Wie Generative AI die strategische Ausrichtung von Banken verändern wird

Wie Generative AI die strategische Ausrichtung von Banken verändern wird

Large Language Models (LLMs) werden die Welt stärker transformieren, als Experten noch vor einem Jahr vermutet hätten. Spätestens seit ChatGPT Ende 2022 einer breiten Öffentlichkeit zugänglich wurde, ist klar: Wir stehen an einem Wendepunkt in der öffentlichen Akzeptanz Künstlicher Intelligenz.

Doch wie wird Generative KI die strategische Ausrichtung von Banken beeinflussen? In unserer aktuellen Studie kommen wir zu dem Ergebnis, dass Generative KI rund 72 Prozent der Arbeit in Banken signifikant verändern könnte. 54 Prozent der Arbeitszeit in Banken ließen sich nach aktuellen Erkenntnissen prinzipiell durch KI automatisieren. Das ist der Spitzenwert unter den untersuchten Branchen. Hier meine Gedanken dazu, wie Banken diese Transformation strategisch zu ihrem Vorteil gestalten sollten.

 

Vielfältige Chancen für Frontend und Backend

Wie führende Konsumgüterkonzerne setzen auch Vorreiter unter den Banken auf die Möglichkeiten der Generativen KI. Die australische Westpac beispielsweise nutzt im direkten Kundenkontakt erfolgreich KI-basierte Chatbots, wodurch in 70 Prozent der Fälle kein weiterer Support erforderlich ist. Darüber hinaus plant Westpac, einen Großteil der Kundenkommunikation zu automatisieren und generative KI zu produktiverer Programmierung und schnellerem Coding einzusetzen – ein naheliegendes Anwendungsfeld: Aktuelle Zahlen von GitHub zeigen, dass bereits heute 41 Prozent der auf GitHub geteilten Codes von KI geschrieben werden.

Das sind aber erst die Anfänge. Unsere Studie Generative AI Technology in Business hat gezeigt, dass das weltweite Marktpotenzial für Banken durch generative KI über die nächsten drei Jahre weltweit bei 3 Mrd. USD liegen wird. Die Anwendungsmöglichkeiten reichen von Innovationen in Sales und Marketing über das Technologieressort bis hin zu einem effektiveren Risikomanagement. Sowohl im Frontend als auch im Backend eröffnen sich also vielfältige Möglichkeiten, generative KI für den Erfolg der Bank einzusetzen – mit positiven Effekten auf Umsatz, Kosten, Risikomanagement und Kundenbindung. Die Kunst besteht darin, die strategisch sinnvollsten Einsatzmöglichkeiten zu identifizieren und innerhalb der Bank zu orchestrieren.

 

Veränderte Vorzeichen im Bankgeschäft

Die völlig veränderte Zinslandschaft spielt den Banken dabei in die Hände. Seit der Finanzkrise 2007/08 befanden sich die Zinsen weltweit auf einem Rekordtief. Das billige Geld zerstörte die Margen im klassischen Bankgeschäft – mit der Folge, dass sich die Banken zunehmend auf die Vermarktung einzelner Produkte konzentrierten und ihre Rolle als konsequente Begleiter der Menschen im Alltag ein Stück weit verloren. Diese Lücke wurde rasch von FinTechs gefüllt, die den Banken nach und nach wesentliche Teile ihres traditionellen Geschäfts abnehmen konnten. Mit dem starken Zinsanstieg seit 2022 ist diese Phase vorbei: Europäische Banken erzielten bereits 2022 wieder substanzielle Zinserträge, während die Disruptoren der Branche teils deutliche Bewertungsabschläge hinnehmen mussten. Es stellt sich ein neues Gleichgewicht ein, das der Zeit vor der Finanzkrise ähnlicher ist als die abgelaufene Dekade.

 

Lebenszentrierung statt Kundenzentrierung oder Produktfokus

Gleichzeitig verschiebt sich der Fokus nach den produktorientierten 2010er-Jahren aktuell wieder in Richtung Kunden. Ich habe in diesem Frühjahr bereits beschrieben, dass Banken strategisch dann gute Chancen haben, wenn sie auf Lebenszentrierung statt auf Kundenzentrierung setzen, also die Lebensumstände und Bedürfnisse ihrer Kunden in aller notwendigen Tiefe verstehen und ihre Geschäftsmodelle entsprechend anpassen. Mit diesen strategischen Überlegungen im Hintergrund eröffnen sich den Banken durch Generative KI neue strategische Optionen, die sie jetzt beherzt nutzen sollten. Diese Optionen werden es den Banken ermöglichen, im Wettbewerb mit FinTechs, Private-Equity-Gesellschaften und auch Konsumgüterunternehmen wieder Boden gutzumachen.

 

Generative KI als nächste Evolutionsstufe

Ein wichtiger Aspekt der Transformation einer Bank durch Generative KI wird die Organisation und Verteilung von Arbeit sein. Unsere Studie zeigt, dass kaum eine Funktion oder Rolle in einer Bank von KI unberührt bleiben wird. Je nach Beruf oder Rolle ergibt sich allerdings ein sehr unterschiedliches Bild.

