Oh, Lord, gib mir die Language back!
Unique? Munique? Hm. Ausriss aus dem Zürcher "Tages-Anzeiger".

Oh, Lord, gib mir die Language back!

Flat Tax, Lifestyle, Sale; Fair Trade, Ticket, Event: Die deutsche Sprache strotzt vor englischen Begriffen. Dabei ist Englisch äh ... out.

Eines Nachmittags klingelte es an der Tür. Die Nachbarin kam zum Kaffee, ein Heftchen in der Hand. Während die Kaffeemaschine schnorchelte, streckte sie mir das Heft hin, tippte auf das Kreuzworträtsel und sagte: «Etwas stimmt nicht.» Ich guckte mir das Rätsel an. Die eine Frage lautete: «Eins auf Englisch.» Sie hatte hingeschrieben: WAN.

Diese kurze Begegnung kam mir in den Sinn, als ein Leser in einem Brief bat, die Redaktion möge doch bitte hinter Begriffen wie «Flat Tax» die deutsche Erklärung abdrucken. Der Mann hat recht. Und nicht nur das: Ein Leser sollte nicht darum bitten müssen, dass er versteht, was man ihm sagen will: Einheitssteuer oder Pauschalsteuer. (Übrigens auch nicht gerade bekömmliche Wörter.)

Wir sitzen alle happy am Desk.

Dass sich nur wenige Leute für ihre (deutsche) Sprache wehren, ist verständlich. Wer gibt schon gerne zu, dass er kein Englisch versteht, wo doch angeblich alle happy am Desk sitzen, im Internet surfen und ihre Mails checken?

Zur Sprache, die wir im persönlichen Umgang pflegen, möchte ich mich nicht äussern. Es ist jedem und jeder selber überlassen, ein Ticket zu lösen statt ein Billett oder eine Fahrkarte. Und wer will, soll einen Event besuchen statt einen Anlass.


Munich? Surick? Zürick? Flughafen Zürich. Bildschirmfoto.

Auch wende ich mich nicht grundsätzlich gegen den Import von Begriffen aus anderen Sprachen. Wie könnte ich auch: Ich sitze wie gewohnt im Restaurant, bestelle ein Steak vom Grill oder esse einen Teller Ravioli. Danach gehe ich ins Training oder besuche eine Party – alles Begriffe, die längst zu unserem Sprachgebrauch gehören, auch wenn sich nicht alle der deutschen Rechtschreibung und Zunge fügen.

Einflüsse anderer Sprachen hat es immer gegeben. Vor ein paar Jahrhunderten fanden wir Deutschsprachigen das Latein prima, später war das Französische en vogue, heute ist das Englische oder Amerikanische in. Daran wird sich nichts ändern, und das ist für die Umgangssprache durchaus in Ordnung.

Sind wir unterwürfige Habenichtse? Nöd wüki.

Aber was den öffentlichen Bereich betrifft: Ohne Widerstand ersetzt jeden Tag eine weitere Organisation ein deutsches Wort durch einen Begriff aus dem angelsächsischen Raum – ungeachtet, ob die Schweizer diese Sprache verstehen.

Die Schweizerischen Bundesbahnen etwa nennen einen grossen Bahnhof «RailCity». Der Flughafen Kloten möchte gerne «Unique» heissen, und die Eidgenössische Technische Hochschule fühlt sich als «Science City».

Vielleicht ist der Beizug des Englischen ein hilfloser Versuch, es allen recht zu machen – den Einheimischen mit ihren mehreren Landessprachen wie den Touristen, die man Englisch anspricht. Vermutlich hat die Namensgebung viel Geld gekostet und Beratern wie Grafikern Arbeit verschafft.

Wenn Schweizer Firmen einen "Collatoral Manager".

Nur: Wer einer Institution, die tief im gesellschaftlichen Bewusstsein verankert ist, einen englischen Namen aufpropft, frustriert viele, weil sie nicht mehr Teil sind. Denn, wer kein Englisch spricht, wird nicht angesprochen. Ob «RailCity», «Unique» oder «Science City»: Alle drei wirken anbiedernd und devot. Wir sind doch keine Habenichtse, die ihre Sprache und damit ihre Identität aufgeben müssen!?

Nicht nur öffentliche Organisationen, auch private Firmen trumpfen gerne mit Englisch auf. Der Grossverteiler Migros, der schweizerischer nicht sein könnte und seine Produkte grundsätzlich mehrsprachig anschreibt, sucht in Zeitungsanzeigen einen «Category Field Manager», also einen Mitarbeiter im Aussendienst.

