Familienunternehmen, nein Danke? Ein Fehler!
Diese Zahlen beeindrucken: börsennotiere Familienunternehmen haben ihren Umsatz zwischen 2009 und 2018 um 122 Prozent gesteigert. Firmen in Investorenhand steigerten sich dagegen nur um 50 Prozent. „Je stärker der Familieneinfluss auf das Unternehmen, desto höher ist die operative Performance.“, heißt es in einer gestern vorgestellten Studie der TU München von u.a. Wirtschaftsprofessorin Ann-Kristin Achleitner. Co-Autor Christoph Kaserer begründet die Ergebnisse mit einem Kontrollproblem in nicht-familiengeführten AGs so:
Erfolg durch Ankeraktionäre
„ Es gibt eben typischerweise keinen Aktionär, der hinreichend viele Unternehmensanteile hält, damit es sich für ihn lohnt, diese Kontrolle auszuüben. Und das ist bei Familienunternehmen anders. Dort gibt es diesen Ankeraktionär, nämlich die Familie, die alles Interesse daran hat, dass das Unternehmen profitabel ist und überlebt.“
In Familienunternehmen ist die Geschäftsführung meist sehr stark ins operative Geschäft eingebunden und mischt sich ein. Manchmal geht dieses Verhalten bis ins Micro Controlling hinein, was als kontraproduktiv gilt. Aber ist das tatsächlich so? Einerseits macht es dieser Umstand, Mitarbeitern oder von extern kommenden Führungspersonen, sehr schwer. Andererseits scheint der Führungsstil in der Regel sehr gut zu funktionieren, wie die Studie zeigt. Oftmals kennen die Familienunternehmer die Firma von der Pike auf. Sie kennen den Maschinenraum und profitieren von dem Wissen mehrerer Generationen vor ihnen. Die Gretchenfrage lautet daher auch hier: wie stark müssen die eigenen Leute befähigt werden, um skalierfähig zu sein und wie stark muss oder darf sich in das operative Geschäft eingemischt werden?
So viel Kontrolle wie nötig und so wenig wie möglich
Die Antwort lautet: So viel wie nötig, und so wenig wie möglich. Natürlich lässt diese Aussage großen Interpretationsspielraum dahingehend, wie viel Einmischung wirklich nötig ist. Es gibt Unternehmenslenker, die es mit ihrem Kontrollzwang übertreiben und so der Organisation letztlich schaden. Hier gilt es, für Kritik, divergierende Perspektiven und Lösungsansätze zumindest offen zu sein und sie in Betracht zu ziehen. Werden frische Ideen, unkonventionelle Lösungen per se abgeschmettert, ist ein Zusammenarbeiten, ist Innovation nicht möglich.
Das Unternehmen als Lebensaufgabe und Lebenswerk
In Familienclans wie etwa bei Sixt, HRS oder Conrad haben alle mind. einen starken Kopf an der Spitze. Böse Zungen beschreiben sie abfällig als Patriarchen, Anhänger einer längst überholten Führungskultur in Unternehmen. Diese Beschreibungen implizieren ein enges Führungskorsett, es hängt ihnen etwas Diktatorisches an, etwas Missbilligendes. Nicht zuletzt deswegen höre ich im Zuge meiner Arbeit oft Sätze wie „Familienunternehmen? Nein, danke!“. Es sei schwierig für sie zu arbeiten. Die Fluktuation sei hoch. Externe Manager nähmen scharenweise Reißaus, weil man an der Familie abpralle wie an einer Betonwand, so die Annahme. Das kann vereinzelt zutreffen. Doch die Wahrheit ist: die Fluktuation in Familienunternehmen ist durchschnittlich niedriger als in Unternehmen in Streubesitz. Die Geschäftsführer und Vorstände von Familienunternehmen bleiben durchschnittlich 8,3 Jahre im Amt. Dem steht ein Durchschnittswert von 6,2 Jahren für die Vorstände in nicht-familiengeführten Unternehmen gegenüber*. Auch das Recruiting gestaltet sich oftmals effizienter als in anderen Unternehmen, weil jede neue Führungspersönlichkeit von der Familie abgesegnet wird und alle Beteiligten so sehr genau wissen, wen sie bekommen werden. Es gibt weniger Überraschungen. Weil Familienunternehmen klare Werte haben, weil die Firma eben mehr ist als ein Job. Sie ist ein Lebenswerk mit großer persönlicher und ideeller Bedeutung für die Familie. Ein ähnliches Phänomen sehe ich bei Gründern. Auch in den früheren Startups, die heute außergewöhnlich erfolgreich sind, Zalando beispielsweise, steckt das gesamte Herzblut der Macher. Auch sie-obwohl aus dem Startup-Kosmos stammend, stecken noch tief im operativen Geschäft und schalten sich oftmals ein.
Aus dieser Bedeutungsmacht der Organisation für den Unternehmenslenker resultiert ein massiv hoher Anspruch an die Mitarbeiter, der in der Regel sehr klar und von Anfang an kommuniziert wird. Alexander Sixt sagte es einmal so schön:
„Man sollte nicht nur Spaß bei der Arbeit, sondern man sollte auch Spaß an Arbeit haben.“
Recht hat er!
* "Die Verweildauer des Managements von Familienunternehmen und Unternehmen im Streubesitz", Studie der Universität Mannheim, Institut für Mittelstandsforschung, i.A. Stiftung Familienunternehmen, München 2010
Exzellenz durch Engagement
5 JahreIch halte es für ein gängiges Vorurteil, dass Familienunternehmen patriarchalisch und mittels eines völlig veralteten Führungsstils geführt werden. Ich erlebe eher eine Nähe zu den Mitarbeitern, eine durch gute und schlechte Zeiten gewachsene Beziehung, in der sich Chef und Mitarbeiter gleichsam als Unternehmer und für das Unternehmen verantwortlich sehen. Diese Einstellung und diesen Einsatz kann man weder kaufen noch ausbilden (lassen). Es ist das Ergebnis jahrelang gemeinsam (teilweise unbewusst)entwickelter, gewachsener gemeinsamer Vision und Unternehmensphilosphie. Daran scheitert meines Erachtens auch so manche Übergabe an die 2. oder 3. Generation, das gemeinsam Erarbeitete, Erlebte und Verbindende fällt weg. Fachlich ersetzbar ist jeder. "Den" Menschen kann man nicht ersetzen, denn jeder von uns einzigartig.
Ohne die wäre es ziemlich dunkel am Horizont.