TEMU-Mentalität – Jugendliche in der (emotionalen) Falle

TEMU-Mentalität – Jugendliche in der (emotionalen) Falle

 

Euler´s Woche heute mal Dienstags. Letzte Woche war ich beruflich in der Schweiz.

Das Konsumverhalten hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Die Verfügbarkeit von Produkten rund um die Uhr, die Bequemlichkeit des Online-Shoppings und die ständige Flut von Werbung und Angeboten haben die Erwartungen und das Kaufverhalten radikal verändert. Und überwiegend ist das auch gut und ich persönlich nutze diese Möglichkeiten auch. Seit dem Markteintritt des Online-Händlers TEMU  liegt der Fokus dort nur noch auf billigsten Preisen und vermeintlichen Schnäppchen. Und nicht auf langlebigen, qualitativ hochwertigen und nachhaltigen Produkten.

 

Instant Gratification – keine Zeit zu warten

Besonders Jugendliche sind oft auf der Suche nach sofortiger Befriedigung ihrer Bedürfnisse und schnellen Erfolgen (Instant Gratification), auch beim Einkaufen. In einer digitalen Welt, in der alles sofort verfügbar ist (Spotify, Lieferando …), passt das Modell von Temu perfekt in dieses Bedürfnisprofil. Die Plattform bietet eine Vielzahl von Produkten (One-stop-shopping) , die sofort verfügbar sind und innerhalb kurzer Zeit geliefert werden können. Diese sofortige Befriedigung verstärkt den Kaufdrang, selbst wenn die Qualität der Produkte zweifelhaft ist. Das ist der erste Punkt, wo Ideale und Werte in den Hintergrund gedrängt werden. Das „schlechte Gewissen“ ist zwar latent vorhanden, aber wer wartet heute schon gerne wochenlang auf das neueste Gadget oder Kleidungsstück? Und zahlt noch deutlich mehr dafür?

Auch in meiner Jugendzeit gab es schon eine Besitzkultur. Bestimmte Dinge musstest du einfach haben. Oder du warst „out“.  Das hat sich nicht geändert. In Mitteleuropa  wird der Besitz von Dingen als Zeichen von Erfolg und Status angesehen. Jugendliche, die oft in einem sozialen Umfeld leben, das durch sozialen Vergleich geprägt ist, fühlen sich unter Druck gesetzt, diesem Ideal zu entsprechen. Temu bietet eine einfache Möglichkeit, diesem Druck nachzugeben, indem es eine große Auswahl an günstigen Produkten anbietet, die es Jugendlichen ermöglichen, viele Dinge zu besitzen, ohne viel Geld auszugeben. Betriebswirtschaftliches Wissen ist bei Jugendlichen meist nicht vorhanden, woher auch? Die Sensibilisierung dafür, warum diese Produkte – im wahrsten Sinne des Wortes – billig sind, gestaltet sich schwer. Besonders für Eltern, die auch auf jeden Cent achten müssen. Aber auch viele Besserverdiener kaufen diese vermeintlichen Schnäppchen.

Konsumdruck und das „Netto“ im Portemonnaie  

Die wachsende Einkommensungleichheit trägt zu diesem Phänomen bei. Jugendliche aus weniger wohlhabenden Familien sehen sich oft einem erheblichen Konsumdruck ausgesetzt, insbesondere wenn sie sich mit wohlhabenderen Gleichaltrigen vergleichen. Temu bietet eine Möglichkeit, diesem sozialen Druck nachzugeben, indem es Produkte anbietet, die erschwinglich sind und gleichzeitig den Anschein von Luxus oder Trendigkeit erwecken. Ja, ich gebe es zu: Ich habe mir auf der Jugendfreizeit in Italien beim Strandhändler auch einmal ein Polo mit aufgenähtem Krokodil (Lacoste) gegönnt, weil mir 100 DM für das Original damals zu viel waren. Und auch dieses Teil war nach zweimal waschen im Eimer. Außerdem stehen mir Krokodil-Shirts nicht 😊

 

Fridays for Future und Temu – wie „matcht“ das?

In den letzten Jahren hat das Bewusstsein für Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen zugenommen, insbesondere unter jungen Menschen. Paradoxerweise spiegelt sich dieses Bewusstsein jedoch nicht immer im Kaufverhalten wider. Die Attraktivität der niedrigen Preise bei Temu überstrahlt oft ethische Bedenken bezüglich der Nachhaltigkeit und der Arbeitsbedingungen, unter denen die Produkte hergestellt werden. Dieses Spannungsfeld zwischen Umweltbewusstsein und Konsumverhalten ist ein wichtiger Punkt in der Diskussion über den Einfluss von Plattformen wie Temu auf Jugendliche. Freitags auf die Demo oder auf die Straße kleben und am Wochenende bei Temu bestellen. Aufklärung ist hier das Stichwort. Aber wer macht das? Die Schule ? Nein. Eltern ? Keine Ahnung. Die Politik? Die hat anderes zu tun. Muss aber auch merken, dass dies nicht ein gesellschaftliches Problem ist, sondern auch ein politisches und soziales.

 

Was bedeutet das für Vertrieb und Verkauf ?

 

Die Temu-Mentalität stellt Verkäufer hochwertiger Produkte vor erhebliche Herausforderungen. Doch durch gezielte Aufklärungsarbeit, den Aufbau von Vertrauen, die Betonung von Nachhaltigkeit und Ethik, die Personalisierung des Einkaufserlebnisses und kontinuierliche Innovation können Verkäufer das Qualitätsbewusstsein der Konsumenten wieder stärken. Es gilt, die Wertschätzung für langlebige, gut verarbeitete Produkte zu fördern und den Mehrwert von Qualität klar zu kommunizieren. Nur so kann ein nachhaltiger und erfolgreicher Markt für hochwertige Produkte geschaffen werden.

 

Die Frage , warum gerade Jugendliche bei Temu einkaufen, obwohl sie wissen, dass sie minderwertige Produkte erhalten, ist auf eine komplexe Mischung aus psychologischen, soziokulturellen und wirtschaftlichen Faktoren zurückzuführen. Der Reiz des Schnäppchens, der Einfluss von Social Proof und Influencer Marketing, die Konsumkultur, begrenzte finanzielle Ressourcen und die benutzerfreundliche Technologie sind nur einige der Gründe, die diese paradoxe Konsumentenentscheidung erklären. Und Unternehmen wie Temu beherrschen genau diese Disziplinen. Sie entführen dich in eine bunte Welt, in das Land, in dem Milch und Honig fließen. Zu meinen Kindern habe ich gesagt, dass sie mit mir sprechen sollen, bevor sie dort bestellen. Und habe ihnen versprochen, dass wir eine Lösung finden. Ohne Temu.

Peter Eichmüller

Geschäftsführender Gesellschafter bei communicall GmbH

5 Monate

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