Wem gehört die Straße? – ein Kampf um jeden Meter
Schon lange wird gerade im Rahmen der Verkehrswende drüber diskutiert, wem welcher Straßenraum zusteht. Dabei gehen die Meinungen nicht nur in der Politik weit auseinander. Dies geht von Verbot von Radwegen hin zu autofreien Städten. Bei der Diskussion geht es jedoch nicht nur um die faktische Platzverteilung, sondern viel mehr um die Sorge, die Individualmobilität zu verlieren. Deutschland ist eine „Autonation“, welche die Verkehrswende verschläft. Mal wieder schaffen wir es nicht, ein Vorreiter zu sein – Elektromobilität lässt grüßen.
Momentan gehört der meiste Raum dem Auto. Dabei ist das Auto nur eine Form der Individualmobilität. Gerade seit den letzten Jahren gibt es immer mehr Lastenräder, Fahrräder und E-Scooter. Nun haben erste Städte wie München, Parkverbotszonen für Scooter eingerichtet und so die Individualmobilität eingeschränkt. Die eigentliche Idee dahinter, die Fußwege wieder für Fußgänger vorzusehen und keine Behinderung zu haben, ist gut. Die Umsetzung ist mal wieder nicht gelungen.
„Mit der neuen Änderung wird der gesamte Bereich innerhalb des Altstadtrings in München zur Parkverbotszone. Dieter Reiter, Oberbürgermeister der Stadt München, sieht die neue Regelung positiv: „Die Situation mit wahllos in der Altstadt abgestellten E-Tretrollern musste dringend verbessert werden. Die neue Regelung soll verhindern, dass E-Tretroller dort abgestellt werden, wo sie Fußgängerinnen und Fußgänger, insbesondere Menschen mit Mobilitätseinschränkungen, behindern oder gar gefährden könnten.““ So berichtet efahrer.com.
Es sollen 43 neue Parkbereiche eingerichtet, wo die Scooter ab demnächst abgestellt werden sollen. Aktuell gibt es nur rund 20 Stück. Im Vergleich dazu gibt es über 70 Parkhäuser in München, neben das man das Auto auch an vielen Stellen an der Straße parken kann. Eine Lösung zu finden, die z. B. die Nutzer bestraft oder die vorhandenen Parkplätze umwidmet, wurde nicht gefunden. Die aktuelle Politik, aber auch unsere breite Mentalität ist die Bestrafungspolitik und nicht die Belohnungspolitik. Eine Fahrt mit dem Scooter könnte ja auch eine Fahrt mit dem Auto ersetzt haben. Dies ist nur eins von vielen Beispielen, welche ich jetzt aufzählen könnte – Klage gegen Pop-up Radwege gibt es auch genug.
Mehr als 20 Stunden stehen unsere Autos auf Ihren Parkplatz und werden nicht bewegt. Sie nehmen Platz weg und sorgen für heißere Städte. In Berlin sind 15 % der Flächen Verkehrsflächen (Straßen-, Schiff- und Flugverkehr, sowie Plätze und Wege. Allein die Standfläche der Kraftfahrzeuge nimmt 8 km2 weg und damit ähnlich viel wie die Gesamtfläche des Schienenverkehrs. Die Gesamtfläche der Kraftfahrzeuge sind 48,2 km2 und der der Fahrräder nur 4,7km2. Dies ist nicht nur in Berlin, sondern in jeder unsere großen Städte in Deutschland so. Dieser Platz könnte anders genutzt werden. Dabei spreche ich nicht von autofreien Städten – diese sind aus meiner Sicht nicht realistisch und nicht nötig.
Empfohlen von LinkedIn
Jedoch sollten wir uns bewusst werden, dass wir jährlich über 70 Milliarden Euro Steuergeld in den Straßenverkehr stecken. Im Straßenbau kann man für dieselben Kosten 2.220 % mehr Radweg als Straße bauen. Auch die Instandhaltungskosten für Radwege bzw. Verkehrswege leichter Mobilität sind deutlich günstiger. Ein Auto wiegt im Schnitt 1.400 kg und bewegt 1,4 Personen. Laut Experten sind so über 20% der Kosten eingespart werden. Kosten, die wir als Bürger zahlen. Neben den Kosten ist es gleichzeitig statistisch erwiesen, dass Fahrräder auf einer Strecke von 10 km das schnellste Verkehrsmittel ist. Gleichzeitig sind 50 % der Fahrten unter 5 km lang und 70 % unter 10 km lang. Sprich, wir fahren meistens unter 10 km, sind damit langsamer als ein Fahrrad und geben dafür deutlich mehr Geld aus.