Die Stromfirma Atel wünscht sich einen «Collateral Manager». Kriegstreiber müssen sich nicht bewerben – ein «Collateral Manager» beschäftigt sich in der Regel mit der Sicherheit, nicht mit Kollateralschäden, die durch Minen und Bomben entstanden sind.

Mehrere Schweizer Firmen würden einen «Sales Representative» anstellen. Früher hiess der Beruf Vertreter, und es ist kaum anzunehmen, dass sich am Berufsbild etwas geändert hat.

Je globaler, desto gefühlloser.

Das gilt auch für den «Facility Manager», den Hauswart. Wer sich über die Sprachverhunzung beklagen will, landet in der Warteschlaufe eines «Call Centers», einst Telefonzentrale, und wird von einem «Call Center Agent», einem Telefonisten, abgewimmelt.

Man kann nur vermuten, dass der Vertreter lieber kein Vertreter wäre und die Telefonistin lieber keine Telefonistin. Oder dass die Firmen den Lohn auf tiefem Niveau belassen – und stattdessen die Position aufhübschen mit einer Bezeichnung, die edler klingen soll.

Doch bleibt ein Hoffnungsschimmer. Die Werber, die einst gerne mit Englisch protzten, halten sich seit kurzem deutlich zurück. Sie hatten feststellen müssen, dass auch einfachste englische Werbesprüche vom gemeinen deutschsprachigen Volk nicht verstanden wurden.

It goes me on the Geist.

Je globaler sich eine Firma aufführt und darum gerne mit Englisch wirbt, desto gefühlloser reagieren die Konsumenten – weil Sprache der Schlüssel zu einem Volk ist.

Dass man dem Sprachwirrwarr auch eine heitere Seite abgewinnen kann, zeigt der Text der deutschen Musikgruppe «Wise Guys». Die «weisen Kerle» singen: «Oh, Herr, please gib mir meine Language back, ich krieg hier bald die crisis, man, it has doch keinen Zweck. Let us noch a word verstehn, it goes me on the Geist, und gib, dass ‹Microsoft› bald wieder «Kleinweich» heisst!»

*

Mein Text erschien am 13. September 2007 in der "Schweizer Familie".

"Unique" heisst seit 2010 wieder "Flughafen Zürich". "Da es immer wieder zu Konfusionen gekommen sei, habe man jetzt die Einnamen-Strategie gewählt, sagte eine Sprecherin des Flughafens." Mein Kommentar erübrigt sich.

Die Betreibergesellschaft Flughafen Zürich AG ist Eigentümerin und Betreiberin des Flughafens Zürich sowie weiterer Flughäfen im Ausland. Die AG gehört zu 33,3 % dem Kanton Zürich, zu 5 % der Stadt Zürich, zu 3 % dem japanischen Mitsubishi-Konzern.

39'406 Franken für Zürichs Stadtpräsidentin Mauch. Walker Spähs Honorar als behördliche Verwaltungsrätin geht an den Kanton Zürich.

Im Jahr 2023 wurde den behördlichen Verwaltungsräten #Carmen Walker Späh (Kanton Zürich) 140'875 Franken und #Corine Mauch (Stadt Zürich) 129'375 Franken ausbezahlt. Der Betrag für Regierungsrätin Walker Späh ging vollumfänglich an den Kanton. Die Zürcher Stadtpräsidentin Mauch durfte 39'406 Franken behalten (zusätzlich zu ihrem Lohn von 252'000 Franken ohne Spesen).


Franziska Hidber

Knipst das Kopfkino an. 🍿Reporterin, Texterin, Redaktorin. Nordlicht mit krimineller Energie. Wandervogel 🥾mit Fotolust. 📸 Gründerin und Inhaberin silberfeder. 🐶-Dompteurin. ☕️ stets in Reichweite. Walenseeliebe.

5 Monate

Unique! I remember, melde ich happy vom Desk. Damals kursierte die Geschichte von einem Taxigast, der am HB Zürich einstieg, „Unique Airport“ murmelte, eindöste und kurz vor dem Flughafen München wieder aufwachte. 🤷🏼♀️

How recht you hast René. Es ist wirklich eine Plage. Da will der hinterletzte Kleinbetrieb sich anbiedern und meint er sei International. Naja ich sag weiterhin Gruezi und nicht Hey.

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