wolffpool.ch)