Vertrieb kommt nicht von vertreiben

Vertrieb kommt nicht von vertreiben

 Vertrauen ist das Gegenteil einer Selbstverständlichkeit 

Eine Dienstleistung oder ein Produkt zu verkaufen, ist ein komplexer Prozess. Doch wenn Kunden und Kundinnen das Produkt oder die Dienstleistung unbedingt wollen oder es im Trend liegt, haben sie sich bereits selbst davon überzeugt. Denke nur an die ersten iPhones, bei denen Menschen tagelang vor den Apple Stores campierten, um das begehrte Handy als eine der Ersten zu besitzen. Für die Verkäufer und Verkäuferinnen in den Geschäften bedeutete das lediglich, die Ware zu verteilen – first come, first sale.  

Doch die meisten Termine mit Kunden und Kundinnen gestalten sich nicht so einfach. Vertriebsmitarbeitende müssen Bedürfnisse identifizieren, Interesse wecken, Einwänden begegnen und letztendlich Abschlüsse erzielen. In B2B- und B2C-Situationen treffen immer noch Menschen aufeinander. Es ist ein Geschäft, das auf zwischenmenschlichen Beziehungen basiert, und der Aufbau von Vertrauen spielt dabei eine zentrale Rolle. Aber was genau ist Vertrauen? Genügt es, wenn Vertriebsmitarbeitende behaupten, sie seien "vertrauenswürdig"? Wer entscheidet darüber? 

Der Philosoph Martin Hartmann sagt, Vertrauen muss erst aufgebaut werden und ist mit Arbeit verbunden. Kunden und Kundinnen erwarten, nicht enttäuscht zu werden und dass die Verkäufer:innen authentisch sind. Es geht also darum, ob Kunden und Kundinnen es wagen, einer Person zu vertrauen. Menschen vertrauen anderen in unterschiedlichem Maße. Dabei spielen drei Komponenten eine Rolle: 

  • Affektives Vertrauen zeigt die grundsätzliche Einstellung von Menschen gegenüber dem Vertrauen in andere. Manche Menschen vertrauen leichter als andere, basierend auf Erfahrungen oder genetischer Veranlagung. Wenn der Vertrauensaufbau beim Kunden oder der Kundin mühsam ist, hat das auch mit affektivem Vertrauen zu tun. Vertriebsverhalten und Aussagen werden mit den Haltungen und Erfahrungen des Kunden und der Kundin abgeglichen, was entweder Vertrauen fördern oder achtsame Arbeit erfordern kann.   
  • Reputationsvertrauen entsteht aufgrund der öffentlichen Wahrnehmung einer Person. Der Ruf eilt einer Person voraus, selbst wenn Kunden und Kundinnen sie noch nicht persönlich kennen. Beispielsweise können Artikel in sozialen Medien oder Mundpropaganda das Bild einer Person prägen und somit Reputationsvertrauen beeinflussen. 

Daher ist es ratsam, dass Vertriebsmitarbeitende darauf achten, was sie veröffentlichen. Abwertenden, hetzerische Kommentare zu politischen Themen, hier auf LinkedIn oder anderen Plattformen können beispielsweise das Vertrauen der Kunden und Kundinnen negativ beeinflussen, noch bevor sie die Person persönlich kennenlernen. Diese Wirkung kann sich auch auf das Unternehmen auswirken, sei es positiv oder negativ. Der Aufbau von Vertrauen im öffentlichen Raum erfordert daher ständige Aufmerksamkeit. 

  • Erfahrungsvertrauen entsteht durch positive Erfahrungen im Kundenkontakt. Wenn Kunden und Kundinnen die Vertriebsmitarbeitenden als authentisch und kongruent in ihren Werten, Worten und Handlungen erleben, entsteht Vertrauen im Laufe des Verkaufsprozesses. Negative Erfahrungen können das Vertrauen schnell beeinträchtigen, aber positive Erfahrungen können einen Bonus aufbauen und sogar Fehler verzeihen. 

Der Aufbau von Vertrauen erfordert also kontinuierliche Arbeit und ist nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht wichtig, sondern auch für die Entwicklung gemeinsamer Schaffenskraft. Es ist ein fortlaufender Prozess, und nur weil Kunden und Kundinnen einmal kaufen, bedeutet das nicht, dass sie automatisch lebenslanges Vertrauen gewähren. Vertrauen ist der Klebstoff für eine nachhaltige Geschäftsbeziehung. 


Uwe Reusche

Geschäftsführer ifsm GmbH & Co. KG



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