Zusammen Zara?

Zusammen Zara?

Über vertikale Partnerschaften diskutieren Modehandel und -Industrie mittlerweile seit Jahrzehnten. Zeitgleich ist der Markt für die Multilabelanbieter und ihre Lieferanten dramatisch geschrumpft. Aus der Partnerschaft ist längst eine Schicksalsgemeinschaft geworden.

„Zusammen sind wir Zara.“ An Heinz Krogners legendären Ausspruch seinerzeit beim TW-Forum musste unweigerlich denken, wer den Beitrag "Lasst uns loslegen" in der aktuellen TW gelesen hat. Ein illustrer Kreis von Unternehmern und Top-Managern aus Industrie und Handel traf sich auf Initiative von @hachmeister + partner und TW in München, um eine "Neudefinition und Weiterentwicklung des gemeinsamen Kooperationsmodells" zu diskutieren.

Es ist ein Deja-vu. Seit Krogners Auftritt vor über 20 Jahren hat es etliche solcher Initiativen gegeben. Stets war die Zielsetzung, gemeinsam mehr Geld verdienen zu wollen. Unvergessen Claus Vockes Auftritt bei einem dieser TW-Workshops, den er mit der Winnetou-Melodie unterlegte, um dann über "eingebildete Vertikalisierung", Unverbindlichkeit und "das viele Gelaber" der angeblichen Blutsbrüder im Modebusiness herzuziehen.

Das ist 16 Jahre her. Seitdem sind neue Themen und neue Instrumente dazu gekommen. Zugleich ist der Markt für die Multilabelanbieter und ihre Lieferanten dramatisch geschrumpft. Aus der Partnerschaft ist längst eine Schicksalsgemeinschaft geworden. Zusammen Zara? Heinz Krogners Appell (der in Wahrheit natürlich nur ein griffiger Verkaufsslogan für noch mehr Esprit-Shops war) hat nicht gefruchtet.

Und das ist auch kein Wunder. In Sonntagsreden wird gerne die „vertrauensvolle Partnerschaft zwischen Industrie und Handel“ beschworen. Freilich versteht darunter jeder etwas anderes. Für die Industrie ist Partnerschaft, wenn der Handel sich über Shops langfristig bindet, möglichst wenig Retouren schickt, alle Abverkaufsdaten zur Verfügung stellt und natürlich seine Rechnungen pünktlich bezahlt. Für den Handel ist Partnerschaft, wenn die Lieferanten möglichst hohe Kalkulationen garantieren, Depotverträge unterschreiben, unverkaufte Ware zurücknehmen und ordentliche WKZs beisteuern. Das Gerede von der Partnerschaft ist allzu oft scheinheilig und soll nur die handfesten Interessengegensätze verdecken, die es im Verhältnis von Industrie und Handel nun mal gibt: Beide Seiten wollen Geld verdienen, und das geht tendenziell auf Kosten des anderen.

Leider gibt es nur wenige Lieferanten, die das Systemgeschäft wirklich und nachhaltig beherrschen. Auf der anderen Seite entwickeln auch viele Fachhändler nicht mehr die Anziehungskraft, die die Kunden heute triggert.

Statt wolkig von Partnerschaft sollte man deshalb besser darüber reden, wie man zu einem beide Seiten befriedigenden Interessenausgleich kommt. Das ist es, was Einkauf und Verkauf täglich verhandeln. Wer dabei wie abschneidet, ist am Ende eine Machtfrage. Die

Eigeninteressen der Beteiligten zementieren letztlich aber die bestehenden Strukturen. Innerhalb dieser Strukturen wird man die Nachteile gegenüber dem vertikalen Geschäftsmodell im Hinblick auf Effizienz und Trendreaktionsgeschwindigkeit kaum ausgleichen können. Zumal es nur wenige Lieferanten gibt, die das Systemgeschäft wirklich und nachhaltig beherrschen.

Auf der anderen Seite entwickeln leider auch viele Fachhändler nicht mehr die Anziehungskraft, die die Kunden heute triggert. Zara hat ja nicht nur das Sortiment und die Warenwirtschaft perfektioniert, sondern gibt in allen Erfolgsfaktoren – angefangen beim POS-Auftritt, über den Look & Feel von Schaufenstern und Webshop, den Aktivitäten in Social Media bis hin zur kanalunabhängigen Customer Journey ein stimmiges Bild ab. Schon gar nicht wird man Shein kopieren können, denn das ist ja nichts anderes als eine Direktvertriebsplattform für die chinesischen Produzenten, die bislang als Werkbank für die hiesige Industrie fungierten, und damit als Geschäftsmodell quasi die Endstufe der Vertikalisierung. Und dies in Verbindung mit einem innovativen User-Interface, dessen Attraktivität sich über 20jährigen nicht mehr erschließt.

