DRECKSSOMMER – Oder: Wie ich mal ausversehen ein bekannter Winzer war.
Auf einmal stand mein Wein im Rampenlicht

DRECKSSOMMER – Oder: Wie ich mal ausversehen ein bekannter Winzer war.

Eine wahre Geschichte.

Es ist Donnerstagabend, unser kleiner Sohn schläft schon, Nadine ist auf Dienstreise und mir ist langweilig. Ich schalte den Laptop an, schreibe einen kleinen Post auf Facebook, füge ein Bild hinzu und poste ihn. Danach schalte ich den Rechner aus und gehe schlafen. Was dann in den nächsten Tagen passieren sollte, war gelinde gesagt: unglaublich.

Aber gehen wir doch nochmal ein Stück zurück. Genauer gesagt um ein halbes Jahr vor besagtem Abend. Es ist Spätsommer 2017 und die beiden Reben, die das unschöne Geländer vor unserem Haus verdecken sollen, hängen voller saftiger Weintrauben. Wir kommen mit dem Essen nicht hinterher und schon wieder Rosinen daraus machen, wie in den Jahren zuvor, will ich auch nicht. Es isst bei uns eigentlich auch niemand Rosinen.

„Du, lass uns doch mal Wein daraus machen, ich habe noch die Ausrüstung von meinen Großeltern aus Thüringen im Schuppen.“ sagt mein Vater, als er die vielen Früchte sieht. „Ja, klar, interessante Idee.“ reagiere ich skeptisch. Ungeachtet meiner Zweifel bringt er beim nächsten Besuch die „Ausrüstung“ mit, mit der irgendwelche Vorfahren in Thüringen vor über 50 Jahren ihre Obstweine produzierten, um nicht nüchtern durch den Winter kommen zu müssen.


Mit diesem Bild auf Facebook ging es los

Wir ernten also die Früchte, quetschen den Most raus, fügen Hefe hinzu und setzen unseren ersten eigenen Wein in einem großen Glasballon an. Es blubbert, gärt und riecht säuerlich in den nächsten Wochen. Die Monate vergehen und der Frühling naht. Irgendwie ist der Wein in Vergessenheit geraten, dort in seiner ruhigen, schattigen Ecke unter der Treppe. Aber mein Vater denkt natürlich dran. „Wollen wir den jetzt nicht mal kosten und in Flaschen füllen?“. Als guter Sohn hege ich weiterhin Zweifel an der fixen Idee meines Vaters und bin sicher, dass der Wein ein Reinfall sein muss. Aber der Bastler und kreative Mensch in mir sagt sich: „ Wenn er schon komisch schmeckt, soll er wenigstens gut aussehen!“ Ich besorge schöne Flaschen, gestalte Etiketten und überlege mir einen Namen.

Das Jahr, in dem wir die Trauben ernteten, war für junge Eltern echt doof. Unter der Woche, als wir arbeiteten, schien die Sonne und am Wochenende regnete es. Ein echter DRECKSSOMMER. Der Name für meinen Wein stand also fest.

Wir füllen den Wein ab und kosten natürlich erstmal. Schau an, der schmeckt gar nicht so furchtbar wie erwartet. Und in seinen Flaschen mit den tollen Etiketten sieht er auch ganz gut aus. „Klick“, fotografiert.

Und dieses Foto fügte ich dann meinem kleinen Facebookpost bei. Dann schrieb ich noch ein paar Zeilen darüber, dass ich meinen ersten eigen Wein aus Berliner Boden produziert habe und dann ging´s los.

„Robert, ich habe da deinen Beitrag auf Facebook gesehen, darf ich darüber mal mit Dir sprechen?“ fragt mich der Reporter vom Berliner Kurier am Telefon. Es ist eine von vielen Fragen, die mich über die verschiedensten Kanäle in den nächsten Tagen erreichen. Was passiert da gerade? Ein paar Leute hatten meinen Post gesehen und kommentiert und geteilt. Und so haben andere den Beitrag gesehen und auch geteilt und immer mehr und mehr. Die ersten Fragen kommen, wo man meinen Wein denn kaufen kann und ob ich die Trauben von verschiedenen Kleingärtnern nicht verwerten möchte.


