Bleib‘ Dir treu – das können Marken von Bionade lernen
Screenshot von der Website. www.bionade.de

Bleib‘ Dir treu – das können Marken von Bionade lernen


Erst vergangene Woche habe ich auf LinkedIn kritisiert, dass Marketing und Werbung viel zu oft die Marke missachten, obwohl sie auf ihr basieren sollten. Bionade zeigt uns nun eine spannende Strategie: Erst das Wachstum ankurbeln und das „Umparken im Kopf“ anregen – und danach die Marke aufladen.


Die Marke Bionade hat eine wilde Achterbahnfahrt hinter sich: Mal galt sie als Kultmarke, dann als tot, dann wieder als in ... Dieses auf und ab kommt nicht von ungefähr: Die Marke hat, seitdem sie von der Gründerfamilie an Dr. Oetker / Radeberger verkauft wurde, sukzessive an Anziehungskraft verloren.

Nach knapp 10 Jahren waren die Besitzer nicht mehr zufrieden und verkauften die Marke 2018 weiter an die Hassia Gruppe. Und die hat mit Bionade Erfolg: Das dritte Jahr in Folge verzeichnet Bionade einen zweistelligen Umsatzzuwachs. Gerade hat sie Bio Vio als meistverkaufte Biolimonade in Deutschland abgelöst.

Für diesen Erfolg gibt es fünf spannende Gründe, die ich aus der Berichterstattung in der Horizont herausgearbeitet habe. Für mich sind sie eine Art Heißkaltdusche, weil ich bei manchen denke: Spannend, da kann ich zustimmen (heiß) – und umgekehrt: Oh je, das widerspricht jetzt aber wirklich meinen Überzeugungen (kalt).

Meine Heißkaltdusche

  1. Heiß: Es war keine allumfassende Werbekampagne, die den Erfolg zurückgebracht hat, sondern eher eine Anpassung der Sortimentspolitik. Bei Bionade hat nicht mehr die kreative Werbeidee absolute Priorität, so Marketingleiterin Svenja Lonicer, sondern effektives Marketing: Es geht für sie darum, das richtige Produkt in der richtigen Flasche im richtigen Regal zu haben. 
  2. Kalt: Die Sortimentspolitik entspricht nicht dem, was wir in der Regel empfehlen: eine Fokussierungsstrategie. Bionade hingegen praktiziert eher ein Anschmiegen an den Gesamtmarkt, betreibt Markendehnung. So gab es bis 2019 keine Zitronen- und Orangenlimonade der Marke, obwohl diese Sorten 85 Prozent des Gesamtmarkts ausmachen. Heute haben die neuen Sorten Naturtrübe Zitrone und Naturtrübe Orange erheblichen Anteil am Wachstum. Aus diesem Grund bin ich also doch einverstanden: Das Detail „naturtrüb“ macht aus der – auf den ersten Blick – einfallslosen Ausdehnung ein passendes und glaubwürdiges Vorgehen. 
  3. Heiß: Bionades Comeback liegt an einer weiteren Fokussierung: auf Glas. So legte die Limonade nicht nur in der klassischen 0,33-Liter-Glas-Mehrwegflasche deutlich zu, sondern auch in der neu eingeführten 0,5-Liter-Glas-Mehrwegflasche. Das ist wieder eine Fokussierung und außerdem schön vom Kunden her gedacht: eine größere Flasche, hochwertig in Glas – das macht Bionade zum Familiengetränk. 
  4. Lauwarm: Bionade kommunizierte die Produktinnovationen mit hohem Mediadruck und ließ sich auch von der Pandemie nicht unterbrechen. Also: Es gab kein langsames Comeback der Marke, zum Beispiel über Fan-Communites, sondern ein schnelles Kommunzieren der neuen Sorten. Dieses Vorgehen hat offenbar zu einen „Umparken im Kopf“-Effekt geführt. Es scheint ein kluger Schachzug, dass Bionade die Ruhe im Lockdown für sich genutzt hat. 
  5. Heiß: Es ist lange her, als Bionade sich bezeichnete als „das offizielle Getränk einer besseren Welt". Heute heißt Bionades Leadagentur Thjnk und der Markenclaim ist "ehrlich gut", aber man wolle langfristig wieder zurück zur ersten Botschaft. Diesen Schritt hätten auch wir bei BrandTrust empfohlen, um den Differenzierungskampf auf lange Sicht zu gewinnen. Dazu braucht es besondere Merkmale im Sortiment und Tiefe in der Markenidentität, um echte Markenfans zu gewinnen, nicht nur Produktfans.

Letzte Woche noch kritisiert - jetzt liefert eine Marke ab

Erst vergangene Woche habe ich auf LinkedIn kritisiert, dass Marketing und Werbung viel zu oft die Marke missachten, obwohl sie auf ihr basieren sollten. Bionade zeigt uns nun eine spannende Strategie: Erst das Wachstum ankurbeln und das „Umparken im Kopf“ anregen – und danach die Marke aufladen.

Allerdings hoffe ich, dass der Ansatz nicht zu einem Purpose-Gequatsche verkommt. Bionade hat eine bewegte Historie: Die Gründer waren angetrieben davon, eine Art gesunde Limonade zu erfinden – dieser Mythos wäre doch wunderbar geeignet, um die Identität der Marke Bionade zu schärfen.


Peter Kiefer

Managing Partner @ PUNCH Marketing Consultancy | Brand Management

3 Jahre

Das ganze zeigt für mich wieder einmal: A) zu Marketing gehört mehr als Werbung (physical availability ist einer der wichtigsten Erfolgstreiber) B) Nischenmarken unterliegen den gleichen Marktdynamiken wie alle anderen Marken auch (Stichwort: Zitrone und Orange als größtes Marktsegment) Und had das mit dem Purpose hoffe ich auch 🙈

Sehr gute Analyse. Auch wenn die Marke nicht organisch und behutsam wiederbelebt wurde, sondern nur mit hohem Werbedruck, so zeigt es doch Mut, nicht mit Trippelschritten sondern mit einem großen Sprung über den Graben zu starten. Das belebt ja auch schlummernde Gedächtnisspuren aus den starken Anfangstagen. Aber jetzt braucht es einen Anschluss an die verschütteten Quellen der Markenkraft aus der Alternativkultur. Nur trüb als Abgrenzung, reicht da nicht. Da bin ich ganz bei Dir, Colin.

Sehr spannende Analyse, habe den Podcast dazu auch schon gehört und bin sehr gespannt, wie nachhaltig Bionade das "Umparken im Kopf" erreicht.

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