Happy Pride! Oder ist es aktuell gar nicht so happy?
Es ist wieder Pride-Month und die Fahnen werden wieder fleißig gezeigt. Jedoch sollten wir in diesem Pride-Month genauer hinsehen, ob es sich um Pinkwashing oder um ernst gemeinte Unterstützung für die LGBTQ+-Community handelt. Unternehmen schmücken sich gerade im Pride-Month gerne mit der Flagge. Aber was wir brauchen sind echte Unterstützung und ehrlich gemeintes Engagement.
Die Community ist weit gekommen, hat hart gekämpft und viel ertragen müssen. Nicht überall auf der Welt gibt es diese Fortschritte. Noch heute sehen mit Brunei, Iran, Jemen, Mauretanien, Nigeria und Saudi-Arabien sechs Länder für homosexuelle Handlungen die Todesstrafe vor. In fünf weiteren (Afghanistan, Pakistan, Katar, Somalia und die Vereinigten Arabischen Emirate) könnte die Todesstrafe unter bestimmten Bedingungen gegen Homosexuelle ausgesprochen werden.
Da sind viele andere Länder zum Glück schon viel weiter. Aber leider wird dieser Fortschritt im Jahr 2023 wieder sukzessive in Frage gestellt und zurückgedrängt.
In den USA radikalisieren sich rechte gegen die LGBTQ+-Community, der Staat Tennessee verbietet Drag-Shows in der Öffentlichkeit, weil es angeblich das Wohl der Kinder gefährdet.
Eine Kunstform gefährdet also Kinder? Führt das nicht etwas zu weit? Es ist ja nicht so, dass jede Person seine Kinder täglich mit dieser Form von Kunst beschallen muss…
Im US Bundesstaat Florida darf seit 2023 nicht mehr über sexuelle Orientierung im Unterricht gesprochen werden.
What? Es gibt also nur das Bienchen und das Blümchen? Nach meiner Einschätzung ist das sehr falsch. LGBTQ+-Kinder bekommen das Gefühl „nicht normal“ zu sein und alle andere bekommen ein Weltbild aus vergangenen Zeiten, das längst überholt ist. Zu Bildung gehört für mich auch Aufklärung und das Wissen über andere Lebensformen und Kulturen.
In Uganda gibt es die Todesstrafe für „schwere Homosexualität“ und Personen oder Gruppen, die sich für homosexuelle Personen einsetzen, wie etwa LGBTQ-Aktivistengruppen, drohen bis zu 20 Jahren Haft.
2021 ist die Türkei aus den Istanbul-Konventionen zur Verhinderung von Gewalt gegen Frauen ausgetreten. Den Austritt rechtfertigte die Regierung etwa damit, dass das Abkommen Homosexualität normalisiere.
Erdogan, seine regierende AKP sowie ihr Partner, die ultranationalistische MHP, tragen ihre homo- und transfeindliche Gesinnung offen zur Schau und finden damit Anklang in ultrakonservativen Wählerkreisen. Tausende im Land gingen 2022 auf die Straße, um ihre Ablehnung der LGBTQ-Community zu demonstrieren. Auch bei den Wahlen 2023 machte Erdogan gegen die LGBTQ-Community Stimmung und sagte seine Regierung werde "aktiv gegen perverse Tendenzen wie LGBT vorgehen".
Ist dieser Angriff auf die LGBTQ-Community nicht auch ein Angriff auf Frauenrechte? Die Entwicklungen in der Welt gehen uns alle an. Denn an vielen Stellen könnten Sie nur der erste Schritt zurück in alle Rollenbilder sein und viele weitere Rückschritte könnten folgen…
Wir in der Europäischen Union waren auch schon mal weiter als wir es heute sind. Auch bei uns in Europa gibt es Bewegungen, die kritisch zu bewerten sind. So beispielsweise in Polen... Die Polen gingen erst vor, dann zurück.