Städte wie Kopenhagen, Amsterdam und Groningen zeigen, dass es auch anders geht. Dort gibt es andere Verkehrsräume, welche vor allem die leichte Mobilität bevorzugt, aber gleichzeitig auch nicht die Kraftfahrzeuge gefährdet. Auch der ÖPNV kann gerade in Verbindung mit einem 9 € Ticket die Verkehrsbelastung massiv reduzieren. Die CO2-Belastung durch den Verkehr lag 2020 bei 146 Millionen Tonnen CO2. Hier könnten durch Elektromobilität und Verlagerung (Fahrrad, Lastenrad, Scooter, Elektroauto) über 70 % eingespart werden.
Wie könnte eine optimale Straße aussehen?
Die Frage ist nur, wie kann man das alles unter einen Hut bringen? Dies wird nur gehen, wenn die Steh- und Verkehrsflächen der Kraftfahrzeuge eingegrenzt werden. Auch die Kosten für ein klassisches Auto sollte massiv steigen. Autofahren sollte ehr zum Luxus werden und nicht als bequemste Option angesehen werden. Dies geht aber nur, wenn es auch gleichzeitig mehr Verkehrsflächen für leichte Individualmobilität gibt, wo Radfahrer aber auch Scooterfahrer sicher fahren könne, Fußgänger nicht gefährden und gleichzeitig nicht von Kraftfahrzeugen gefährdet werden. Auch die Ladeinfrastruktur muss massiv ausgebaut werden und gerade innerstädtisch auch die Möglichkeit haben, sein Fahrrad oder Lastenrad dort zu laden. Flächen von Parkhäusern sollten Flächen für Fahrräder und Scooter bieten. Parkplätze auf Straßen ausgewiesen werden für leichte Mobilität und dies nicht nur an 3 Stellen alle 10 km, sondern flächendeckend. Vorgesehene Parkplätze für Carsharing und ein massiver Ausbau vom Carsharing könnte auch dazu beitragen. Dabei sollten wir uns ein Beispiel an anderen Städten nehmen und aus deren Erfahrungen lernen und nicht wie oft, einen eigenen Weg gehen.
Zusammengefasst müssen wir uns dringend Gedanken über unsere aktuelle Mobilität machen. Sie ist teuer, dreckig, laut und nicht mehr zeitgerecht. Jedoch dürfen wir bei der Diskussion aus meiner Sicht das Auto nicht verteufeln und Personen, welche auf ein Auto angewiesen sind, nicht ausgrenzen. Wir müssen umdenken.
Freiheit und Demokratie liebender Lehrer, Medien- und Mobilitätsexperte, Geograph, Globale Kohlendioxid-Konzentration im Geburtsjahr 327,46 ppm (2023: 422 ppm)
2 JahreDanke Jonas für Deine Analyse. So lange dem Auto -in der Regel mindestens die zweitbeste Wahl- alle anderen Mobilitätsarten untergeordnet sind wird es mit der #Verkehrswende schwierig. Für bestimmte (wenige) Verwendungszwecke ist das Auto die beste und geeignete Wahl. In den meisten Fällen sind nachhaltigere Arten von A nach B zu kommen besser. Zur Grafik: Von den 33% für zu Fuß Gehende geht sicher noch etliches weg für „geduldetes“ illegales Abstellen von Kfz auf dem Gehweg. Fehlende Abstellmöglichkeiten (v.a. für Lasten-) Räder mindern den Platz für die langsamste, nachhaltigste und vernachlässigste Mobilitätsform weiter. Andere Länder und Städte sind weiter. Lasst uns von allen guten Beispielen lernen, um bessere, lebenswertere, resilientere Städte und Gemeinden zu haben. VCD Bundesverband, VCÖ - Mobilität mit Zukunft, European Cyclists' Federation