Strommarkt: Neues Marktdesign für neue Herausforderungen?
Mit der Abschaltung der letzten drei Reaktoren in den deutschen Atomkraftwerken bleiben in Deutschland nun Kohle- und Gaskraftwerke als flexibel steuerbare Kapazitäten auf dem Strommarkt verfügbar. Um die Klimaziele erreichen zu können, müssen wir idealerweise bis 2030 außerdem aus der Kohleverstromung aussteigen, so sieht es auch der Koalitionsvertrag der Bundesregierung vor. Das bedeutet, dass wir wasserstofffähige Gaskraftwerke, als regelbare Kapazitäten, weiterhin benötigen werden, die zuverlässig Strom liefern, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint. Doch der aktuelle Markt bietet für entsprechende Investitionen nur wenig Anreize, weshalb wir einen umfassenden Kapazitätsmarkt benötigen.
Transformation des Energiemarkts
Der Energiemarkt befindet sich mitten im Umbruch: Durch den Ausstieg aus Kohle und Kernenergie fehlen ab 2030 mindestens 15 GW in der Stromerzeugung. Zwar sind die Kapazitäten von Photovoltaikanlagen und Windrädern in den vergangenen Jahren stark angestiegen, allerdings sind diese nicht kontinuierlich verfügbar. Die Volatilität dieser Kapazitäten stellt den Strommarkt vor neue Herausforderungen.
Gaskraftwerke als Back-Up der Energiewende
Moderne Gaskraftwerke sind besonders geeignet, um eine jederzeit abrufbare Grundlast an Strom bereitzustellen, also auch wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht. Sie lassen sich schnell hochfahren und emittieren im Schnitt 65 Prozent weniger CO2 als Braunkohlekraftwerke. Der Energieträger Gas lässt sich zudem durch grüne Gase dekarbonisieren – so werden Gaskraftwerke mithilfe von Wasserstoff ihre Emissionen in Zukunft weiter verringern und keine „stranded assets“ (Also Vermögenswerte, die dauerhaft von Wertverlusten bis hin zum Totalverlust gekennzeichnet sind).
Um die Stromlücke zu schließen, müssen mindestens 33 zusätzliche Gaskraftwerke für die benötigten Back-up-Kapazitäten gebaut werden. Wollen wir die für 2030 gesteckten Klimaziele erreichen, muss diese zusätzliche Kraftwerkskapazität jetzt – also sieben Jahre vorher – nicht nur geplant, sondern auch zu Investitionsentscheidungen gebracht werden. Es muss rasch gehandelt werden, damit Deutschland die Kohlekraftwerke wie geplant vom Netz nehmen kann.
Zu wenig Anreiz für Investoren
Das aktuelle Strommarktdesign, der sogenannte Energy-Only-Markt, liefert zu wenig Anreize für Investitionen in den Bau zusätzlicher Gaskraftwerke. Die Preise bilden sich ausschließlich auf Basis von Angebot und Nachfrage der tatsächlichen Stromerzeugung. Da Ökostrom bei der Einspeisung ins Netz Vorrang genießt, ist es möglich, dass Gaskraftwerke nur für wenige Stunden laufen. In diesen Stunden ist die Nachfrage dann sehr hoch, was im Energy-Only-Markt bedeutet, dass der Strom zu dieser Zeit sehr teuer ist. Die Investitionssummen müssen also in immer weniger Betriebsstunden mit sehr hohen Strompreisen refinanziert werden.
Bei Einführung des Energy-Only-Marktes stand im Vordergrund, Überkapazitäten im Markt zu vermeiden. Künftig sehen wir uns aber einer Situation mit Kapazitätsknappheiten gegenüber. Der Energy-Only-Markt führt in einem berechenbaren Umfeld zu Kosteneffizienz, er überträgt das marktwirtschaftliche Prinzip von Angebot und Nachfrage auf den Strommarkt. Das ist vom Prinzip her zu begrüßen. Allerdings überlässt Deutschland die Energiewende zurecht nicht rein dem Markt, sondern will durch politische Eingriffe eine dynamische Transformation erreichen. So sollen die Klimaziele schneller erreicht werden, als es das marktwirtschaftliche Instrument des Europäischen Emissionshandels (EU-ETS) vorgibt. Gleichzeitig leistet sich die Bundesrepublik mit dem Atom- und dem Kohleausstieg einen weiteren erheblichen Markteingriff.