Man kann diese Geschäftsmodelle nicht mal eben so kopieren. Aber man sie kapieren und davon lernen. Die Digitalisierung bietet hier auch neue Tools und Möglichkeiten. Wenn Workshops dazu das Verständnis fördern und Überzeugungsarbeit leisteten, wäre schon viel gewonnen.

Kevin Ziegler

C-Level, Executive, Authentic Leader, Doer, Mentor & Enabler, Optimist, pragmatic and solution-oriented

1 Monat

…spannend ist immer, dass man in diesem Kontext von „jüngeren“ Kunden spricht, aber die Demografie in Deutschland komplett das Gegenteil abbildet in den kommenden 25 Jahren! Insofern ZARA wie immer solche Themen auf dem Schirm hat, folgen daraus vereinfacht drei Actions: 1) Alles wirklich Junge wie bisher in den Laden ziehen und Mainstream plattschiessen 2) Die Sortimente und Größen dieser Demografie anpassen 3) Die Kunden in den „Customer Lifecycle“ von Inditex treiben und die weiteren Konzepte neben Zara sinnvoll expandieren

Jürgen Wolf

Founder HOMEBOY Loud Couture - Speaker

1 Monat

Wenn du mich mit dem Jürgen meinst, stimme ich dir absolut bei. Nebenbei ist es der Plan den ich mit Homeboy verfolge. Von so vielen Händlern höre ich, dass der 16-Jährige junge eine Homeboy Baggy kauft und sein forty something Vater ein Homeboy Sweatshirt. Diese komplette Runderneuerung im Handel betrifft dann auch Marken wie Jack & Jones. Die müssen Sie nämlich auch neu erfinden.

Marc Hoeft

HAPPINESS DOESN’T DEPEND ON WHAT YOU HAVE OR WHO YOU ARE , IT SOLELY DEPENDS ON WHAT YOU THINK 🙏

1 Monat

Jürgen , ich kann Dir in der Beschreibung völlig zustimmen. Inditex ist definitiv eine eigene Welt für sich und wenn man den Konzern kennt und sich das Geburtshaus von Armancio Ortega anschaut , was manche heute in die Kategorie Flüchtlingsunterkunft einordnen würden, dann ist deren Weg unglaublich. Ich war sehr oft da und man ist jedes Mal erstaunt was sich alles ständig ändert. Shein auf der anderen Seite ist ein perfektes System dem Kunden quasi Müll anzudrehen. Aber beiden ist gemein, das wir , wenn wir einigermaßen klug beraten sind , von ihren Systemen sehr wohl lernen können, ohne sie zu kopieren. Ich frage mich seit längerem, warum bis heute noch niemand in unserem Markt eine Art kleinen Inditex ( manche werden jetzt sagen, es gibt schon Ansätze) aufgebaut hat oder auf der anderen Seite eine faire , soziale Version von SHEIN und co. Beides dürfte definitiv möglich sein. Wir müssen nur lernen alles etwas kreativer mit viel mehr open mind anzugehen und nicht immer die Vergangenheit verwalten. Denn heute ist morgen schon gestern. Schon Heraklit fand vor ca 2.500 Jahren heraus das nichts so beständig wie der Wandel ist . Wir hatten also genug Zeit zum Nachdenken und Lernen.

Elmar Sairally

“Wenn man etwas wirklich Gutes geschaffen hat, sollte man etwas Neues wirklich gut entwickeln und nicht zu lange im Erfolg schwelgen.” … nach Steve Jobs

1 Monat

… und um Jürgen da zu ergänzen mit dem Dauer-Aktivismus der Expertenzirkel. Erfolgreich sind dann nur diejenigen, welche eine eigenständige Botschaft finden, mit der sie erst den Youngstertrend treffen und im Nachlauf die „Junggebliebenen“ in den Konsum holen. Der ewige Aktionismus der Ideenlosen, die Erfolgskonzepte von Zara & Co zu kopieren und hoffnungsvoll daran partizipieren zu können, der ist bereits seit mehr als 20 Jahren erfolgslos. Meiner Meinung nach der Hauptansatz für die Schwäche von Industrie & Handel. Gerne lasse ich mich eines besseren belehren, bisher konnte ich da keine grundlegende Erkenntnis erlangen. Leider.

Jürgen Wolf

Founder HOMEBOY Loud Couture - Speaker

1 Monat

Dieser Drang ist doch seit 20 Jahren nur Aktivismus. Wenn dieser Gedanke fruchten würde, hätte KaDeWe keine Verluste aufgehäuft und Breuningers Handelsanteil wäre mehr Wert als 200 Millionen. Ich werde nicht müde zur predigen, dass der Handel die Jugend zurückholen muss und das geht nur über Storytelling. Wir alle in dieser Branche müssen unseren Kunden eine Welt verkaufen, in der Sie am liebsten leben würden. Die Flucht aus der eigenen Lebensrealität wird ja nicht nur durch Liebesromane gestillt......

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