Mit „Grünem Wachstum“ den Klimawandel stoppen
Oder: Warum die Kriegswirtschaft in die Klimakatastrophe führt - 5 Fragen an unseren Autor Dr. Hans-Jörg Naumer
Lieber Herr Dr. Naumer, Sie beschäftigen sich als Ökonom intensiv damit, wie man mit ökonomischen Methoden dem Klimawandel begegnen kann. Warum ist Ihnen dieses Thema so wichtig?
Was mich dabei umtreibt ist, dass der Klimawandel leider weiter an Aktualität und Dringlichkeit gewonnen hat. Die Wetterphänomene der jüngeren Zeit erinnern uns ganz bitter daran. Gleichzeitig sind wir bei der Verringerung des Treibhausgasausstoßes global nicht weitergekommen. Wir brauchen also Lösungen. Auf das Lastenfahrrad umzusteigen, keine Inlandsflüge mehr vorzunehmen und ein Tempolimit einzuführen o.ä. wird nicht reichen. Im Gesamtkontext sind das nur Marginalien. Wir brauchen am Ende die Netto-Null bei den Klimagasemissionen – und das weltweit! Wir benötigen einen konsequenten Umbau der Wirtschaft hin zum nachhaltigen – zum „grünen“ Wachstum. D.h. nichts anderes, als dass die Weltwirtschaft die Netto-Null bei den Treibhausgasemissionen umsetzen muss.
Mit dem Thema „Wachstum“ lehnen Sie sich ja sehr bewusst gegen den Wind von „Degrowth“- und Post-Wachstums-Paradigmen. Ist von diesen Ideen nichts zu erhoffen?
Um nicht falsch verstanden zu werden: Ressourcenschonendes, nachhaltiges Leben halte ich für sehr wichtig und gut. Wir versuchen das als Familie auch selbst zu leben. Wir müssen die Herausforderung aber konsequent durchdenken, da die Weltbevölkerung immer weiter zunimmt und Wachstum damit quasi nicht aufzuhalten ist. Die Vereinten Nationen schätzen, dass die Weltbevölkerung bis zum Jahr 2100 von 8 Mrd. auf dann 10,4 Mrd. Menschen wachsen wird (Abbildung 1). Wir können gar nicht so viel schrumpfen, um die Bedürfnisse dieser Menschen auch nur ansatzweise zu erfüllen.
Die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen erinnern uns daran, dass der Kampf gegen Hunger und Armut weitergeführt werden muss. Bei der Armutsbekämpfung ist zwar schon viel erreicht worden, wie es sich z.B. beim Anteil der weltweit in absoluter Armut lebenden Menschen zeigt, aber wir sind noch längst nicht am Ziel. Wenn wir die 17 Nachhaltigkeitsziele nehmen, haben wir bisher weniger als ein Fünftel der Zielerreichung geschafft, aber bereits Halbzeit auf der Strecke erreicht. Wachstum ist für mich daher keine Frage des „Ob“ sondern des „Wie“.
Dann verraten Sie uns „wie“.
Wir brauchen Innovationen und eine Marktwirtschaft, die den Wettbewerb um die besten und effizientesten Lösungen antreibt. Zum Wettbewerb gehört klassisch die Lenkungsfunktion der Preise. Die Preise müssen auch im Sinne der Nachhaltigkeit „effizient“ sein – also die Kosten des Treibhausgasausstoßes enthalten. Dabei bestimmt der Staat die Quantität des Ausstoßes und die Zeitdauer, bis diese auf Null zurückgeführt werden müssen. Der Markt bestimmt den Preis. Das EU-Emission Trading System (ETS) ist der Ansatz dafür. Ich bin ein großer Fan davon, und wundere, ja ärgere mich darüber, dass dessen Erweiterung zum ETS 2 kaum zur Kenntnis genommen wird, ebenso wenig wie die Ansätze zum Klimaclub. Wenn die G 7 das ETS als Nukleus für eine globale Lösung sehen, sollten wir das genauestens verfolgen. Wir werden es nur mit einem marktwirtschaftlichen System schaffen, nicht anders!
