Von Gießkannen und Haltelinien
Im immerwährenden Streben nach Gleichbehandlung und vermeintlicher Gerechtigkeit, so scheint es mir, neigen viele in der Politik dazu, vorschnell zur Gießkanne zu greifen. Gegossen werden alle Blumen, ob fast verdurstet oder bestens in der Blüte stehend. Dieses Phänomen zieht sich durch viele Bereiche von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, ob in der Sozialpolitik, bei der Rente oder in der Wirtschaftsförderung. Im Ergebnis kommt es oft zu Fehlallokationen von Kapital, Steuern und Beiträgen. Warum fehlt es oftmals am Willen, differenzierte Lösungen zu suchen?
Die aktuelle Reform der gesetzlichen Rente zeigt das Dilemma: Ein wichtiges Element des Rentenpakets II von Arbeitsminister Hubertus Heil ist die Festschreibung der sogenannten „Haltelinie“. Sie soll dafür sorgen, dass das Niveau der durchschnittlichen gesetzlichen Rente bis zum Jahr 2040 nicht unter 48 Prozent des Durchschnittseinkommens liegt. Klar ist, dass das Rentenpaket viel Geld kosten wird und zulasten der aktuellen und künftigen Beitragszahler in Form deutlich steigender Rentenbeiträge gehen wird. Der Bundesrechnungshof kalkuliert Mehrausgaben für die Rentenkasse von rund 500 Milliarden Euro bis zum Jahr 2045.
Möglichst breite oder bedarfsgerechte Unterstützung?
Die Frage ist, ob es wirklich eine Haltelinie für alle Rentenbezieher braucht. Wäre es nicht sinnvoller, vor allem Menschen, die weniger verdienen und damit auch eine geringere Rente zu erwarten haben, diese Form der Sicherheit zu geben? Umgekehrt ist bei Besser- und Hochverdienenden, die zum großen Teil auch über andere Absicherungen wie private Rentenversicherungen oder Betriebsrenten verfügen, eine Senkung der Haltelinie denkbar, so wie es zum Beispiel der renommierte Wirtschaftswissenschaftler Prof. Axel Börsch-Supan vorgeschlagen hat. Bezeichnenderweise war es die rot-grüne Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder, die die Haltelinie vorausschauend auf 45 Prozent gesenkt hatte, um angesichts der demografischen Entwicklung das Rentensystem zu stützen. Differenzierung statt Gießkannenprinzip könnte helfen, die Belastung gerade für die junge Generation in Grenzen zu halten.
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Doch mit einem differenzierten – man könnte auch sagen: zielgenauen – Vorgehen tut sich die Politik oft schwer: Die Diskussion kommt regelmäßig auf, wenn es um Sozialleistungen, Subventionen oder Fördergelder geht. War es beispielweise wirklich sinnvoll, die Inflationsausgleichsprämie von steuerfreien 3.000 Euro jedem Arbeitnehmer zu gewähren, egal ob geringfügig Beschäftigter oder Top-Verdiener? Bekanntlich war diese Leistung von den Unternehmen zu zahlen – und am Ende hat längst nicht jedes dies getan. Ist es nicht Aufgabe des Staates, bei der Gewährung staatlicher Leistungen, also beim Umgang mit Steuergeld, den Faktor Bedürftigkeit ganz oben zu setzen, gerade weil es gilt, den Sozialstaat bezahlbar zu halten?
Ungeeignetes „Breitband-Antibiotikum“ für die Wirtschaft
Jüngstes Beispiel für das Prinzip „gut gemeint, aber falsch angesetzt“ ist das von Wirtschaftsminister Robert Habeck vorgelegte Konzept „Update für die Wirtschaft“, das einen „Deutschlandfonds für Investitionen“ vorsieht. Pauschal allen Unternehmen eine Investitionsprämie von 10 Prozent zu versprechen (mit Ausnahme von Gebäudeinvestitionen), mag einfach und unbürokratisch klingen. In Wirklichkeit ist es ein unspezifisches, in seinen wirtschaftlichen Auswirkungen völlig unvorhersehbares Förderinstrument. Es ist, als würde der Arzt bei einer eindeutig diagnostizierten Krankheit ein Breitband-Antibiotikum verschreiben, in der Hoffnung, dass es irgendwie helfen möge.
Welche Investitionen meint der Minister? Ausgaben für die neue Büroausstattung, Erweiterungen von Produktionsanlagen oder Grundlagenforschung? Und auf alles 10 Prozent Förderung? Bezeichnend ist, dass das Ministerium die Alternative allgemeiner Steuersenkungen im Hochsteuerland Deutschland mit dem Hinweis verwirft, dies reize die Unternehmen nicht ausreichend zu investieren. Stattdessen also wieder ein neues Förderinstrument, das am Ende noch mehr Bürokratie schafft – und mit der ganz großen Gießkanne verteilt werden soll.
Kernproblem: Das „Nichtakzeptierenwollen“ des Grenznutzenprinzips für Investitionen aller Art - auch für Investitionen in Gerechtigkeit. Ab einer bestimmten Investitionssumme führt jeder zusätzliche Euro zum Gegenteil des Beabsichtigten. Die Gesetzmäßigkeit des abnehmenden Grenznutzens gilt auch für das Bemühen um Gerechtigkeit, so erstrebens- und anerkennenswert es auch immer sein mag…
Geschäftsführender Inhaber
4 Wochen... so abwegig erscheint mir eine zielgenaue Investitionszulage z. Bsp. in langlebige Wirtschaftsgüter nicht. Das gab es , meine ich, in den 80-er Jahren schon einmal. Vor allem hätte eine Zulage den Vorteil, daß die Investitionsentscheidung von dem Unternehmer getroffen wird mit dem Erfolg, dass der am besten weiß wie und wo man gewinnbringend investieren kann. Auf keinen Fall darf die Politik bestimmen.
CEO PlattesGroup | Ihr deutschsprachiger Partner auf Mallorca für Wirtschaft, Steuern und Recht
4 WochenOhne abgeschlossenes Studium Ressortchef der Finanzen oder der Wirtschaft werden, ohne fachliche Qualifikation Verteidigungs- oder Justizministerin? In Deutschland liegt das im Trend. Die Entkoppelung von Kompetenz und Autorität lässt das Ansehen der Politik weiter erodieren. Dann geschehen leider die von Ihnen angesprochenen Fehlallokationen.