Ein guter Zweck für etwaige Erlöse findet sich immer

Man kann meinen Wein nicht kaufen. Ich habe 19 Flaschen, es ist ein Gag und ich trinke den doch selbst. Die Fragen häufen sich. Also stelle ich eine Flasche aus Spaß und für einen guten Zweck bei eBay ein. Da bietet doch tatsächlich jemand 200,-€! Ich reibe mir die Augen. Die Berliner Zeitung und die Morgenpost berichten über die Geldübergabe und die Spende an unsere freiwillige Feuerwehr und auch FOCUS online hat inzwischen einen Artikel veröffentlicht. Das sieht das Fernsehen. Also stehe ich irgendwann mit einem Fernsehteam vom RBB in einem Berliner Hinterhof und ernte mit einem befreundeten (und gelernten) Winzer, der mich inzwischen unterstützt, Trauben und erzähle darüber, wie man als Städter mit dem Namen Frischbier zum Winzer wird.


Was passiert da gerade? Mein Wein und ich waren auf einmal überall.

Was mache ich jetzt mit diesem Rückenwind? Lässt sich daraus eine Unternehmung machen, die vielleicht sogar profitabel wird? Kann man im Stadtgebiet bei verschiedenen Menschen Trauben ernten und daraus einen wilden Cuvée machen, den man dann verkauft?

KANN MAN NICHT! Und darf man auch gar nicht. Das deutsche Weingesetzt hat mir diese Entscheidung zum Glück abgenommen und so kam ich gar nicht erst in die Verlegenheit, zu versuchen, aus einem Hobby, dass mir nach wie vor viel Spaß macht, ein fragiles Unternehmen zu machen, dessen  nachhaltiger Erfolg sicher fraglich wäre. Außerdem hätte ich dann erfolgreich sein müssen mit dem Wein. Aber dann wäre bestimmt der Spaß an der Sache verlorengegangen.

Was ich aber tun konnte, war den Namen zu verwenden, ihn auf Shirts zu drucken und damit immer mal wieder Gelder für gute Zwecke zu sammeln. So ging im Jahr der Flut einiges ins Ahrtal um einen kleinen Beitrag zum Wiederaufbau zu leisten.


Inzwischen gibt es die DRECKSSOMMER Shirts für den guten Zweck auch alkoholfrei für Kinder

Heute mache ich nach wie vor einmal im Jahr meinen eigenen Wein. Gerne mit Freunden und den Kindern zusammen. Es gibt nichts angenehmeres, als barfuß in den Trauben zu stampfen und mit vielen netten Menschen ein Gläschen Wein auf den neuen Jahrgang zu erheben.

Wenn ihr mich also hier oder irgendwo sonst manchmal mit einem Shirt seht, auf dem DRECKSSOMMER steht, dann kennt ihr jetzt die Geschichte dahinter, von dem Berliner, der Frischbier heißt und mitten in der Großstadt Wein macht.

Prost und auf Euer Wohl

Robert



Ps.: Falls Ihr selbst so ein Shirt haben möchtet, könnt Ihr es Euch hier holen.

Die alkoholfreie Variante gibt´s hier

Alle Überschüsse werden natürlich nach wie vor gespendet


Jan Heinemann

Neo-Generalist & Marketing Stratege 👉 Als Sparringspartner unterstütze ich Dich Marketingstrategien zu entwickeln, optimieren, implementieren.

2 Monate

War ne schöne Sache.

Isabel Haufe

Teamgeist fördert TEAMGEIST | Experte für Teamevents und Teambuilding für Großgruppen | Wir begeistern & verbinden Menschen mit gemeinsamen Aktivitäten in der Natur, zu Wasser, zu Land und auch Indoor oder remote

2 Monate

Robert Frischbier - was für eine coole Geschichte!

Thomas Angerstein

Vice President, Head of Mission-Critical Support EMEA/MEE at SAP SE - Co-lead and jobsharer - Mentor - Next Generation Talent Management - dads@SAP member - decentral trainer for VT students

2 Monate

Hey Robert…leider geil 🤩 der Hammer, wie Dinge einfach passieren!

Martina Koch (GernePerDu)

#NetzwerkArchitektin - Mit Talent & Herzblut vernetze ich Menschen u Organisationen,unterstütze gemeinsam wirksam zu sein #Soz_Nachhaltigkeit #ArbeitgeberAttraktivität #Lebensphasenorientierung #PaC #Vereinbarkeit #CSR

2 Monate

Einfach eine bärenstarke Story, auch oder gerade Weiler auf „Dreckssommer“ basiert 👏🤣🙃

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