Hat sich die menschliche Physiologie grundlegend verändert? - Entwicklung der Trainingsphilosophien im Straßenradsport von Grundlage bis HIIT
Deutschland zu Beginn der 90er. Grundlagentraining lautet das Zauberwort in der Trainingssteuerung. Ein viertel Jahrhundert später ist das HIIT oder auch High Intensity Intervall Training in aller Munde. Auf den ersten Blick könnte der Eindruck entstehen, dass völlig neue Erkenntnisse zur menschlichen Physiologie vorliegen. Nimmt man beide Ansätze etwas genauer unter die Lupe, ergibt sich ein etwas anderes Bild. Beide Trainingsansätze sind vor allem im Zusammenhang mit den Wettkämpfen zu betrachten. Training ist in der Regel eine zielgerichtete Belastung, um sich auf die Rennen vorzubereiten und kann so nie isoliert gesehen werden. Zumindest bei Wettkampfsportlerinnen- und sportlern. Während es für das HIIT Training bisher keine klare Abgrenzung oder Vorgaben gibt, waren diese in den 90er Jahren eindeutig definiert. Auch wenn viele Athletinnen und Athleten zu diesem Zeitpunkt zum ersten mal von K 3 oder Kraft mit Rad Training gehört haben, hat sich dies sehr schnell durchgesetzt. Begriffe wie Entwicklungs- und Spitzenbereich waren ebenfalls schnell ein Begriff. Nur wurden diese manchmal nicht wirklich zielgerichtet eingesetzt. Stand am Sonntag ein 60 Kilometerkriterium auf dem Programm, bestand die Trainingswoche nicht selten aus möglichst vielen ruhigen Kilometern. Dazu wurden einige Spitzen im K 3 oder Entwicklungsbereich eingestreut. Wirklich zufriedenstellend war das Ergebnis nicht. Als Reaktion kam es zu einer weiteren Erhöhung der Umfänge. Die Leistung wurde nicht wirklich besser, die hohe Intensität bei Kriterien oder Rundstreckenrennen aber immer deutlicher wahrnehmbar. Selbst in Straßenrennen fehlte am Ende der Punch. Was lief hier nicht optimal? Der vermeintliche Schlüssel Grundlagentraining wurde doch besonders betont.
Die Frage ist mit einem Blick auf die Trainingskennziffernübersicht für die Männerklasse nach Lindner, relativ leicht zu beantworten. Hier stehen im ersten Männerjahr 15.000 Kilometern im Grundlagenbereich, 5.000 Wettkampfkilometer gegenüber. Dazu kommen noch einmal über 1.000 Kilometer mit höheren Intensitäten wie K 3, Entwicklungs- und Spitzenbereich. 1500 Kilometer im Kompensationsbereich runden die Jahresplanung ab. Damit wird ca. ein Drittel des Jahresumfanges intensiver gefahren, um eine entsprechende Entwicklung zu erreichen. Für berufstätige Sportlerinnen oder Sportler ist ein wöchentlicher Umfang von 350 bis 400 Kilometer enorm viel. Wird dann am Wochenende ein Wettkampf über 60 bis 100 Kilometer mit hohen bis sehr hohen Intensitäten absolviert, kann die Entwicklung schnell in die falsche Richtung gehen. Das Verhältnis von extensiver zu intensiverer Belastung passt nicht mehr. Im fünften Männerjahr bei Lindner stehen 17.500 Grundlagenkilometern im Training, 14.000 im Wettkampf gegenüber. Hier kann jetzt sicher nicht mehr von einem sehr großen Grundlagenanteil gesprochen werden. Die notwendigen hohen Intensitäten für eine entsprechende Entwicklung basieren auf vielen Rennkilometern.
Das HIIT Training selbst ist nicht neu und wird in Deutschland in anderen Sportarten schon länger erfolgreich eingesetzt. In den klassischen Radsportnationen wie Belgien, Frankreich sowie Italien werden Trainingsformen wie 40/20 Intervalle seit Jahrzehnten genutzt. Dabei ist immer zu berücksichtigen, dass die Athletinnen und Athleten im Laufe ihrer Karriere eine enorme Grundlage aufgebaut haben. Auch wenn es selbst bei gesunden Untrainierten zu großen Fortschritten mit High Intensity Interval Training kommt, ist die entsprechende Regenerationsdauer zu berücksichtigen. Da zum Thema Anpassung durch hochintensive Belastungen aktuell eher wenige Langzeitforschungsergebnisse vorliegen, sollte die Entwicklung auf jeden Fall genauer beobachtet werden um Überlastungen zu vermeiden. Höhere Trainingsreize erfordern längere Regenerationszeiten. Letztendlich richten sich die Umfänge und Inhalte nach Trainingsalter, aktueller Form und den Zielen. Umso kürzer und intensiver die Wettkämpfe, desto höher sollte der Anteil hoher Belastungen im Training sein. Der Organismus kann nur das umsetzen was trainiert wurde. Dabei reagiert er sowohl auf Grundlageneinheiten als auch HIIT Training. Am Ende steht wie so oft die richtige Mischung aus extensiver und intensiver Belastung für den Erfolg. Dies kann auch bedeuten, dass bei weniger Wettkampfkilometern die Anzahl der intensiven Trainingskilometer hochgefahren werden sollte. Nur so kann ein leistungsförderndes Gleichgewicht hergestellt werden. Wichtig ist es, das Training durchgehend an Sportlerin und Sportler sowie Wettkampfstruktur anzupassen.
Bereich Betreuung Wirtschaftsbeteiligte Zollamt Österreich | DAUS- Vorsitzender Management ZAÖ und AnEH | GÖD-Vorsitzender LS-Zoll Bgld | Gesundheitsmoderator | Ironman | Rennradfahrer
3 JahreDazu spontan Manfred Munk wer im Wettkampf schnell sein will, muss auch im Training schnell trainieren...wobei sicher zu beachten ist in welchem Bereich (vom Einsteiger bis zum Profi) der Sportler einzuordnen ist... Grundsätzlich finde ich persönlich die Herangehensweise nach dem 80/20 Prinzip als sehr gut geeignet... Wobei um auf die Frage nach der menschlichen Physiologie zurück zu kommen, diese tendenziell gleich geblieben ist, aber die Herangehensweise im Training sich sicher geändert hat...toller Beitrag👌