Wir haben geliefert
Bis zum 15. März gibt es in Deutschland zwar keinen Rechtsanspruch auf Homeoffice, aber eine „Angebotspflicht“ für die Arbeitgeber. Überflüssig, auch wenn die Arbeitgeber der Versicherungswirtschaft damit problemlos klarkommen !
Wenn es eine Branche gibt, die bewiesen hat, dass man von einer Zurückhaltung gegenüber Homeoffice rasch zu einer Homeoffice-Quote von 80 bis 90 Prozent umsteigen kann, dann ist es die Versicherungswirtschaft. Deshalb hätten wir auch keine Verordnung des Bundesarbeitsministers gebraucht. Sie schränkt – zumindest ein wenig – das Direktionsrecht ein, und das mögen Arbeitgeber zu Recht nicht.
Ich glaube nicht, dass es in der Versicherungswirtschaft Mitarbeiter gibt, die Homeoffice machen könnten (die meisten können es, nicht alle) und die diesen Wunsch äußern (nicht alle, die Homeoffice machen könnten, wollen es auch) und die mit diesem Wunsch auf Granit bei ihrem Arbeitgeber stoßen.
Wenn aber Arbeitgeber so konstruktiv mit dem Thema Homeoffice umgehen, dann wollen sie nicht vom Gesetzgeber noch zusätzlich Bürokratie aufgeladen bekommen. Denn wenn Arbeitgeber eine neue Pflicht auferlegt bekommen, dann wird deren Einhaltung von der Verwaltung auch überprüft, es sei denn, diese dürfte nur auf eine Beschwerde eines Arbeitnehmers oder eines Betriebsrats tätig werden. Aber dazu hat sich der Bundesarbeitsminister leider nicht entschlossen.
Folge: Die Hansestadt Hamburg teilte dem Tagesspiegel auf Anfrage mit, ihre Arbeitsschutzbehörde habe rund 200 Betriebe unangekündigt besichtigt – von Verlagen über Banken bis hin zu Versicherungsunternehmen.
Bei der Frauenquote war es auch so …
Politisches Handeln muss nach meinem Verständnis glaubwürdig, transparent und konsequent sein. Dazu gehört, dass der Staat der Privatwirtschaft als Arbeitgeber nichts auferlegen sollte, was er selbst als Arbeitgeber nicht leisten möchte. Diese Diskussion hatten wir beispielsweise auch bei der „Frauenquote“ geführt. Ich habe ein gewisses Verständnis dafür, dass der Gesetzgeber darüber enttäuscht ist, dass der Frauenanteil in den Vorständen börsennotierter und vollmitbestimmter Unternehmen unter acht Prozent liegt. Ich habe aber kein Verständnis dafür, dass der Gesetzgeber dies kritisiert, obwohl der Anteil von Frauen in Führungspositionen in staatlichen Unternehmen zuletzt sogar wieder gesunken ist!
Beim Thema „Homeoffice“ ist es ähnlich:
- Rund 120 000 Menschen arbeiten in der Stadt Berlin in der Verwaltung. Nur zwölf Prozent von ihnen konnten zum Jahreswechsel aus dem Homeoffice auf ihre Dienstcomputer zugreifen. Dann hat der Berliner Senat 5 000 Notebooks bestellt, damit die Berliner Verwaltung zumindest zu rund 17 Prozent homeoffice-fähig wird.
- Nach einer Studie des Deutschen Beamtenbundes und der Hertie School of Governance arbeiteten in der ersten Corona-Phase des letzten Jahres 67 Prozent der Mitarbeiter in den Behörden auf Bundesebene im Homeoffice, bei den Beschäftigten auf Landesebene waren es 55 Prozent, die Kommunen kamen nur auf 37 Prozent.
- Der Städtetag Baden-Württemberg hat im Januar eine Umfrage durchgeführt, an der sich 103 von 190 Mitgliedsstädte beteiligt haben. Ergebnis: Nur die Hälfte der städtischen Arbeitsplätze eignet sich für Homeoffice, und von den Mitarbeitern mit einem homeoffice-fähigen Arbeitsplatz sind nur 67 Prozent tatsächlich im Homeoffice.
- Eine Umfrage der Welt am Sonntag bei 16 Bundesbehörden ergab eine eher zurückhaltende Homeoffice-Praxis: Bei der Stasi-Unterlagenbehörde arbeiten nur 50 Prozent der Mitarbeiter von zu Hause aus, beim Bundesverwaltungsgericht 53 Prozent und bei der Deutschen Rentenversicherung Bund 55 Prozent. Als Hauptgrund wurde von den Behörden genannt: Einige Akten lägen nur an der Dienststelle vor. Na ja, dort könnte man sie sich auch abholen …
Vorbildrolle gerecht werden
Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger sagte zu Recht: „Wer von den Privaten fordert, muss auch selbst Vorbild sein.“
Vielleicht sollte die öffentliche Hand, bevor sie die Mitarbeiter der Arbeitsschutzbehörden in die Privatunternehmen schickt, ihre Kraft darauf verwenden, rasch selbst eine Kultur des mobilen Arbeitens zu entwickeln. Dann kann der Bundesvorsitzende des Deutschen Beamtenbundes, Ulrich Silberbach, auch nicht mehr sagen: „In Sachen Digitalisierung, IT-Ausstattung und E-Government steckt Deutschland leider immer noch in der Kreidezeit fest.“
Die Journalistin Heike Jahberg sprach mir aus dem Herzen, als sie im Tagesspiegel schrieb: „Mein Vorschlag: Verschieben wir die Homeoffice-Pflicht, bis auch die Verwaltung mitmachen kann. Dann bin ich wahrscheinlich in Rente.“
Ihr
Michael Niebler
Unternehmer mit ausgeprägten Netzwerk in der Finanz- und Versicherungsbranche
3 JahreIch kann dem Artikel nur vollumfänglich beipflichten! Bei uns wurden Verwaltungsangestellte im öffentlichen Dienst coronabedingt ins Home Office geschickt, ohne Aufgabengebiet bei vollem Lohnausgleich.....