Die LGBT+-Thematik wurde auf der kommunalen und regionalen Ebene zum ersten Mal auf die politische Agenda gebracht, als Warschaus Stadtpräsident am 18. Februar 2019 die LGBT+-Resolution für Warschau unterschrieb, welche mehrere Punkte zum Kampf gegen die Diskriminierung der LGBT+-Community enthält. Darunter fallen zum Beispiel Sexualkunde und Antidiskriminierungserziehung in der Schule sowie sichere Treffpunkte für LGBT+-Personen.
Darauf folgten Schritte von den Kommunen und Regionalparlamenten, die sich dagegen wehren wollten. So wurde die erste Resolution gegen die „LGBT-Ideologie“ am 26. Mai 2019 im Landkreis Świdnik (Woiwodschaft Lublin) verabschiedet und die erste Kommunale Charta der Familienrechte am 26. April 2019 im Landkreis Łowicz (Woiwodschaft Lodz). In der Diskussion um die Maßnahmen, die gegen die LGBT+-Community ergriffen wurden, handelt es sich also um zwei Arten von Dokumenten.
Die Kernaussage bleibt jedoch im Grunde die gleiche: Die jeweilige Kommune, Stadt oder Region soll nicht von der „LGBT-Ideologie“ beeinflusst werden, damit Kinder in der Schule vor der aufgezwungenen politischen Korrektheit und der „Frühsexualisierung“ nach den Standards der Weltgesundheitsorganisation (wie die Sexualaufklärung von ihren Gegnern genannt wird) geschützt werden. Außerdem sollen Lehrkräfte und andere Personen in diesem Berufskreis nicht unter der „politischen Korrektheit“ leiden, die in den Resolutionen teilweise als „Homopropaganda“ bezeichnet wird.
Auch in Ungarn gilt, erst vor, dann zurück…
Ungarn war einst eines der liberalsten Länder in der Region. Homosexualität wurde bereits Anfang der 1960er Jahre entkriminalisiert, gleichgeschlechtliche Partnerschaften wurden 1996 anerkannt. Doch seit 2018 drängt der rechtspopulitische Ministerpräsident Viktor Orbán, der sein Land als „christliches Bollwerk“ in Europa sieht, mit immer schärferen Gesetzen Freiheiten zurück. Seit 2021 ist es verboten, mit Minderjährigen über Homosexualität oder Geschlechtsangleichungen zu sprechen. 2023 wurde ein umstrittenes Gesetz verabschiedet, das anonyme Meldungen gegen gleichgeschlechtliche Paare mit Kindern erlaubt.
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Zwar ist die Situation bei uns in Deutschland besser, aber wie lange dieser Frieden währt? Die Rechten gewinnen an Zuspruch, LGBTQ+-feindlichkeit nimmt zu.
2022 ist die registrierte Zahl der Angriffe gegen queere Menschen weiter angestiegen. Über 1.400 Staftaten im vergangenen Jahr bei denen die Dunkelziffer jedoch deutlich höher liegt. Beleidigungen, Drohungen und Ausgrenzungen gibt es auch in Deutschland täglich.
Wir sollten den Pride-Month also auch nutzen, um für unsere Freiheit und Werte zu kämpfen. Wir sollten uns vor, neben und hinter die LGBTQ+-Community stellen. Für sie einstehen und unsere Stimmen erheben.
Immer wieder höre ich, dass das Thema „en vogue“ sei oder nur eine Modeerscheinung.
Aber seit wann sind Grundrechte wie Freiheit und körperliche Unversehrtheit eine Modeerscheinung? Nur weil andere Lebensmodelle nicht in die Welt der Konservativen passen?
Ich glaube hinter all dem Hass steht auch ein bisschen die Angst der Konservative selbst weniger Privilegien zu haben, wenn alle gleichgestellt sind und selbst zu Außenseitern und einer Minderheit zu werden, wenn diese Meinung nicht mehr Gesellschaftsfähig ist.