So dezidiert marktwirtschaftliches hört man selten in der Klimadebatte. Da wurde ja schon „Das Ende des Kapitalismus“ ausgerufen.
Hoffentlich existiert der „Kapitalismus“ noch lange – eingebettet in das Wettbewerbs- und Sozialgefüge unserer Sozialen Marktwirtschaft. Ernsthaft: Das Ende der Marktwirtschaft wäre der Beginn der Klimakatastrophe. Wirtschaft ist kein System wie in dem Film „Moderne Zeiten“, bei dem der Staat die Produktion vorgibt und sich dann alle Rädchen in die richtige Richtung drehen. Niemand hat die Information, um alle Entscheidungen für eine Dekarbonisierung unserer Wirtschaft – genauer ja sogar: der Weltwirtschaft – vorzugeben. Wir brauchen Wettbewerb, wir brauchen Innovationen statt einer Anmaßung von Herrschaftswissen.
Im Kern soll mit dem „Ende des Kapitalismus“ die Kriegswirtschaft eingeführt werden, was de facto eine Planwirtschaft ist. Das ist nicht neu. Denken wir nur an die DDR. Dort war der Ausstoß an Treibhausgasen pro-Kopf ca. doppelt so hoch wie in der Bundesrepublik. Wer den Weg der Kriegswirtschaft, respektive Planwirtschaft geht, läuft Gefahr, am Ende nicht nur zur Klimakatastrophe beizutragen, sondern die Demokratie selbst zu beschädigen. Nach all‘ den Diskussionen fühle ich mich geradezu gezwungen, mich mit diesen Ideen auseinanderzusetzen.
Empfohlen von LinkedIn
Eines ist sicher: Wir werden für die Dekarbonisierung Geld benötigen. Woher nehmen wir das?
Wichtig zu verstehen ist, dass der Löwenanteil für diese Transformation von den Unternehmen in Form von Investitionen gestemmt wird. An diesen Investitionen können sich auch Privatleute über ihre Kapitalanlage beteiligen.
Geld ist zur Genüge da. Dazu kommt, dass die Anlagegelder von institutionellen, wie von privaten Investoren immer stärker auf Nachhaltigkeit umgestellt werden. Beispiel: Die über 4.000 Unterzeichner der PRI-Initiative („UN Principles for Responsible Investment“, unterschrieben von Asset Managern, Pensionsfonds, Versicherungen) verwalten zusammen mehr als 120 Billionen US-Dollar. Diese Kapitalsammelstellen haben sich verpflichtet, ihren Investitionsentscheidungen die Nachhaltigkeits-Kriterien „ESG“ zugrunde zu legen. Auch die Banken und Sparkassen müssen jetzt bei jedem Beratungsgespräch die Nachhaltigkeitspräferenzen der Anleger abfragen.
Das Schöne dabei ist, dass Gutes tun und in Nachhaltigkeit zu investieren der Rendite nicht abträglich sein muss, wie eine Fülle akademischer Studien beweist. Abbildung 2 zeigt das Ergebnis für mehr als 1.000 Studien. Nur ein kleinerer Teil kommt zu einem negativen Ergebnis. Ich nenne das „Finance for Future“.
Das Buch
Der Autor
Dr. Hans-Jörg Naumer leitet seit 2000 Capital Markets & Thematic Research bei Allianz Global Investors. „Investieren für eine bessere Welt“ ist die Hauptmotivation seiner Studien, mit denen der Finanz- und Wirtschaftsexperte weltweit professionelle wie private Anleger erreicht. Früh hat er sich deshalb den Themenkomplexen Ungleichheit und Vermögensbildung sowie dem Klimawandel angenommen. Er ist Mitglied im erweiterten Lenkungsausschuss von SDSN Germany.