Gedanken aus der Quarantäne
copyright: Thomas Strigel

Gedanken aus der Quarantäne

In dieser derzeitigen, Corona-erzwungenen häuslichen Ruhe kommt man unter anderem auch mal dazu, sich über die gesamte aktuelle Lage Gedanken zu machen.

Es ist doch sehr erstaunlich wie ein vorher nie denkbares und als unmöglich zu überstehen dargestelltes Szenario plötzlich der Alltag wird.

Wer hätte sich vor 2 Monaten vorstellen können, dass das öffentliche Leben quasi zum Erliegen kommt: Kein "kurz Tisch reservieren und Essen gehen", kein " gehen wir heute durch die Stadt bummeln", kein "ich geh mal ins Studio".

Noch undenkbarer war, dass auch die Wirtschaft zu großen Teilen in kürzester Zeit auf ein Minimum zurückgefahren wurde.

Insgesamt läuft dieses Endzeitszenario aber doch erstaunlich geordnet ab. Warum ist das so?

Die Informationsversorgung durch verlässliche Quellen hat früh und gut funktioniert. Auch wenn viele Erkenntnisse über das Virus noch nicht wissenschaftlich erhärtet sind, so wird doch durch verschiedene Kanäle klar, verständlich und vor allem in deutlichen Worten kommuniziert.

Es gibt zwar immer noch die Unbelehrbaren und Realitätsverweigerer - diese sind aber ganz klar eine Minderheit.

Die nie zuvor dagewesene deutliche Sprache aus der Politik - insbesondere in der Rede der Bundeskanzlerin - lässt doch verwundert die Augen reiben.

Wo sind die Grabenkämpfe und Machtspiele der vergangenen Monate, die die Politik gelähmt haben? Sie aktuell sind nicht mehr wichtig. Der Fokus hat sich verändert. Die Not eint.

Wo sind die Populisten, Hetzer und Fake-News Verbreiter? Auch das ist ein auffälliger Effekt: Es wird überdeutlich, dass die Populisten und inhaltlose Parteien wie die AFD keine Antworten haben und plötzlich sprachlos sind. Das Virus lässt sich nicht von Populisten steuern. Die Menschen wenden sich in Krisenzeiten etablierten Parteien mit Inhalt zu und schenken Inhalten ihr Vertrauen. So siegt vielleicht als Nebeneffekt der Corona-Krise die Vernunft über den Populismus. Vor allem, wenn man sieht, wie die Krise in Ländern mit Populisten an der Macht verläuft - siehe USA, UK, Italien oder in Ländern mit einem schwachen Gesundheitssystem - oh Wunder: die gleichen Länder plus weitere.

Die völlige Hilflosigkeit, Unfähigkeit und Inhaltslosigkeit der populistischen Parteien zeigt sich in dieser Krise deutlich - hoffentlich lernen wir alle daraus.

Eine weitere Erkenntnis: Demokratie ist ein Geschenk.

Seien wir ehrlich - Wir sind total verwöhnt: Wir können alles tun, können uns frei bewegen, keiner schränkt uns ein. In wie vielen Staaten der Erde ist die Freiheit scheinbar so grenzenlos, wie in Deutschland?

Aber auch dieses Geschenk wurde in der Vergangenheit oft missbraucht. Demokratie wurde verstanden als "ich kann alles tun - ohne Rücksicht auf andere. Ich komme zuerst und dann erst die anderen".

So funktioniert Demokratie nicht. Dies zeigt ich in der Krise, wo es nur gemeinsam geht und wo plötzlich ein unsoziales, undemokratisches Verhalten eine Ächtung erfährt. Das Horten von Klopapier (warum gerade Klopapier??) ist der beinahe schon kabarethaft komische Auswuchs von unsozialem Verhalten - ebenso wie das zusammen Abhängen von Menschengruppen, die der Meinung sind, das sie unverwundbar sind - da jung - und nicht verstehen, dass es gar nicht in erster Linie um sie geht, sondern um die schwächeren Mitglieder der Gesellschaft die geschützt werden müssen. Sie verstehen nicht, dass sie mit ihrem Verhalten ihre Eltern oder Großeltern oder die ihrer "Mitabhänger" gefährden und damit direkt für den Tod von Menschen verantwortlich sind.

Hier wird der Ruf nach hartem Durchgriff der Behörden schnell laut. Aber das ist vielleicht gar nicht nötig, denn es ist zu spüren, dass sich eine gewisse Corona-Etikette durchsetzt und Fehlverhalten auch geächtet wird. Man hält Abstand und ist trotzdem freundlich zueinander. Einzelne, die meinen, keinen Abstand halten zu müssen, werden durchaus deutlich darauf hingewiesen, dies doch einzuhalten - so passiert in der Supermarktkette.

Staatliche Intervention ist dann tatsächlich nur in Ausnahmefällen notwendig - auch das ein Stück funktionierende Demokratie.

Die Hilfspakete für die Wirtschaft wurden in einem Tempo aufgelegt, dass man sich verwundert die Augen reibt. Dass die Krise massive Auswirkungen auf die Wirtschaft hat, ist wohl keine Diskussion.

Es zeigt sich aber auch jetzt, wer gut vorbereitet war und wie mit der aktuellen Situation umgegangen wird.

Die Diskussionen über den Arbeitsplatz 4.0 und das in Firmen zum Teil vorhandene Misstrauen gegenüber der Arbeit von zuhause aus, rächt sich jetzt. Die Firmen, die ein gutes Modell für sich und ihre Mitarbeiter gefunden haben, viele Dinge vom Homeoffice aber im Team zu erledigen, haben jetzt klare Wettbewerbsvorteile.

Was habe ich bei Kundenterminen Gründe gehört, warum das nicht möglich sei. Unsinn - es ist möglich und hervorragend effizient dazu. 

Verkrustete Strukturen und eingefahrene Meinungen fordern jetzt ihren Tribut. Moderne Arbeitsmodelle, skalierbare IT-Systeme und Cloud Services zeigen jetzt ihre große Stärke.

Aber auch der Shutwown in vielen Firmen bietet Chancen. Jetzt ist die Zeit, sich um Entwicklungen und Veränderungen zu kümmern, die für die Zeit nach der Krise wichtig sind. Warum nicht jetzt Mitarbeiter mit Themen beauftragen, die im normalen Alltag zu kurz kommen aber trotzdem einen wichtigen Beitrag leisten. Die Verfahren und Arbeitsweisen überdenken und neue Wege planen.

Ich bin überzeugt, dass die Krise neben allen negativen Auswirkungen vor allem aber auch das Potenzial für Umdenken, Besinnung auf Werte und Innovation in sich birgt.

Ulrich Müller

Project Manager bei SPIRIT/21 GmbH

4 Jahre

Sehr schön zusammengefasst, Thomas! Es ist ein gutes Zeichen, dass die Gesellschaft zusammenfindet und dass die Vernunft in ganz großem Umfang bei uns die Oberhand behält.

Andreas Neufahrt

Geht nicht gibt's nicht

4 Jahre

Toller Beitrag der Muth macht in die Zukunft zu schauen - Danke Thomas!

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