Grenzen setzen beim Training in der Gruppe
(Dieser Beitrag erschien in meiner Kolumne in der NZZ am Sonntag)
Im Frühling scheinen viele Läufer wie aus dem Winterschlaf zu erwachen und sind wieder regelmässig in Laufgruppen anzutreffen. In Fitnesszentren lassen sich Sportfans das ganze Jahr zu lauter Musik und passenden Beats in der Gruppe zu Höchstleistungen antreiben. Gemeinsamer Sport hat viele positive Seiten, wie etwa der soziale Kontakt und das Gefühl von Verbundenheit, was zu den menschlichen Grundbedürfnissen zählt.
Vielleicht haben Sie aber auch schon die Erfahrung gemacht, sich in solchen Trainingseinheiten mit anderen besonders zu verausgaben? Ein roter Kopf beim Duschen, zu hohe Pulsbereiche bei der Trainingsauswertung oder Muskelkater am Folgetag – kennen Sie das?
Erklären lässt sich dieses Phänomen mit dem Stichwort soziale Anerkennung: Sich in Anwesenheit von anderen besonders anstrengen und sich dadurch einen gewissen Status erarbeiten; oder sich besonders anstrengen, um nicht negativ aufzufallen. Zusätzlich ist entscheidend, welche Normen im jeweiligen Umfeld herrschen. Mottos wie «Wir sind die Besten» oder «Je härter, desto besser» verstärken das Verhalten, sich in der Gruppe bis über die eigenen Grenzen hinaus anzustrengen. In vielen Fällen ist ein intensives Training hie und da nicht schädlich, sondern gibt dem Körper einen entsprechenden Trainingsreiz. Kommt dies jedoch häufig vor, oder Sie fühlen sich nach dem Training schlecht, können Sie folgende Tipps ausprobieren:
In der Regel erläutert die Leitung zu Beginn das Ziel des Trainings. Falls nicht, fragen Sie nach, und erkundigen Sie sich nach Varianten wie Abkürzungen oder weniger Gewichte. Setzen Sie sich persönliche Ziele vor dem Training, etwa ein regelmässiger Blick auf die Pulsuhr, stets noch sprechen können, Pausen oder Streckenabschnitte nutzen, um bewusst auf die Atmung zu achten oder zu trinken. Zudem könnte ein Leitsatz wie «Ich respektiere meine Grenzen» helfen, den vorherrschen- den Normen entgegenzuhalten. Fordern Sie nur so viel von sich, wie es Ihrem Trainingsstand entspricht.
Und falls Sie zu jenen gehören, die sich vielleicht aus Scham erst gar nicht auf ein Training in der Gruppe einlassen: Versuchen Sie es trotzdem! Konzentrieren Sie sich auf sich selber. Und lachen Sie ruhig auch einmal über sich. Denn jeder hadert mit seinen Problemen, und verloren hat nur, wer sich unnötig selber limitiert.