Deutsch (4) – Die Regeln der Betonung
Ein Gruß allen, die Lust auf eine weitere Runde meiner geistigen Ergüsse zum Thema deutsche Sprachen haben. Was mich qualifiziert? Nichts als ein reges Interesse und jahrelanges Erkunden der Sprache und sprachwissenschaftlicher Texte. Aber ich bin allenfalls Schriftsteller und kein Sprachwissenschaftler. Aus diesem Grund gehe ich das Ganze amüsiert hobbymäßig und nicht wissenschaftlich an.
Die Ausspracheregel
Wie spricht man deutsche Wörter eigentlich aus und wie betont man ganze Sätze? Regelungen im Spanischen sind einfach. Stets die zweite Silbe wird betont, es sei denn, ein Akzent markiert eine andere Silbe als gewichtet, wie zum Beispiel el día, der Tag. Im Spanischen ist es also immer klar, wie ein Wort betont wird, aber wie ist das im Deutschen? Gibt es eine universelle Regel?
Wenn Sie folgende deutsche Wörter lesen, werden Sie diese vermutlich genauso betonen, wie alle anderen deutschen Muttersprachler, die des Lesens fähig sind, obwohl Sie diese Wörter vermutlich noch niemals gehört haben:
Geltarundien betonen Sie vermutlich auf der dritten Silbe (wie fast alle anderen), zufinören auf der ersten stark und auf der dritten mittel, während Sie fehltruben auf der ersten Silbe betonen werden. Nun ist es so, dass sie diese Wörter mit ziemlicher Sicherheit noch niemals vorher bewusst ausgesprochen haben, denn sie wurden extra für diesen Text erfunden und hoffen noch darauf, mit Bedeutung gefüllt zu werden.
Woher wissen Sie also, wie Sie diese Wörter zu betonen haben? Das ist eine gute Frage und eine ganze Schar von Sprachwissenschaftler hat sich damit befasst, diese Regel, die wir alle mehr oder weniger gut beherrschen, niederzuschreiben, nur ist es ihnen nie gelungen, eine universelle Regelung zu finden.
Die Ausspracheregel des Deutschen ist in all unseren Köpfen. Wer Deutsch lernt, muss sich erst eine Zeit lang anhören, dass er falsch betont, aber wenn er die Sprache irgendwann verinnerlicht hat, kann er diese Regel genauso verinnerlichen. Nur erklären wird er sie genauso wenig können, wie die Sprachwissenschaftler, die sich seit Langem damit befassen.
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Neue Wörter braucht das Land
Jetzt haben (indo-)germanische Sprachen tatsächlich eine Fähigkeit, die andere Sprachen in dieser Form in der Regel nicht haben. Jedes Wort jeder anderen Sprache lässt sich ganz einfach inkludieren und bekommt automatisch den passenden Grammatiksatz mit. Das ist der Grund, warum wir Fremdworte so einfach einbauen können. In anderen Sprachen ist das oft nicht so simpel.
Tatsächlich wurden indogermanische Sprachen weltweit sehr erfolgreich exportiert. 3 Mrd. Menschen haben indogermanische Sprachen als Muttersprache, noch mehr sprechen sie und fast jeder kann zumindest ein paar Worte verstehen. Die zweitverbreiteste Sprachfamilie ist die des Sinotibetischen, die nicht mal von 1,3 Mrd. Menschen gesprochen wird und bei Weitem weniger Ausbreitung fand. Die nächsten Sprachfamilien werden nicht mal mehr von 400 Mio. Menschen gesprochen.
Aber wie inkludieren wir neue nun Wörter? Tatsächlich hängt das davon ab, ob uns die Herkunft bewusst ist und wie lange wir das Wort schon „eingedeutscht“ haben. Oldtimer wird nach wie vor englisch ausgesprochen. Folgt es der Tradition früherer Assimilationen, wird daraus vielleicht irgendwann der Ohlteimer. Photographie wurde ja auch zu Fotografie, der Delphin zum Delfin usw. Französische Wörter haben auch noch oft ihre Betonung, aber eben nicht mehr immer ihre Schreibweise (wie das Parfüm). Auch aus dem Arabischen gibt es Lehnwörter, wie Alkohol, Gazelle oder Havarie und natürlich auch das Elixier, die Kuppel oder die Matratze.
Selbst bei diesen Wörtern fällt uns die Aussprache meist leicht. Sogar japanische Worte wie Futon, Harakiri, Bonze, Ninja, Zen oder Umami haben wir uns angeeignet und ihre Aussprache fällt uns vollkommen einfach, auch wenn die meisten von uns ein paar kleine Problemchen haben dürften, Japanisch zu erlernen.
Um ehrlich zu sein, ich weiß nicht, wie man diese Wörter im Japanischen korrekt ausspricht, aber dank der lateinischen Buchstaben fragen wir uns nicht, wie wir sie im Deutschen aussprechen müssen.
Das Indogermanische wechselte dabei das Alphabet mehrfach. Egal ob Runen, persische Keilschrift, griechische oder lateinische Buchstaben, alle indogermanischen Sprachen übernahmen gerne Wörter von den Regionen in die sie vordrangen, aber sie ersetzen fast immer die regionalen Sprachen.
Der Siegeszug der Indogermanen
Genetisch sind die sogenannten „Indogermanen“ kein einheitlicher Stamm. Vermutlich waren es kleine Bevölkerungsgruppen, die sich jeweils zu den Herrschenden aufschwangen, wenn sie in neue Gebiete kamen und dann einfach die Sprache ersetzten. Und das unterscheidet das Indogermanische von anderen Sprachfamilien. Wo die Osmanen hinkamen, brachten sie Türkisch mit und als sie wieder gingen, blieben nur einzelne Wörter, nicht jedoch ihre Sprache. Nicht einmal in der Türkei ist türkisch bei allen die erste Sprache. Die Kurden sprechen es nur, wenn sie auf Türken treffen. Außerhalb des osmanischen Reichs oder der Türkei findet man nur wenige Sprecher des Türkischen. Das Indogermanische, das in all seinen Facetten variierte, wurde aber scheinbar von den Unterjochten angenommen und beibehalten.
Woran das liegt? Vermutlich an der relativ simplen Sprachkonstruktion, die das Anpassen an die jeweilige Region erlaubte und an der unendlichen Freude der indogermanen, die Worte aus den Regionen in die sie vorstießen in ihre Sprache zu übernehmen.