Aus meiner Sicht sind in den folgenden Bereichen die größten Veränderungen für Banken zu erwarten und sollten daher ganz oben auf der Prioritätenliste der Entscheider stehen:

Content-Erstellung: Wie das Beispiel Westpac zeigt: Generative KI wird zum ständigen Begleiter all jener, die in Marketing und Vertrieb daran arbeiten, ihre Zielgruppen noch gezielter anzusprechen.

Beratung: Auch die klassische Beratung wird zunehmend KI-gestützt ablaufen – was einerseits die Qualität der Beratung verbessern und andererseits die Produktivität in den Banken zum Teil erheblich steigern dürfte.

Automatisierung: Ob Backoffice oder Frontoffice: In allen administrativen Funktionen und vielen banktypischen Prozessen wird Generative KI eine weitgehende Automatisierung und gleichzeitig einen deutlich höheren Grad an Personalisierung ermöglichen.

Risikomanagement: Auch im Bereich der Informationssicherheit wird KI ihren Beitrag leisten, ebenso bei der Betrugserkennung und -prävention oder in Compliance-Fragen – und sie wird damit zum unverzichtbaren Sparringspartner für die Unternehmensführung werden.

Programmierung / Coding: Erhebliche Potenziale sehe ich aber vor allem bei Programmierung und Coding. In der Programmierung neuer Software wird Generative KI eine ihrer produktivsten Anwendungen finden: Hier werden wir schon bald deutliche Substitutionseffekte sehen. Man könnte auch sagen, dass die Software-Entwicklung mithilfe von Generativer KI die Königsdisziplin der Effizienzsteigerung für Finanzinstitute sein wird. Goldman Sachs beispielsweise hat eine entsprechende Initiative schon im März angekündigt.

 

Rahmenbedingungen für hohes Tempo schaffen

Um diese Potenziale der Generativen KI ausschöpfen zu können, müssen Banken jedoch ein besonderes Augenmerk auf die richtigen technologischen Rahmenbedingungen legen. In den vergangenen Jahren haben sie sich häufig auf inkrementelle Veränderungen ihrer Daten- und Technologiearchitektur beschränkt. Im Zeitalter der Generativen KI benötigen sie jedoch mehr:

1.    Ambidextrie: Schnelle Experimente mit Generativer KI sind wichtig. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass ein zu forsches Vorgehen die Organisation überfordert. Banken sollten daher einerseits mit kleinen Projekten schnelle Erfolge erzielen, andererseits aber auch strategisch über ganz neue Geschäftsmodelle nachdenken.

2.    Fokus auf die Menschen: Banken benötigen eine neue Talentstrategie für die Implementierung von KI. Angesichts des komplexen Einflusses von KI auf die einzelnen Rollen sollten sie die Rollenbeschreibungen analysieren und herausarbeiten, wie beziehungsweise wie stark sie sich durch Generative KI verändern.

3.    Datenarchitektur: Im Zeitalter der generativen KI benötigen Banken eine geeignete cloudbasierte Datenarchitektur, die unter anderem das Training von Basismodellen ermöglicht und die abteilungsübergreifende Demokratisierung der Datennutzung erlaubt. Da alle KI-Modelle nur über die Cloud genutzt werden können, müssen sich die Banken nun endgültig für die Public Cloud öffnen und die entsprechenden IT-Fähigkeiten aufbauen.

4.    Nachhaltige IT-Infrastruktur: Mit zunehmender Reife werden auch die Anforderungen an die Rechenleistung durch Generative KI steigen. Banken sollten frühzeitig damit beginnen, ihre Infrastruktur diesen neuen Anforderungen anzupassen.

5.    Ökosystem nutzen: Der Aufbau der richtigen KI-Infrastruktur – nicht zuletzt der Basismodelle – erfordert Ressourcen und Know-how. Banken sollten daher Wert auf ein gutes Partnernetzwerk legen, insbesondere mit KI-Start-ups und -Scale-ups.

6.    Governance etablieren: Robuste Governance-Prozesse sind für den Einsatz von generativer KI in der Bank unerlässlich. Bisher verfügen nur rund 6 Prozent der Unternehmen über eine ausreichende Basis. Ein entsprechendes Governance-System ist Chefsache und sollte daher vom Management mit Nachdruck etabliert werden.

7.    Risikomanagement überdenken: Mit dem Einsatz Generativer KI ergeben sich auch neue Risiken, die aktuell noch nicht vollständig überschaubar sind. Banken müssen frühzeitig Wege etablieren, um ihr eigenes geistiges Eigentum und das geistige Eigentum Dritter zu schützen – und sich gleichzeitig in Fragen der Produkthaftung absichern.

Die Banken stehen also in vielerlei Hinsicht vor einer gewaltigen Transformation. Generative KI wird sie in den kommenden Jahren intensiv beschäftigen und sie vor die Herausforderung stellen, sich grundlegend neu zu erfinden. Bei aller Komplexität kommt es dabei auf Geschwindigkeit an – denn wer heute (nicht) die richtigen Entscheidungen trifft, wird dies schon 2024 oder 2025 sehr schnell an den Geschäftszahlen spüren. Parallel dazu müssen sich Banken allerdings darauf konzentrieren, die richtigen Rahmenbedingungen zu setzen, um agil zu bleiben, damit sie rasch auf die Veränderungen der kommenden Jahre reagieren können.

Wie Generative KI Unternehmen aller Branchen beeinflussen wird, beschreiben meine internationalen Kollegen in unserer aktuellen Studie. Ich wünsche Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre.

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