Bessere Leistung, weniger Stress
(Dieser Beitrag erschien in meiner Kolumne in der NZZ am Sonntag)
Der Mensch atmet rund 18-mal in der Minute. Das sind 25’920 Atemzüge am Tag – mit Sport noch häufiger. Ganz automatisch. Im Spitzensport ist eine Diagnose der Leistung der Atmung, etwa anhand einer Spiroergometrie, üblich. Aber auch Hobbysportler können ihr Training optimieren, wenn sie über die individuelle Leistungsfähigkeit von Herz und Lunge Bescheid wissen.
Neben den physiologischen Parametern wie Sauerstoffaufnahmefähigkeit VO2max und Co. hat die Atmung bestimmt im Alltag schon bei manchem kleine Wunder bewirkt und zum Beispiel mit dem Ratschlag «Atme mal tief durch!» die grösste Stress-Spitze entschärft. Die Atmung wirkt nicht nur auf die Muskelkraft, sondern auch auf unsere Psyche, auf Emotionen und Gedanken. Gerade in Stresssituationen atmen wir oberflächlich und hastig. Mit einer Verlangsamung und tieferen Bauchatmung können wir den Sauerstoffgehalt im Körper regulieren und so wieder klarere Gedanken fassen oder eine ärgerliche Situation gelassener nehmen.
Damit die Atmung ihre vielfältige Wirkung entfalten kann, müssen wir uns daran erinnern, dass wir genau jetzt unsere Atmung bewusst steuern und in die Abläufe des autonomen Nervensystems eingreifen wollen. Athleten schätzen die 10er-Atmung, die sie in die unmittelbare Wettkampfvorbereitung oder vor das Training einbauen. Es gilt, sich während zehn Atemzügen voll auf die Atmung zu konzentrieren: Die Augen schliessen oder einen Punkt fixieren, die Atmung beobachten und mit jeder Ausatmung bis zehn zählen. Das hilft, sich in den optimalen Spannungszustand zu bringen oder sich besser auf die gleich folgende Aufgabe zu konzentrieren.
Unumstritten wirkungsvoll ist die tägliche Praxis von Atem- und Meditationsübungen. Wer sich nicht dafür begeistern lässt und auch nicht auf den Yoga-Hype mit Pranayama-Übungen ('Lebensenergie-Kontrolle') aufspringen will, hat weitere Möglichkeiten, die Vorteile der Atmung zu nutzen. Zum Beispiel im Training auf die Atmung fokussieren, statt auf ablenkende Gedanken wie Anstrengung oder Büroaufgaben. Dadurch werden die Aufmerksamkeitskontrolle, die Konzentrationsfähigkeit sowie die Körperwahrnehmung geschult.
Die Atmung ist immer da. Nicht zuletzt deshalb gilt sie im Mentaltraining, sofern gezielt und bewusst eingesetzt, als eine der drei Grundtechniken.