#6 Fachkräftemangel und die Rolle des Aufsichtsrats

Die aktuelle Wirtschafts- und Regulierungsumgebung und nicht zuletzt geopolitische Lage stellen eine Vielzahl von Unternehmen vor vielfältige Herausforderungen und Risiken, während einige Branchen von den Entwicklungen profitieren. Jüngstes Gewinnerbeispiel ist der wachsende Rüstungszulieferer Renk, der seit Anfang Februar 2024 zudem im regulierten Markt an der Frankfurter Börse gehandelt wird.

Die erhöhte Nachfrage nach (Rüstungs-)Produkten und anderen wichtigen Zukunftsthemen wie Klimaneutralität, Digitalisierung, Elektromobilität sowie Gesundheitsversorgung haben eines gemeinsam: Die Nachfrage kann nur bedient werden, wenn die der Produktion bzw. Dienstleistungserbringung vor- und nachgelagerten Prozesse angemessen funktionieren. Dafür braucht es Fachkräfte und damit Expertinnen und Experten in allen Bereichen der Unternehmen von der Forschung und Entwicklung über die Produktion bzw. Dienstleistungserbringung bis hin zur Berichterstattung (an den Kapitalmarkt).

Dass der Fachkräftemangel dem Ganzen einen Strich durch die Rechnung macht, zeigen diverse Studien von Instituten, Verbänden und Beratungshäusern (siehe hierzu auch unseren Artikel #5). Das sind alarmierende Entwicklungen (für den Standort Deutschland). In einigen Branchen gleicht der Fachkräftemangel bereits einer tektonischen Verschiebung der Verhältnisse von einem Arbeitergebermarkt zu einem durch Arbeitnehmer dominierten Angebot-Nachfrage-Verhältnis. Die Gesamtsituation wird erwartungsgemäß verschärft, wenn in wenigen Jahren die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer in das Rentenalter eintreten.

Die Beschaffung von Fachkräften ist längst nicht mehr eine operative Aufgabe der Personalabteilungen, sondern bedarf zunehmend einer ganzheitlichen und damit strategischen Betrachtung.

Die Kombination von Fachkräftemangel und allgemeiner Kostensteigerung wird insbesondere dann für Unternehmen problematisch, wenn kein ausreichend qualifiziertes Personal (mehr) zur Verfügung steht, um kritische Betriebsabläufe aufrechtzuerhalten und gleichzeitig die Betriebskosten steigen. Dies kann zu niedrigeren Gewinnmargen, höheren Preisen für Verbraucher und einem Wettbewerbsnachteil im Markt führen. Unternehmen müssen Strategien entwickeln, um diesen Herausforderungen zu begegnen. Mit Blick auf den Fachkräftemangel sind Investitionen in Aus- und Fortbildung, Digitalisierung von Unternehmensprozessen und/oder Anpassung von Arbeits-/(Zeit-)Modellen mögliche, aber längst keine abschließenden Maßnahmen, um den aktuellen Entwicklungen am (Arbeits-)Markt gerecht zu werden.

Aufsichtsräte sind damit umso mehr gefordert, nicht nur ihre Überwachungs-funktion, sondern auch Rolle als kritischer Begleiter der Unternehmensführung wahrzunehmen und sich kontinuierlich mit den vielfältigen Herausforderungen des Fachkräftemangels auseinanderzusetzen:

• Sind bereits Auswirkungen des Fachkräftemangels im Unternehmen erkennbar und welche Schlüsselfunktionen/-positionen sind betroffen?
• Welche Risiken bestehen für die Aufrechterhaltung kritischer Betriebsabläufe, für die Innovationskraft, das Wachstum und folglich Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens?
• Welche Gegenmaßnahmen wurden bereits getroffen und zeigen (unzureichende) Wirksamkeit?

Nicht selten betrifft der Fachkräftemangel auch den Aufsichtsrat selbst. Verfügt das Überwachungsgremium über ausreichend Diversität sowie Expertise für (regulatorische) Hot Topics wie Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Cyber-Sicherheit und vor allem auch im Bereich der HR-Kompetenz?

Praxistipp

Setzen Sie das Personalthema kontinuierlich auf die Aufsichtsratsagenda und diskutieren Sie kurz- bis langfristige Implikationen des Fachkräftemangels sowie notwendige Gegenmaßnahmen. Bei Bedarf kann der Aufsichtsrat auch einzelne Mitglieder als HR-Experten bestimmen oder (temporär) externe Unterstützung einholen, bis die fehlende Kompetenz auf- und ausgebaut ist. 

Ausblick

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Wir freuen uns über Feedback und rege Diskussionen zu den Themen!

Melanie Schunk und Nora Schmidt-Kesseler