Es gibt Sätze, die verwirren erst mal sehr. Zum Beispiel: Lasst uns über den Elektroantrieb des Fahrwerks sprechen. Wieso denn des Fahrwerks? Das Fahrwerk trägt und federt das Auto, aber es wird doch nicht angetrieben. Doch, um das zu verstehen müssen wir erstmal zurück zu Amar Bose. Ich hatte das große Vergnügen diesen genialen und faszinierenden Ingenieur in Boston Ende der 90er noch interviewen zu dürfen. Sein Lebenswerk war damals schon nicht mehr nur die Entwicklung von Lautsprechern, sondern eines vollaktiven, elektrisch angetriebenen Fahrwerks. Genauer gesagt setzte er anstatt eines Quartetts von Feder-Dämpfereinheiten vier elektrische Linearmotoren (quasi aufgeklappter runder Elektromotor) ein, die über die reine Federaufgabe hinweg das Auto auch aktiv in der Höhe stellen konnten. Entprechend dem Ideal eines sogenannnten Skyhook-Fahrwerks bei dem die Karosserie quasi am Himmel aufgehängt ist und nur die Räder die Unebenheiten der Straße ausgleichen. Komforttraum eines jeden Auto-Entwicklers. Ein innovatives System in einem Lexus-Versuchsträger, das neben den damaligen Limitierungen beim Regelungstempo vor allem zu teuer und viel zu schwer war. Deshalb kam es nie in Serie. Vorher hatte Citroen mit seiner Hydropneumatik zumindest im Komfortbereich für Furore gesagt und vor einigen Jahren Mercedes mit seiner eindrucksvollen Magic Body Control. Fahrwerke die aktiv versuchen dem Skyhook-Ideal nahezukommen, sind also nichts neues. Die früheren waren vor allem auf Komfort ausgelegt und in ihrem Regelungstempo und den Kräften die sie stellen konnten, noch eher konservativ - wobei Mercedes schon ein tolles Fahrwerk in GLE und Co. zauberte. Die zu dämpfenden Aufbaubewegungen einer Karosserie liegen üblicherweise im Bereich unter 2 Hz. Jetzt hat Porsche mit dem neuen Panamera und Taycan gewaltig einen draufgelegt: Mit einem Hochvoltakku (im E-Hybrid 400 V) waren die Weissacher Ingenieure nun in der Lage einen bis zu 5 kW starken Elektromotor für eine blitzschnell agierende Hydraulikpumpe an jedem Rad anzutreiben. Mit deren Volumenstrom kann pro Rad über die adaptiv in Zug- und Druckstufe getrennt regelbaren Dämpfer mit einer Regelgeschwindigkeit von nur 50 ms bis zu eine Tonne angehoben werden. Damit ist es nicht nur möglich die Karosserie trotz heftiger Straßenanregungen stabil zu halten, sondern auch fahrdynamisch Nicken und Wanken quasi zu eliminieren. Ich mach es kurz: Eine derartige Kombination aus Komfort UND Sportlichkeit ist mir bisher noch nicht unter meinen Autotester-Popo gekommen. Ohne die Stromversorgung über einen Hochvoltakku wäre es das auch nicht. Sicher ist ein Panamera extrem teuer, aber ich bin mir sicher, dass uns eine starke Stromversorgung im Auto in Zukunft auch im günstigeren Bereich mit Streicheleinheiten für das Popometer versorgen wird. #auto #elektroantrieb #innovation PS: Das YouTube-Video dazu ist inzwischen auch online. 😊 https://lnkd.in/eN4W5JZr
Lieber Alexander Bloch Mal wieder ein Artikel, der einfach Spaß macht zu lesen - ich habe immer das Gefühl, grad 'live' daneben zu stehen, wenn Sie berichten. Mir gefällt das stilistisch, wie Sie es schaffen, technisch präzise aber dennoch locker und verständlich zu schreiben, ohne dabei auf ein 'Mickey Maus Niveau' abzuleiten. Respekt 👍 Hier nun im vorliegenden Fall bin ich 'persönlich berührt', denn das ist eine Innovation, die ich als MA eines Unternehmens, welches eine weltweit führende Position u.a. in Entwicklung und Fertigung von Achsfedern und Stabilisatoren inne hat, natürlich eher 'ungern' sehe 🙃🫣😅 - wobei ich überzeugt bin, dass diese 'Active Skyhook' Technologie v Taycan noch sehr lange der absoluten Oberklasse (siehe auch Luftfahrwerk) vorbehalten bleiben wird. Als Ingenieur bin ich !WOW! schlicht und ergreifend begeistert v dieser Technologie in (kleiner - aber immerhin) Serie 🥰 Bin gespannt, ob sich das durchsetzen kann (Kosten, Gewicht, Wartung.....) We will see ✌️
Innovationen waren bisher meist zuerst den Luxusfahrzeugen vorbehalten. Viele diese Innovationen findet man heute in fast jedem Fahrzeug. Eventuell etwas weniger aufwändig und perfekt, aber sie kommen in der Masse an.
Sehr interessant zu lesen, danke Alexander Bloch. Und das klingt nach einem Durchbruch, einer Erweiterung der Eigenschaften. Beim konventionellen Fahrwerk gab es ja kaum noch Fortschritte. Die Autos lenkten etwas zackiger und hatten dank größerer Räder mit flachen Reifen und Feinschliff an allen Komponenten zwar weniger Seitenneigung, aber der eigentliche Fahrkomfort ist in den letzten Jahren - um nicht zu sagen Jahrzehnten - nicht besser geworden, sondern eher schlechter.
Erinnert mich irgendwie an den Fahrsimulator auf einer Automesse mit den dynamischen Beschleunigung. Ja das ist dann das inverse Prinzip.
Ein Produkt in meinem Feed. Damit haben sie sich automatisch qualifiziert für die neue Tradition. Was kostet dieses äußerst hübsche Fahrzeug?
Damit war Bose der Zeit weit voraus, ganz spannende Geschichte! Und ich bin auch sehr dankbar, Dr. Bose noch persönlich kennen gelernt zu haben. Sehr beeindruckende Persönlichkeit.
Das konnte doch auch in den 70ern der DS?
Interessant! Ist es vergleichbar mit dem Audi 48 Volt vorausschauenden Fahrwerk aus dem A8?
Das klingt nach einer aufregenden und informativen Entwicklung im Bereich der Elektroantriebe im Automobilsektor! Alexander Bloch
Wandel ist der Motor des Fortschritts und der Weiterentwicklung.
9 MonateIch habe die Videos des Bose Fahrwerks damals gesehen und war und bin fasziniert von den Potentialen. Die Bewegungen nicht nur passiv wegzudämpfen, sondern aktiv zu beeinflussen, birgt enorme Potentiale. Auch hier eröffnet die Elektrik im Fahrzeug neue bessere Umsetzungen und Integration, die im der Folge auch in den unteren Klassen verfügbar werden wird. Und großes Lob und Respekt an Alexander Bloch. Wie immer ein Bericht, der vor allem auch einfach Spaß macht und Wissen vermittelt.