Von der Unschuld des Content Marketings
Schaut professionell unschuldig: Hund, weiß.

Von der Unschuld des Content Marketings

Ist Content Marketing eigentlich Journalismus? Bestimmt nicht. Doch vielleicht wird Content Marketing künftig auch verstärkt ein Zielverständnis aufbringen müssen, das dem Rollenbild des Journalismus nicht völlig fremd ist.

Achtung. Es wird gleich sehr österreichisch. Wie Sie dem Medium Ihres Vertrauens sicherlich entnommen haben, wabern seit Wochen Wellen wertebasierten Wehklagens durch Österreich. Es geht um die Vermutung, dass ein politischer Player Meinungsumfragen aus politischem Zweckdenken frisiert, in einer Gratiszeitung platziert und dieses Konstrukt teilweise auch noch mit Steuergeld finanziert hätte. Auf Twitter ist deshalb in diesen Wochen viel vom „politmedialen Komplex“ die Rede, einer toxischen Interessensallianz zwischen Medien und einer Partei, die eine allzu innige Nähe zwischen beiden Gruppen hätte entstehen lassen. Natürlich gilt für alle Betroffenen die Unschuldsvermutung. Doch keine Sorge: Der Luftzug der geschwungenen Moralkeule, den Sie vielleicht gerade gespürt haben, der ist auch schon wieder verschwunden.

Worauf ich eigentlich hinaus will, ist eine sehr grundsätzliche Frage der Abgrenzung zweier Berufsbilder voneinander und jene nach dem Festhalten an den Gewissheiten gesellschaftlicher Rollen für diese beiden Berufsbilder – nämlich jenes der/des Journalist:in und der Beschäftigten im Content Marketing.

Eine kommunikative Flanke

Erstere legen in Gesprächen meist größten Wert auf die Feststellung, dass ihr Beruf ein anderes Ziel verfolge, meist versetzt mit moralisch flauschigem Vokabular wie gesellschaftlicher Verantwortung, Faktentreue, Unparteilichkeit. Content Marketing verfolgt in dieser simplen und schattierungslosen Interpretation beinahe gegensätzliche Ziele: Verantwortung bloß für die strategischen Kommunikationsziele des jeweiligen Unternehmens, daraus vermeintlich resultierend Faktenelastizität, und klare Parteilichkeit. Beides ist nicht völlig falsch, aber in gleichem Maße ist es auch nicht unbedingt richtig. Unter anderem deshalb: Unternehmens-Content wird vom jeweiligen Mitbewerb eines Unternehmens aufmerksam verfolgt, platte Realitätsverzerrungen würden sofort auffallen und eine kommunikative Flanke eröffnen, die man sich wohl gerne ersparen möchte. Wenn die ursächlichen Ziele von Content Marketing Vertrauensbildung und Reputationszuwachs sind, dann werden professionelle Content Marketer:innen auch wissen, wie sie zu handeln haben.

Klare Sache

Mit einem sehr klugen Menschen habe ich im Frühjahr mal über Marketing und Ethik diskutiert - ein mich stets begleitendes Thema. Dabei ist mir nicht ohne Widerspruch einmal der Satz herausgerutscht: „Content Marketing ist die ehrlichste Form des Marketings.“ Zwar bedient sich Content Marketing aller Formen des Journalismus, doch im Gegensatz zu nicht nachvollziehbaren Kausalketten zwischen wirtschaftlichem Interesse und redaktioneller Aufbereitung in manchen – Betonung: manchen – Medien ist sehr klar, wer für den Content bezahlt und welchen Zweck er verfolgt, zumal diese Inhalte ja auch meist auf Plattformen erscheinen, deren Betreiber wiederum sehr klar benannt ist.

Journalistisches Zweierlei

Nein. Content Marketing ist nicht Journalismus, wenn Journalismus sich als Funktion mit gesellschaftlichem Auftrag definiert, als vierte Gewalt, als Regulativ, als Kontrollinstanz – kurzum: als Unverzichtbarkeit in einem demokratischen Gemeinwesen. Allerdings ist auch Journalismus nicht Journalismus, wenn er zulässt oder willfährig dazu beiträgt, dass die bloßen wirtschaftlichen Interessen des eigenen Verlages etwa Priorität vor der nachvollziehbaren und klaren Trennung von Werbung und Redaktion haben. Umgekehrt kann Content Marketing, manchmal jedenfalls, durchaus auch mit gesellschaftlichen Zielen kongruente Rahmen ausschöpfen, wenn Unternehmen sich auch Purpose-Themen annehmen – sofern das alles nicht Show, sondern auch authentisch ist.

Rollenverständnis

Vielleicht werden Unternehmen künftig sogar stärker ihre gesellschaftliche Verantwortung kommunizieren müssen – und der einzige Weg dazu ist Content Marketing. Denn vielleicht sind Unternehmen künftig die einzigen, die noch die Kraft dazu haben, während manche mediale Entwicklung derzeit zeigt, wie sich manche Medien in eine derart prekäre wirtschaftliche Position gebracht haben, dass sie am Opportunitätstropf so mancher Interessengruppe hängen. Das kann eine Chance für die Relevanzziele von Content sein.

Bevor Sie mich nun einen Zyniker zeihen: Nein, zwischen verantwortlichem Journalismus auf der einen und Content Marketing auf der anderen Seite besteht naturgemäß mitnichten Verwechslungsgefahr oder gar ein Konkurrenzverhältnis. Für beide gilt zuerst einmal: die moralische Unschuldsvermutung.

Übrigens: so wie es Verhaltencodizes für Journalismus gibt, gibt es solche auch für das Content Marketing. Definiert etwa vom österreichischen PR-Ethikrat. Ein Blick darauf kann sich lohnen.

Gero Pflüger

Leiter Marketing | Wir bauen sichere Videokonferenz-Software | #GernePerDu

2 Jahre

Das ist kein flauschiger, süßer Hund, das ist bestimmt ein blutrünstiger Polarfuchswelpe!!!!!!!eins11!

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