Aber warum muss das so? Können wir uns nicht alle akzeptieren wie wir sind und gewalt- und diskriminierungsfrei mit unterschiedlichen Lebensentwürfen miteinander leben?
Niemand muss Trans* oder Homosexuell werden. Aber warum darf es nicht jeder?
Genau darüber sollten wir aktuell nachdenken. Und genau dafür sollten wir im Pride-Month, aber auch an jedem anderen Tag, kämpfen und einstehen.
Es geht am Ende um die Freiheit und den Frieden aller! Den LGBTQ+-Rechte einzuschränken kann nur der Anfang sein. Wir haben in der Welt nun oft genug gesehen und erlebt, dass Dinge in kleinen Konflikten anfangen und dann zu ganzen Kriegen ausarten können…
In diesem Sinne: Everyone is awesome! Everyone is lovely! Love is love!
Happy Pride!
Erklärung zur Progress-Pride-Flagge
Im Jahr 1978 entstand von G. Baker in San Francisco die Pride Flagge. Laut ihm steht die Farbe Rot in der Fahne für Leben, Orange für Gesundheit, Gelb für die Sonne, Grün für die Natur, Blau für Harmonie und Violett für den Geist.
Im Jahr 2018 entwickelte D. Qasar die Progress-Pride-Flagge. Mit der Erweiterung der Flagge möchte Qasar einerseits den Fortschritt würdigen, den es bereits im Kampf gegen Unterdrückungsmechanismen gibt. Andererseits möchte er* zu noch mehr Fortschritt und inklusiven Lösungen aufrufen.
Qasar fügte der Regenbogenfahne fünf weitere Farben hinzu, die als dreieckig geformte Pfeile im linken Teil der Flagge angeordnet sind. Die schwarzen und braunen Pfeile stehen dabei für queere Schwarze und People of Color und setzen ein Zeichen im Kampf gegen Rassismus. Zudem fügte er die Farben Weiß, Hellblau und Rosa hinzu. Dabei handelt es sich um die Farben der Trans*flagge.
Auch von der Progress-Pride-Flagge gibt es bereits eine neue Variante: Progess-Pride-Flagge wurde von V. Vecchiettei mit der Intersex-Fahne verbunden. Die Intersex-Flagge ist gelb und hat in der Mitte einen lila gefärbten Kreis. Das Intersex-Symbol soll dabei vor allem auf den Kampf von Inter-Personen um das Recht auf körperliche Unversehrtheit aufmerksam machen.
So kommen intersexuelle Menschen mit Geschlechtsorganen auf die Welt, die nicht eindeutig als weiblich oder männlich klassifiziert werden können. In der Medizin zählt dies oft immer noch als „Störung“ oder „Syndrom“. Das führt dazu, dass Mediziner:innen intersexuelle Kinder nach der Geburt teilweise operieren oder ihnen Medikamente verabreichen, um sie dem vorherrschenden binären Geschlechtersystem anzupassen. Die Progress-Pride-Flagge mit dem Intersex-Symbol verschafft dieser Unterdrückung Sichtbarkeit. Sie ist zwar noch selten zu finden, ist in der queeren Community jedoch bereits offiziell anerkannt.
Erleben - Verstehen - Verändern • Politikwissenschaftler • Inhaber von Elementartraining • Initiator von Gemeinsam für Demokratie
1 JahrIm Pride-Month die Regenbogenfahne zu schwingen ist ein Statement. Ein wichtiges! Um Haltung zu zeigen, ist es jedoch elementar, der LGBTIQ+-Community konstant als Ally verbunden zu sein und dies zu zeigen. In Worten und Taten. Jeden Monat. In jedem Moment.
Journalist @dpa | 🏳️🌈 DEIB Advocate ♀️ | Tekken Brawler
1 JahrGenau - dieses Jahr sollten wir mit ein bisschen mehr "Schattierungen" den Pride Month zelebrieren. Oder einfach tiefgründiger. Eine Sensibilisierung der Straight Allies ist ebenso immer wichtiger!