Unternehmer aufgepasst bei AGB der Lieferanten
Die Unternehmerin A bezweckt hauptsächlich die Produktion, den Vertrieb und Handel mit Holz und holzverwandten Produkten sowie die Beratung für die Holzindustrie. Die Lieferantin B ist unter anderem im Bereich der Herstellung von Lacken, Lackfarben und Anstrichstoffen tätig. B entwickelte und lieferte einen für die C-Platten der A passenden Stammlack, welcher P-Lack genannt wurde. Die A realisierte mit dem P-Lack während Jahren zahlreiche Projekte mit C-Fassadenelementen im Aussenbereich.
Im Sommer 2017 informierte die B die A, die Rezeptur des P-Lacks müsse angepasst werden, und sie nahm in der Folge mehrere Anpassungen vor. Es gibt folglich keine P-Lackvariante 2017 als solche. Nach der Verwendung der P-Lackvarianten 2017 traten ab Herbst 2018 zahlreiche Schadensfälle in Form einer grossflächigen Ablösung des Lacks auf. Der P-Lack erwies sich als nicht mehr witterungsbeständig und damit nicht mehr für den Aussenbereich geeignet. Über die Regelung der Folgen konnten sich die Parteien nicht einigen.
Die A klagt deshalb die B auf Schadenersatz für die ihr entstandenen Kosten für die Demontage, Neulackierung und der Remontage der C-Fassadenelemente von 46 Bauobjekten im Umfang von knapp CHF 500'000.00 ein. Es resultiert ein Rechtsstreit, in welchem über ein Jahr später ein Zwischenentscheid ergeht. Darin wird im Wesentlichen Folgendes befunden: Zwischen den Parteien wurde ein Rahmenvertrag und in Bezug auf die einzelnen Lacklieferungen wurden einzelne Werklieferungsverträge abgeschlossen. In den allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Lieferantin B ist ein Haftungsausschluss für Mangelfolgeschäden enthalten. Dieser Haftungsausschluss für Mangelfolgeschäden ist zwischen den Parteien im vorliegenden Fall rechtgültig vereinbart worden.
Die Konsequenz: Die Unternehmerin A bleibt auf ihren Kosten für die Demontage, Neulackierung und Remontage der C-Fassadenelemente, welche als Mangelfolgeschaden qualifizieren, sitzen – und hat überdies auch Gerichts- und Parteikosten im Umfang von mehreren Zehntausend Franken zu tragen.
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Die Lehre aus dieser Geschichte: LESEN SIE DIE AGB, BEVOR SIE EINEN VERTRAG ABSCHLIESSEN. Derartige Haftungsausschlüsse für Mangelfolgeschäden oder sog. indirekte Schäden sind in den AGB von Baustofflieferanten häufig zu finden, und sie sind, sofern sie sich im gesetzlich zulässigen Rahmen (Art. 100 OR) bewegen, grundsätzlich wirksam.
Falls möglich sollte ein solcher Haftungsausschluss für Mangelfolgeschäden nicht akzeptiert bzw. vereinbart werden. Muss aufgrund fehlender Verhandlungsmacht aber ein solcher Haftungsausschluss eines Lieferanten akzeptiert werden, so sollte geprüft werden, ob zumindest zusätzliche Massnahmen getroffen werden können, um unliebsame Folgen bei Haftungs- bzw. Gewährleistungsfällen zu vermeiden.
Michael Wolff, 07.11.2024
Rechtsanwalt | Partner bei Wolff & Pool AG
1 MonatFür am Bauvertragsrecht Interessierte: Für eine detailliertere Analyse der vertraglichen Situation im Dreieck Bauherr – Bauunternehmer – Baustofflieferant und der entsprechenden Haftungsverhältnisse mit Schlussfolgerungen und zahlreichen weiterführenden Hinweisen ist der Beitrag «Die Haftung der Bauunternehmerin für ihren Baustofflieferanten» von Carlo Peer in BR/DC 5/2024, S. 209 ff. sehr zu empfehlen, welcher die Situation am Beispiel des Bauherr/Baumeister/Betonlieferant erläutert.
Rechtsanwalt | Partner bei Wolff & Pool AG
1 MonatDer Fall, von welchem die obige Schilderung inspiriert ist, wies einen etwas komplizierteren Sachverhalt auf. Und das Gerichte erkannte in seinem Entscheid (Urteil des Handelsgerichts des Kantons Aargau, 2. Kammer, vom 27.11.2023 (HOR.2020.41) (https://gesetzessammlungen.ag.ch/app/de/decrees/8270), dass der in den AGB enthaltene Haftungsausschluss für Mangelfolgeschäden zwischen den Parteien nicht rechtsgültig vereinbart worden sei, wies dann die Klage auf Schadenersatz aber mangels Nachweis einer rechtzeitigen Mängelrüge nach jeder einzelnen Lacklieferung dennoch ab. Dabei zeigt sich einmal mehr: Bauprozesse zu führen ist äusserst anspruchsvoll. Und: Der Beizug eines sachkundigen Anwalts schon vorprozessual – im Zeitpunkt der Mängelfeststellung für die Begleitung bei der rechtzeitigen und rechtsgenügenden Mängelrüge – ist dringend zu empfehlen und spart letztlich Geld!