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Das führt zu starken Marktverzerrungen und damit zu Risiken. Deutlich wird das beim s.g. „Missing-Money-Problem“: Es finden sich nicht genügend Investoren für die dringend benötigten Gaskraftwerke. Das Investorenrisiko steigt durch die Vorgabe, dass neue Kraftwerke innerhalb ihrer Amortisationszeiträume auf Wasserstoff umgerüstet werden müssen. Ein weiterer Unsicherheitsfaktor für Investoren sind die fehlenden politischen Rahmenbedingungen: Dazu zählt etwa die immer noch nicht abschließend geklärte Frage, welche Wasserstoffproduktionen seitens der EU und der Bundesregierung als CO2-arm angesehen werden und damit förderfähig sind.
Für den Ausbau gesicherter Leistung schafft die Bundesregierung zwar Anreize – so erweiterte sie etwa im Osterpaket unter anderem die Ausschreibung von Anlagen für die Erzeugung von Strom aus grünem Wasserstoff um 4,4 GW von 2023 bis 2026 sowie innovative Konzepte mit wasserstoffbasierter Stromspeicherung um 4,4 GW von 2023 bis 2028 – doch reicht dies nicht aus, um die drohende Stromlücke zu schließen.
Vorteile von Kapazitätsmechanismen haben sich in Europa bewiesen
Ein umfassender Kapazitätsmarktmechanismus hat den Vorteil, dass er zusätzliche Anreize für Investitionen in die Stromerzeugung schafft, um die zukünftige Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Im Gegensatz zum Energy-Only-Markt, bei dem nur der tatsächlich produzierte Strom vergütet wird, erhalten Anbieter auf einem Kapazitätsmarkt eine Vergütung für die Bereitstellung von Kapazitäten, unabhängig davon, ob diese tatsächlich genutzt werden oder nicht.
Kapazitätsmechanismen haben sich in einigen Ländern bereits seit längerem bewährt. Innerhalb Europas setzten sich dabei vor allem umfassende Kapazitätsmarktmechanismen durch. Zu den Ländern mit umfassenden Märkten gehören Belgien, Großbritannien, Irland, Italien und Polen.
Die Zeit drängt – wir müssen jetzt handeln
Viel Zeit bleibt uns in Deutschland zur Einführung der umfassenden Kapazitätsmechanismen in Anbetracht der drohenden Stromlücke kaum: Zwischen Einführung entsprechender Mechanismen und der Durchführung einer ersten Auktion vergehen in der Regel mehrere Jahre. In Belgien dauerte dies vom ersten Gesetzesvorschlag bis zur Lieferung gesicherter Leistung über 7 Jahre. Deutschland wird hier deutlich schneller handeln müssen, wenn es darum geht, für Kapazitätsanbieter ein wirtschaftliches Geschäftsmodell anzubieten und rechtzeitig ausreichend Zubau anzureizen. Damit dies Aussicht auf Erfolg hat, müssen erste klare politische Weichenstellungen bereits in diesem Jahr erfolgen.
Energielösungen mit BHKW und Kraft-Wärme-Kopplung | ENERGAS BHKW GmbH | Jenbacher Gasmotoren
1 JahrStrom erzeugen, keine Wärme vergeuden - unabhängig davon, welcher Treibstoff verwendet wird. ⚡ Wer an die #energiewende denkt, denkt auch an Wasserstoff. Doch muss bei neuen Gaskraftwerke auch eine effiziente Nutzung der bei der Stromerzeugung entstehenden Wärme sichergestellt sein.