Es geht um die Zukunft: Einkauf im Mittelstand
Na und? Dieser leicht hämische Nachsatz scheint zumindest im Mittelstand noch weit verbreitet. Es mutet zumindest seltsam an, wenn seit gut 20 Jahren das dringende Gebot der Digitalisierung gepredigt wird, aber vielerorts bis heute auf taube Ohren stößt. Dabei geht es längst um viel mehr als nur die Verlagerung der Ressourcen in strategische Einkaufsbereiche: Es geht um die Zukunft des Mittelstands!
Jan-Henner Theissen ist Vollblut-Einkäufer, der unter anderem an Bord der BENTELER Group sowie der AGCO Corporation große Standardisierungsprozesse globaler Beschaffungsorganisationen begleitet hat. Heute nutzt er diese Erfahrungen als targetP! agile procurement enabled Business Consultant – und verfügt als solcher über eine veritable Einsicht in den Mittelstand. DIG GmbH hat mit ihm über die aktuelle Lage gesprochen.
Notwendige Neupositionierung des Einkaufs
„Es geht auch im Zeitalter von Lieferkettengesetzen nicht nur um Regelungen oder EU-Vorgaben“, stellt Theißen klar. Vielmehr ergäbe sich die Notwendigkeit zur Veränderung aus dem großen Ganzen: „Wir müssen uns im Einkauf angesichts eines disruptiven, globalen Umfelds auf Wertbeiträge abseits der üblichen Kostensenkung konzentrieren! Ideelle Werte, der Schutz von Menschen und Umwelt, all das sind selbstverständliche Kundenerwartungen – b2b wie b2c.“ Ziel sei es daher unter anderem, im Einkauf als Gestalter integrer Lieferketten und mehrstufiger Liefernetzwerke Verantwortung zu übernehmen.
Unternehmen wie Volkswagen AG und DMG MORI kündigen bereits an, bald nur noch mit entsprechend ethisch positionierten Geschäftspartnern zu arbeiten. „Der Einkauf hat daher die fundamentale Aufgabe, das eigene Unternehmen im Spiel zu halten! Gefragt seien völlig neue Kompetenzen z.B. in den Bereichen Data Science, Enterprise Social Governance, Risikomanagement oder auch Social Procurement. Dementsprechend gehöre beispielsweise auch der Umgang mit Plattformen wie LinkedIn zu den Basics der neuen Generation an Einkäufer*innen. „Der sich digitalisierende Einkauf ist genau der Hebel, um notwendige Ressourcen für den Aufbau ebendieser Kompetenzen freizuschaufeln. Damit die sich aber wertschöpfend entfalten können, braucht es neue Prozesse – vor allem KMUs haben hier Nachholbedarf. Den seichten Kalauer ‚weniger operativ, mehr strategisch arbeiten‘ kann ich deshalb nicht mehr hören, denn das reicht nicht mehr aus.“
Spezifische Problemstellungen im Mittelstand
Trotz vieler Leuchtturmprojekte (wie etwa DIG Kunde PALFINGER AG) sieht Theißen KMUs für die gegenwärtigen Herausforderungen oftmals noch unzureichend gerüstet: „Vielfach fehlt die Bereitschaft in den Einkauf zu investieren und diesen zu entlasten.“ Vor allem in familiengeführten Unternehmen seien Maßnahmen häufig von der persönlichen Meinung des Inhabers abhängig. „Als Fan des Mittelstandes schmerzt mich das sehr, wenn wichtige Handlungsfelder wie Warengruppen-, Lieferanten-, Risiko- und Nachhaltigkeitsmanagement unbeackert bleiben!“ Aber auch das Fehlen einer klaren Einkaufsstrategie oder selbstverständlicher Tools wie eProcurement erlebt Theißen regelmäßig: „Da muss der Einkauf, der Unternehmensinteressen bei Lieferanten mit Vehemenz vertritt, dasselbe intern für die eigenen Anliegen tun!“ Die aktuelle wirtschaftliche Situation stärke den Buying-Abteilungen dabei den Rücken. „In den letzten Jahren waren es nicht selten die Einkäufer, die das Unternehmensergebnis gerettet haben – dieses Momentum gilt es jetzt zu nutzen und pro-aktiv an der eigenen Zukunft zu arbeiten!“
Für sich selbst einkaufen lernen
Vor allem bei digitalen Projekten wie z.B. der Einführung von eProcurement-Lösungen muss der Einkauf klar definieren, was er braucht. In der Praxis fehlen jedoch oft die Ressourcen dafür. „Dann übernehmen die Kollegen aus der IT – und kommen mit einer Software um die Ecke, die genau die benötigten Anforderungen nicht erfüllt.“ Stattdessen solle der Einkauf die Richtung vorgeben und sich selbst als Manager und Betreiber der Lösung sehen, so Theißen. Notwendige Voraussetzungen: eine klare Einkaufsstrategie und ein kompetenter Projektleiter, der sich mit den Inhalten identifiziert. „Da lohnt es sich, auch auf externe Experten zurückzugreifen, die die Interessen und Ziele des Einkaufs im Unternehmen vertreten!“ Denn eines ist klar: „Digitalisierung in der Beschaffung schafft eklatante Wettbewerbsvorteile.“ Und das ist kein Zukunftsprojekt, sondern Anspruch an die Gegenwart, schreibt Theißen auch in seinem Leitfaden Digitaler Einkauf im Mittelstand (hier erhältlich). „eProcurement-Lösungen sind vorhanden, haben sich vielfach bewährt und amortisieren sich schnell – ob von SAP oder innovativen Anbietern wie DIG GmbH. Man muss sie nur nutzen!“
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1 JahrAlles richtig, mich würde interessieren, bei welchem Anteil der Unternehmen dieses Bewusstsein vorhanden ist? Bei österreichischen Einkäuferkongressen sind kaum mehr als 100 Teilnehmer anwesend. Und was ist mit der großen Masse?